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Herz und Verstand sagen NEIN!

1,4 Millionen wahlberechtigte türkische Staatsbürger in Deutschland dürfen bis zum 9. April ihre Stimmen für ein Evet (ja) oder ein Hayir (nein) zur Verfassungsänderung abgeben. Und ihre Stimmen könnten das Zünglein an der Waage sein. Nach den Großstädten Istanbul, Ankara und Izmir gilt Deutschland als der viertgrößte Wahlbezirk. Je nach Wahlausgang entscheidet sich die Türkei entweder für eine Diktatur oder für die Demokratie.

Angesicht der aktuellen Entwicklungen und der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und vielen europäischen Staaten hat die Polarisierung innerhalb der Türkeistämmigen in Deutschland ebenfalls zugenommen. Jeder, der für ein Nein steht, wird als von Befürwortern als Terrorist oder Türkeifeind betitelt. Doch auch unter konservativen Menschen entwickelt sich eine gewisse Differenzierung. Viele haben an der Politik der türkischen Regierung ihre Zweifel, ob das Ganze hätte soweit gehen müssen. Jede Kritik als Nazi oder faschistisch zu bezeichnen oder Drohungen auszusprechen führt zu keiner Lösung irgendeines Problems. Wenn man die 18 Punkte der geplanten Verfassung sich zu Gemüte führt, ist es nicht sonderlich schwer zu erkennen, daß es hauptsächlich darum geht, alle Macht einem einzigen Mann zu übertragen. Bereits in den ersten Wahltagen haben wir aus den Gesprächen erfahren, daß viele Ja-Sager vielmehr aus Trotz Ja sagen wollen, als aus Überzeugung.

Wir fordern die hier lebenden türkischen Staatsbürger auf, sich für die Demokratie zu entscheiden;

– denn in Deutschland leben wir schon seit Jahrzehnten und kennen die Vorzüge von Meinungs- und Pressefreiheit. Wir wissen, wie es ist, sich zu jedem Thema äußern und informieren zu dürfen.

– denn wir wissen, was es bedeutet die gleichen Freiheiten und Vorzüge zu genießen, wie die Mehrheitsgesellschaft.

– denn wir wissen, was Toleranz, Akzeptanz und Zusammenleben von verschiedenen Kulturen, Ethnien und Religionen bedeutet.

– denn wir haben aus der Geschichte gelernt, dass so viel Macht gebündelt in einer einzigen Hand auch zum Schlechten missbraucht werden kann und wird.

Die türkischen Staatsbürger in Deutschland müssen sich die Frage stellen, ob sie es ihren Angehörigen in der Türkei zumuten wollen, unter diktatorischen Verhältnissen zu leben, während sie hier viele Möglichkeiten der Demokratie voll ausschöpfen können. Sie müssen ihre Augen öffnen, dass es der AKP-Administration nicht um Humanismus oder Menschlichkeit geht, sondern um politisches Kalkül und eine streng gewalttätige Auslegung des islamischen Glaubens.

Wenn Erdogan der Präsident der ganzen Türkischen Republik sein möchte, muss er bereit sein, Kompromisse einzugehen, Zugeständnisse zu machen oder sich für andere Ideen zu öffnen. Ein Bürgerkrieg in der Türkei wäre fatal. Daher sollten alle türkischen Staatsbürger ihrer Stimme bewusst sein und auf ihre Menschlichkeit und den Verstand setzen. Dann liegt die Entscheidung heute schon klipp und klar auf der Hand: NEIN!

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