Özgün Önal
Allerspätestens in der Corona Pandemie haben wir die generell lückenbehaftete Situation in den Schulen gesehen. Lehrermangel, marode Schulen, fehlende technische Ausstattung, nicht zuletzt der Distanzunterricht. Die Probleme im Schulbetrieb werden nicht besser. Die Corona-Pandemie hat diese Lage weiter verschärft.
Die Hauptakteure im Bildungssystem sind in erster Linie die Lehrer. Es mangelt an Lehrern, weil die Finanzierung dieser nicht gewährleistet wird. Eine Studie der DAK-Gesundheit (Studie von 2020) zeigt, dass alleine in der Pandemie jede vierte Lehrkraft emotional erschöpft war und Burnout-Symptome zeigt. Laut der Studie machen sich 65 Prozent der Beschäftigten in den Schulen größere Sorgen um die eigene Gesundheit. Außerdem arbeiten sie im Schnitt pro Woche fast einen Arbeitstag zusätzlich.
Lehrer wünschen sich zudem eine Doppelbesetzung in den Klassen, um sowohl den Unterricht zu führen, als auch die Entwicklung der Schüler verfolgen zu können. Dies kommt nämlich zu kurz, wenn man bedenkt, dass Lehrkräfte nebenbei ständig weitere Aufgaben erledigen müssen. Vor allem in der Grundschule, wo die ersten und wichtigsten Bausteine für den weiteren Werdegang gelegt werden.
Diese Lage wirkt sich selbstverständlich am stärksten auf die Schüler aus. Vor allem Kinder und Jugendliche aus sozio-ökonomisch schwächeren Haushalten sind stark von dieser Misere beeinflusst. Denn diese können sich keine weitere und private Hilfe holen.
Um einige Zahlen zu nennen: 22 Prozent der Viertklässlerinnen und Viertklässler beherrschen nicht einmal die Mindestanforderungen in Mathematik, über 47.000 junge Menschen beenden die Schule ohne jeden Abschluss, mehr als 12.000 Stellen für Lehrkräfte sind nicht besetzt.
Das ganze Desaster lässt sich offensichtlich klären, wenn die ausreichende Finanzierung des Bildungssystems gewährleistet wird. Letztes Jahr (2022) gab es gerade einmal 598 Millionen Euro für die Bildung, d.h. für die Schulen. Klar ist, dass das Budget für die Schulen zu wenig ist, aber noch verheerender ist das Tempo der Prozedur bis das Geld die Schulen erreicht. Nach dem Beschluss musste der Bund erstmal mit den Ländern Verwaltungsvereinbarungen treffen, alle 16 Länder mussten dann wiederum Förderrichtlinien erarbeiten und die Kommunen als Schulträger müssen dann entsprechende Anträge auf die Mittel stellen. Dass das Ganze einen so langen Prozess bedarf, kommt den bestehenden Umständen nicht zugute.
Bildungspolitik in der Krise?
Anfang März diesen Jahres fand der sogenannte Bildungsgipfel statt, auf dem diese Situation diskutiert und nach Lösungen gesucht wurde. Zur Erinnerung: Die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatte Länder und Kommunen, Wissenschaft und Schulcommunity zum Krisentreffen gebeten. Eine „bildungspolitische Trendwende“ wollte sie einleiten und die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern neu regeln. Beides ist gründlich schiefgegangen. Die Länder blieben – bis auf zwei – dem Gipfel fern, Beschlüsse wurden nicht gefasst. Außer man lässt die Ankündigung einer Taskforce gelten, die irgendwann Vorschläge zu drängenden Schulproblemen machen soll. Dabei müsste auch Stark-Watzinger klar sein, dass man mit Arbeitskreisen keine Schulabbrecherquoten senkt oder sozial benachteiligten Kindern hilft. Der Gipfel hat offenbart, dass nicht nur das Bildungssystem in einer Krise steckt – sondern auch die Bildungspolitik.
Hier wurde das Startchartprogramm ins Leben gerufen, mit dem Grüne, SPD und FDP die Bildungsungleichheit im Lande angehen wollen. Die Bundesregierung will schon ab dem kommenden Jahr 4.000 Schulen, auf die besonders viele sozial benachteiligte Schüler gehen, mit zusätzlichem Personal und Geld ausstatten. Doch wie die 4.000 Schulen ausgewählt werden, wie viel Geld pro Schule zur Verfügung steht oder welche Ziele vor Ort konkret erreicht werden sollen, das ist alles noch unklar. Dazu führen Bund und Länder derzeit erste tiefer gehende Gespräche.
An dieser Stelle ist es tatsächlich ernüchternd, wenn die Bundesregierung über Nacht 100 Milliarden Euro Sondervermögen für Aufrüstung genehmigen kann und es einwandfrei finanziert wird und es im Bildungswesen fehlt oder länger dauert, das Geld zu erhalten.