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Hauptschule geht… Das Problem bleibt!

Onur Kodas

Nach wochenlangen Diskussionen hat die Bundes-CDU nun beschlossen, dass sie sich vom dreigliedrigen Schulsystem verabschieden möchte. Das neue Schulkonzept wurde in einem 30-seitigen Entwurf unter der Leitung der Bildungsministerin, Annette Schavan (CDU) und dem niedersächsischen Kultusminister, Roland Wöller (CDU) vorbereitet.  Dieses Blatt sieht die Verschmelzung von Haupt- und Realschulen zu einer gemeinsamen „Oberschule“ vor. Die Vielzahl von Schulformen würden „die Eltern, Schüler und Lehrer gleichermaßen verwirren, die Vergleichbarkeit innerhalb und zwischen den Ländern erschweren und die Mobilität behindern“, heißt es in dem Blatt offiziell. Als Konsequenz hieraus soll es bis 2020 nur noch ein zweigliedriges Schulsystem geben. Insbesondere  wolle man auf den demographischen Wandel reagieren, verteidigt die Bildungsministerin Schavan den Entwurf. Manche östliche Bundesländer müssten derzeit nahezu die Halbierung ihrer Schülerzahlen verkraften und Schulen schließen und zusammenlegen. Die Oberschule soll neben dem Gymnasium als einzige Schulform existieren. Dieses neue Schulkonzept soll nun auf dem CDU-Parteitag im November  „wasserfest“ gemacht werden.
Pressespiegel und Resonanzen
Gerne würde sich die CDU gerade in diesen schwierigen Tagen als geschlossene Einheit zeigen, jedoch sorgt das Thema zweigliedriges Schulsystem weiterhin für Zündstoff in den eigenen Reihen aber auch bei den Koalitionspartnern der FDP und CSU. So kündigte beispielsweise der CDU-Landesverband in Baden-Württemberg Widerstand dagegen an. Generalsekretär Thomas Strobl warnte in einem Interview seine Bundespartei und verdeutlichte, dass es „keinen Grund für unsinnige Strukturexperimente“ gebe.  So unterschiedlich die Resonanzen innerhalb der Koalition sind, so unterschiedlich sind auch die Reaktionen von außerhalb. Rosemarie Hein, die Fraktionssprecherin für allgemeine Bildung der Bundestagsfraktion die Linke, verdeutlichte in ihrem Pressestatement, dass ein „zweigliedriges Schulsystem unter Beibehaltung des Gymnasiums die ausgrenzenden Effekte nicht aufhebe“. Das CDU-Modell könne deshalb „bestenfalls als ein Zwischenschritt betrachtet werden“. Ähnlich sieht es die Tageszeitung Junge Welt. Sie tituliert dieses Thema mit der Formulierung: „Minimale Einsicht in die Notwendigkeit“. Sie kritisiert lediglich nur oberflächlich, dass die „Selektion vorrangig“ bleibt. Die konservative Tageszeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) sieht in dem Vorstoß der CDU eine „unschöne Bildungswelt“ voraus. Richtigerweise spricht sie von der „Illusion über Strukturreformen Unterschiede auszugleichen“. Indirekt ist sie aber für den Erhalt der Hauptschulen. Der demographische Wandel und der Fachkräftemangel hätten bewirkt, dass es nunmehr mehr Ausbildungsplätze als Bewerber gebe und sich somit die Chance der Hauptschüler auf einen Ausbildungsplatz sich „etwas verbessert“ habe.
Lange Rede, kurzer Sinn
Verwunderlich ist bei dieser Diskussion, dass das zentrale Problem des deutschen Bildungssystems außer Acht gelassen wird. Die Studien der PISA und IGLU haben doch abermals bewiesen, dass der schulische Erfolg der Kinder von der sozialen Herkunft abhängt. Kinder aus gehobenen Klassen sind in der Schule erfolgreicher als Kinder, die aus Arbeiterfamilien stammen oder deren Eltern auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Dessen Gründe hängen hauptsächlich mit finanziellen Aspekten zusammen. Beispielsweise bekommen Kinder, deren Eltern vom Arbeitslosengeld II leben, pro Schuljahr nur 100 Euro für den Schulbedarf. Dass diesen Kindern damit der Weg zu einer erfolgreichen Schullaufbahn erheblich erschwert wird, ist doch mehr als offensichtlich. Denn die zentrale Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist doch, ob die Oberschule diesen Missstand löst oder überhaupt lösen kann? Mit der Zusammenschmelzung von Haupt- und Realschulen  wird der sozial selektive Charakter des deutschen Bildungssystems doch nicht abgeschafft. Ganz im Gegenteil. Es kristallisiert sich ein Zwei-Klassen-Bildungswesen, indem die reichen Kinder das Gymnasium besuchen und der Rest in den Oberschulen zusammengepfercht wird. Während die Gymnasialschüler, wie bis dato auch, eine qualitativ gute Bildung erhalten werden, müssen sich die Kinder der Oberschulen nur mit einer schlechten oder mittelmäßigen Schulausbildung zufriedengeben. Der Vorstoß CDU kann damit nicht als ein minimaler Schritt in die richtige Richtung gewertet werden, weil dieser Vorstoß dieses Problem nicht einmal ansatzweise angeht.
Arbeiterkinder besonders betroffen
Nach den Untersuchungen der aktuellsten IGLU Studie stammen über 60 Prozent der Hauptschülerinnen und Hauptschüler aus sozial schwachen Familien. Im Kontrast dazu: An den Unis sind es nur 7 Prozent, die aus Arbeiterfamilien stammen. Dieses Ergebnis hat allerdings in nichts damit zu tun, dass Arbeiterkinder dümmer sind, als Kinder aus reichen Familien. „Bei gleichen kognitiven Fähigkeiten und gleicher Leseleistung haben Kinder aus der Oberschicht eine mehr als zweieinhalb Mal so große Chance, von ihren Lehrern eine Gymnasialempfehlung zu bekommen, wie Kinder von Facharbeitern oder leitenden Angestellten“, hieß es schon vor mehreren Jahren. So müssen Arbeiterkinder im Schnitt 614 Punkte erreichen, um eine Empfehlung für das Gymnasium zu bekommen, während ein Akademikerkind lediglich nur 537 Punkte braucht. Diese Tatsachen verdeutlichen die Ungerechtigkeit des deutschen Bildungssystems erneut.

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