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Innenministerkonferenz: Abschiebepläne am Weltflüchtlingstag

Eren Gültekin

Zwischen dem 19. und 21. Juni fand die Innenministerkonferenz in Potsdam statt. In jener Stadt, wo nicht weit entfernt auch das geheime Treffen von Rechten und Unternehmern Ende letzten Jahres stattfand, das vom Medienhaus Correctiv enthüllt wurde und wo im Geheimen über eine “Remigration” gesprochen wurde. Dieses Mal regte sich jedoch niemand öffentlich auf, obwohl die Innenminister der Bundesländer darüber sprachen, wie Geflüchtete schnellstmöglich zurückgeschickt werden könnten.

Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan sollen schnell abgeschoben werden

Dass die Gefahr eines Rechtsrucks nicht erst dann gefährlich wird, wenn die AfD an die Macht kommt, um ihre menschenverachtenden Pläne durchzusetzen, zeigt die Konferenz der Innenminister. Nach den herben Verlusten der Ampel-Koalition bei den Europawahlen und dem tödlichen Messerangriff eines 25-jährigen Geflüchteten auf einen Polizisten in Mannheim wurde die Tagesordnung zur Abschiebung natürlich nicht kurz gehalten. Auch hat die vom EU-Parlament am 10. April beschlossene Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) die Tore dafür geöffnet, um die Maßnahmen der Länderminister zu legitimieren. Diese europäische Reform führt verpflichtende Asylschnellverfahren unter Haftbedingungen in Lagern an den EU-Außengrenzen ein. So sprach die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nach der IMK: „Wir haben alle das gleiche Interesse an einer Reduzierung der irregulären Migration in Deutschland.“ Bei eines seien sich bei dieser Konferenz alle einig gewesen: „dass wir schnellstmöglich Straftäter und Gefährder nach Afghanistan und Syrien abschieben wollen“ und für Faeser seien die „deutschen Sicherheitsinteressen ganz klar an erster Stelle“. Hierfür hat sie auch auf die GEAS-Reform verwiesen und nannte diese den „Schlüssel zur Begrenzung der irregulären Migration“ und betonte deren Umsetzung für Deutschland als „höchste Priorität“. Bei der Debatte um Abschiebungen insbesondere von Menschen aus Syrien und Afghanistan ist hierbei immer die Rede von „islamistischen Gefährdern“, als würde hierzulande sonst alles zum Wohl der Menschen ablaufen und keine terroristische Gefahr von rechts geben oder das Bildungs-, Sozial- und Gesundheitssystem reibungslos funktionieren. Wie die Geflüchtetendebatte hierbei ein gutes Ablenkungsmanöver ist und als die Lösung-für-alles-Karte dient, verdeutlichen die aktuellen Debatten. Es bietet sich sehr gut an, in Zeiten, wo es von allen Ecken kriselt und mangelt und man diese Gunst für stärkere Reformen in der Geflüchteten-, Sicherheits- und Militarisierungspolitik schnellstens ohne Gegenwehr durchsetzen möchte. Es geht so weit, dass man sogar mit Staaten, die zuvor als “No-Go” galten, sogar bereit ist, zu verhandeln. Verhandeln um jeden Preis. Wo anfangs nur die Rede von Geflüchteten war, die nicht gut integrierbar seien, und Straftätern, die man abschieben sollte, ist die Begründung jetzt, dass die Kriege dort vorbei seien, so der FDP-Generalsekretär Djir-Sarai. „Ein subsidiärer Schutz sei nicht mehr zeitgemäß“, so hatte sich auch CSU-Chef Söder geäußert. Die Vertreter der Bundesländer Sachsen und Bayern forderten direkte Verhandlungen mit den Taliban und der Regierung in Damaskus. Der Innenminister von Sachsen, Armin Schuster (CDU), äußerte sich diesbezüglich: „Die Leute befinden sich bereits in Haft beziehungsweise in Abschiebehaft und könnten sofort der Bundespolizei übergeben werden.“

Offener Brief von mehr als 300 Organisationen

Dass die Ampelregierung aktuell in den kommenden Landtagswahlen wie Sachsen, Thüringen und Brandenburg nicht gut dasteht, ist bekannt. Deshalb ist es nicht verwunderlich, mit einer drastischen Abschiebepolitik im Blick auf die dortigen Wahlkämpfe Wähler anzusprechen. So reagierten auch Zivil- und Menschenrechtsorganisationen auf die abgehaltene Konferenz in Potsdam. Mehr als 300 Organisationen veröffentlichten einen Tag vor der Konferenz einen offenen Brief, unter anderem Amnesty International Deutschland, Ärzte ohne Grenzen und Pro Asyl. „Bitte erteilen Sie Plänen zur Auslagerung von Asylverfahren eine klare Absage“, lautete die Nachricht der Verfasser des Briefes.

Ukrainische Geflüchtete

Auch Menschen, die aus dem Krieg in der Ukraine geflohen sind, waren Thema der IMK. So hat der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Brandenburgs Innenminister Stübgen, eine weitere Diskussion entfacht und zwar ob Geflüchtete aus der Ukraine weiterhin Bürgergeld erhalten sollen, mit dem Verweis darauf, dass die rund 210.000 männlichen Ukrainer zwischen 18 und 60 Jahren, die sich in Deutschland aufhalten, in der Heimat wehrpflichtig seien. Grund für diese Debatte ist auch, dass die Ukraine im April die Ausgabe von Reisepässen an im Ausland befindliche Männer gestoppt hat, aufgrund von Mangel an Soldaten. Deshalb können ukrainische Männer, die im wehrfähigen Alter sind, ihre Reisepässe in Zukunft nur noch in ihrem Land selbst erhalten. Thorsten Frei, der Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, fordert ein Ende der bisherigen Bürgergeldzahlungen an ukrainische Flüchtlinge. „Die Bürgergeld-Zahlungen an die Kriegsflüchtlinge setzen völlig falsche Anreize“. Weiter führte er aus, es ginge für die Ukraine um alles und dass sich hierzulande aber viele wehrfähige Ukrainer sich ducken würden. Er verwies darauf, dass es bekannt sei, dass nicht nur Waffen, sondern auch Soldaten benötigt würden in einem Krieg. Hier muss betont werden, dass Geflüchtete aus der Ukraine Bürgergeld statt Asylbewerberleistungen wie bei anderen Geflüchteten bekommen. (Dieses Beispiel zeigt deutlich, wenn das Interesse bestünde, dass nicht nur Ukrainer einen solchen Standard bekommen könnten, sondern alle Menschen, die darauf angewiesen sind. Aber das ist eine andere Debatte)

Waffenverbotszone

Ein weiterer wichtiger Teil der IMK war die Waffenverbotszonen. Hier war man sich schnell einig, eine zusätzliche Regelung zur Ausweitung von Waffenverbotszonen zu prüfen. Die Intention der Absicht sei, anlasslose Polizeikontrollen zu ermöglichen, denn „erst wenn anlasslose Kontrollen möglich sind, entfalten Waffenverbotszonen auch die erwünschte breite präventive Wirkung“, so die Innenministerin Sachsen-Anhalts Tamara Zieschang (CDU). Auch war eine der Entscheidungen, von Bund und Ländern zu prüfen, ob es zusätzlicher bundesgesetzlicher Regelungen zu Waffenkontrollen bedarf, um Straftaten mit Messern zu verhindern. Dass dieses Vorhaben nur darauf abzielt, migrantisch aussehende Menschen nur noch mehr in den Fokus eines bösen Verbrechers zu rücken, ist ohne Frage. Dass dies keine reale Prävention sein kann und diese nur mit wirklicher sozialer Perspektive gelöst werden kann, aber das Interesse eher dabei liegt, das Geld der Steuerzahler in Krieg und Aufrüstung zu stecken und dafür die rassistische Stimmung in diesem Land nur noch mehr aufzuheizen, verdeutlicht das aktuelle Bundesetat.

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