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Generation abgehängt – Zu viele junge Menschen sind ohne Berufsabschluss

Christian Begass *

 

 

Wie steht es um junge Menschen ohne Berufsabschluss? Vonseiten der Arbeitgeber, der Wirtschaftsverbände und der Bundesregierung wird seit Jahren von einer entspannten Lage auf dem Ausbildungsmarkt gesprochen. Doch wie sieht die Realität aus?

 

Momentan gibt es in Deutschland ca. 2,2 Millionen Menschen im Alter von 20 bis 34 Jahren

ohne Berufsabschluss, was einer Quote von 15 Prozent entspricht. Somit kann von einer sozial-, bildungs- und beschäftigungspolitisch abgehängten Generation gesprochen werden. Versprechen der Politik, die Quote der Ungelernten zu halbieren, wurden bisher nicht eingelöst. Allzu schnell wird auf die mangelnde Eignung der jungen Menschen verwiesen und damit sind viele Diskussionen erst einmal beendet.

Dabei handelt es sich jedoch keineswegs um eine homogene Gruppe. 1,8 Millionen junge Ausbildungslose haben einen Schulabschluss, davon haben 1 Million einen Hauptschulabschluss, 450.000 die Mittlere Reife und 350.000 sogar eine Studienberechtigung. Wird die Zahl der Personen ohne Schulabschluss gegenübergestellt (400.000), kann nicht davon gesprochen werden, dass viele der ausbildungslosen jungen Menschen keine gute Vorbildung hätten. Eine unzureichende Eignung allein kann also keineswegs der Weisheit letzter Schluss sein. Vielmehr spielt die mangelnde Ausbildungsplatzwahl eine entscheidende Rolle. Dass junge Menschen Ausbildungen meiden, die schlechte Einkommen bieten, in denen die Ausbildungsqualität minderwertig ist und die Chancen auf einen Abschluss geringer, kann ihnen dabei nicht angelastet werden. Zudem sollten Auswahlverfahren und Anforderungen der Arbeitgeber unter die Lupe genommen werden. Denn in einer „Kultur der Besten“ hat der Durchschnitt keinen Platz. Doch selbst ein studienberechtigender Abschluss schützt vor Ausbildungslosigkeit nicht und ohne Berufsabschluss scheint auch die beste Vorbildung keine guten Perspektiven zu bieten. Ein Teufelskreis aus dem viele schwer oder gar nicht herauskommen.

So sind von den 2,2 Millionen Ausbildungslosen 1 Million erwerbslos. Sprich lediglich 1,2 Millionen Menschen ohne Berufsausbildung sind erwerbstätig. Und dabei ist natürlich nicht jeder Job gleichzusetzen mit guter Arbeit. Vor allem junge Ungelernte sind überdurchschnittlich in prekären Beschäftigungsverhältnissen tätig. Dies ergibt sich aus dem BBIB-Report 2012: 17,7% der jungen Ungelernten, die meisten davon junge Frauen, waren geringfügig beschäftigt. Bei Gelernten lag der Anteil mit 5,4% erheblich niedriger. Somit wird deutlich, dass junge Menschen ohne Berufsabschluss überdurchschnittlich prekär beschäftigt sind, wenn überhaupt und dabei geschlechtsspezifische Unterschiede zutage treten.

Anstatt der versprochenen Bildungsrepublik sind tagtäglich die Maßnahmen der Sparrepublik Deutschland zu spüren. Es bleibt somit nicht aus, dass die Ergebnisse einer solchen Politik auch die Ausbildung treffen. Die Jugendlichen brauchen keine Schuldenbremse, sondern Investitionen in ihre Zukunft. Sie brauchen eine gute Ausbildung und Perspektiven auf eine nachhaltige Integration in die Arbeitswelt. Ob soziale Gründe, der demografische Wandel oder der drohende Fachkräftemangel in einigen Branchen und Regionen. Veranlassungen für eine schnelle Kehrtwende der Politik gibt es genügend. Deshalb muss es ein zentrales Anliegen der Bildungspolitik sein, die Ausbildungslosigkeit schnellst möglich abzubauen.

Hierzu gibt es diverse Lösungsvorschläge. Erstens müssen Betriebe ihr Einstellungsverhalten ändern und ausbildungsbegleitende Hilfen ausbauen. Eine Auslese der „Besten“ muss aufhören. Betriebe müssen ihre Hürden reduzieren und das Potenzial aller Schulabschlüsse erkennen. Weniger fordern und mehr fördern, muss die Devise lauten. Natürlich ist es sinnvoll, die Betriebe hierbei zu unterstützen. So könnten z.B. ausbildungsbegleitende Hilfen zu Regelangeboten für die Betriebe ausgebaut werden. Die Auszubildenden bekämen individuelle Förderpläne, die in Abstimmung mit dem Ausbildungsbetrieb erstellt würden. So wäre es möglich, Lernschritte und Lernerfolge zu verfolgen.

Zweitens müsste auch der Übergang von der Schule in die Ausbildung grundlegend überdacht werden. Zurzeit befinden sich zu viele junge Menschen in sinnlosen Warteschleifen des sogenannten Übergangssystems. Diese Maßnahmen führen aber nicht in eine Berufsausbildung, sondern allzu oft in die Ausbildungslosigkeit und somit in prekäre Beschäftigung. Dabei brauchen junge Menschen, die aufgrund mangelnder Angebote keine Ausbildung finden, keine zusätzliche schulische Qualifizierung, sondern einen Rechtsanspruch, der ihnen spätestens sechs Monate nach Beginn des Ausbildungsjahres eine außerbetriebliche Ausbildung zusichert.

Drittens können Tarifverträge, wie bereits die Abschlüsse der IG BCE „Start in den Beruf“ und IG Metall „Tarifvertrag zur Förderung von Ausbildungsfähigkeit“ gezeigt haben, für die Ausbildung genutzt werden. So kann es z.B. eine tariflich fixierte Förderphase geben, in den Arbeitgeber und junge Menschen gemeinsam schulische Defizite abbauen und Chancen auf eine erfolgreiche Ausbildung stärken. Nach erfolgreicher Förderphase entsteht der Anspruch auf eine Übernahme in eine Ausbildung.

Diese Lösungsmöglichkeiten stellen nur einen Ausschnitt des Weges aus dem Dilemma dar. Deutlich sollte allerdings sein, dass es wie bisher nicht weitergehen kann. Um den viel beschworenen Fachkräftemangel zu bewältigen, muss die Politik handeln. Dies bedeutet in die Jugend und deren Ausbildung zu investieren. Sparen ist sicherlich der falsche Weg!

 

 

* DGB-Jugendsekretär Frankfurt am Main

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