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Hat Griechenland einen Anspruch auf Reparationszahlungen?

Hakenkreuz-Akropolis

Griechenland möchte Entschädigungszahlungen für die Zerstörungen aus dem Zweiten Weltkrieg von Deutschland. Deutschland hingegen weist mit Bezugnahme auf den Zwei-Plus-Vier-Vertrag den Anspruch ab.

Die Empörung in Deutschlands Politik und Medienlandschaft war groß, als der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras das erste Mal wieder von den noch ausstehenden Reparationskosten auf deutscher Seite sprach. Die deutschen Medien erwiderten sofort und betitelten die Forderungen u.a. als „dreist“ und „unverschämt“.

Zerstörung pur
Bevor auf den juristischen Zug aufgesprungen wird, sollte die Art und das Maß der Zerstörungen in Griechenland vor Augen geführt werden. Kein Land in Europa ist durch das damalige Nazideutschland so in Mitleidenschaft gezogen worden, wie Griechenland. Knapp 80.000 Menschen starben bei der sog. „Partisanenbekämpfung“ und weitere knapp 300.000 Menschen erlitten den Tod durch Hunger. „Die Hungersnot wurde sehenden Auges in Kauf genommen“, kommentiert Ulf Brunnbauer, Leiter des Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg. „Das war ein gravierender Verstoß gegen das Kriegsrecht.“ 1941 eroberten die Nazis Kreta und raubten sämtliche Staats- und Privatgüter. Ferner wurden weite Gebiete der griechischen Infrastrukturen komplett zerstört.
Das Ergebnis ist also ein Verbrechen an der Menschheit.

Alles gezahlt? Alles gut?
Wie hoch der Schaden insgesamt ist, hält Griechenland noch verdeckt. Diesbezüglich ist eine Expertengruppe beauftragt worden. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass mit dem Wiedergutmachungsabkommen von 1960 Deutschland eine Entschädigungssumme i.H.v. 115 Mio. DM zahlte. Nunmehr beansprucht die jetzige Bundesregierung für sich, dass die Sache damit erledigt sei. So einfach, wie es sich die Bundesregierung aber macht, ist es juristisch gesehen nicht. Denn mit dem Londoner Friedensabkommen von 1953 wurde beschlossen, dass deutsche Reparationszahlungen der Zeit nach einem Friedensabkommen vorbehalten bleiben sollten. Und bis heute gibt es keinen formellen Friedensvertrag! Mangels dessen, zaubert die Bundesregierung nunmehr einen „Friedensvertrag“ aus dem Hut; den sog. Zwei-Plus-Vier-Vertrag. Der Vertrag, den die Bundesrepublik 1990 mit der DDR und den damaligen Alliierten geschlossen hatte, ist ein völkerrechtlicher Vertrag und gewährleistete die Wiedervereinigung der Bundesrepublik und der DDR. Dieser Vertrag beinhaltet mit keinem Wort, welches sich „Friedensvertrag“ schimpft. Das juristische Handwerk kennt jetzt nun zwei Arbeitsmethoden: Zunächst wird auf den Wortlaut des Gesetzes oder des Vertrages geschaut: Oftmals wird es, wie es auch in dem Zwei-Plus-Vier-Vertrag der Fall ist, in der Präambel der Sinn und Zweck des Vertrages festgehalten. Dort heißt es u.a.: „… In dem Bewusstsein, dass ihre Völker seit 1945 miteinander in Frieden leben, Eingedenk der jüngsten historischen Veränderungen in Europa, die es ermöglichen, die Spaltung des Kontinents zu überwinden… In Würdigung dessen, dass das deutsche Volk in freier Ausübung des Selbstbestimmungsrechts seinen Willen bekundet hat, die staatliche Einheit Deutschlands herzustellen, um als gleichberechtigtes und souveränes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, in der Überzeugung, dass die Vereinigung Deutschlands als Staat mit endgültigen Grenzen ein bedeutsamer Beitrag zu Frieden und Stabilität in Europa ist, MIT DEM ZIEL, die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland zu vereinbaren, in der Anerkennung, dass dadurch und mit der Vereinigung Deutschlands als einem demokratischen und friedlichen Staat die Rechte und Verantwortlichkeiten…“. Explizit geht es also um die Wiedervereinigung der Bundesrepublik und der DDR auf Grundlage des friedlichen Zusammenlebens. Legt man nunmehr diesen Vertrag nach den juristischen Grundsätzen aus, so muss man davon ausgehen, dass der Vertrag verdeutlichen will, dass die europäischen Völker spätestens nach dem Kalten Krieg in Frieden leben und der Wiedervereinigung nichts mehr im Wege steht. Es lässt sich damit weder nach dem ausdrücklichen Wortlaut noch nach dem Sinngehalt des Vertrages die Absicht des Abschlusses eines Friedensvertrages ersehen.
Zu diesem Ergebnis kommt auch der Bremer Völkerrechtler und Universitätsprofessor,  Andreas Fischer-Lescano und führt die juristische Argumentation weiter aus. Die Geltendmachung Griechenlands sei zulässig, da Griechenland keine Vertragspartei des Vertrages sei und der Vertrag deshalb Griechenland auch nicht binde. Nunmehr argumentiert die Bundesregierung, dass Griechenland infolge seines jahrelangen Untätig-bleibens auf weitere Zahlungen verzichtet habe. Auch diese Argumentation ist, juristisch gesehen, dürftig, denn Schweigen gilt grundsätzlich nicht als Annahme oder Verzicht.

Griechenland zahlt ordentlich Zinsen
Der Bundestagsabgeordnete, Andrej Hunko (DIE LINKE) stellt auf seiner Internethomepage klar, dass Griechenland seit 2010 an den Bund 360 Mio. € gezahlt habe. Diese Summe stammt aus dem Antwortschreiben des Finanzministeriums. Weiterhin heißt es: „Die KfW hat im Zeitraum 2010 bis 2014 an den Bund Zinseinnahmen von insgesamt rund 360 Millionen Euro ausgekehrt“.

Deutschlands Wirtschaft in Griechenland
Deutsche Unternehmen sind in Griechenland stark angesiedelt. Auf der offiziellen Homepage des Auswärtigen Amtes heißt es, dass deutsche Unternehmen v.a. im griechischen Einzelhandel und in der Pharmaindustrie tätig seien. Deutschland sei mit einem Handelsvolumen von 6,5 Milliarden € drittgrößter Handelspartner. Die Deutsche Telekom besitze einen 40-prozentigen Anteil am halbstaatlichen griechischen Telekommunikationskonzern OTE.  In Anbetracht dieser Tatsachen ist es wohl doch so, dass die Kreditvergabe wenig mit Solidarität zu tun hat, sondern eher was mit Finanzierung der eigenen Unternehmen in Griechenland. Demzufolge würde ein Bankrott Griechenlands zu Milliardenverlusten der deutschen Unternehmen führen.

 

Onur Kodas

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