Das Jahr 2025 neigt sich dem Ende zu und wir stellen uns die Frage: Wie lief das Jahr aus der Sicht der Beschäftigten? Und was ist für nächstes Jahr zu tun? In diesem Zusammenhang macht es Sinn sich die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen in Deutschland und auch international anzuschauen.
Demir Yildirim
Verschiedene Wirtschaftsinstitute geben für das Jahr 2025 ein Wachstum von 0,2% an. Das bedeutet die deutsche Wirtschaft stagniert weiter, wie in den Jahren zuvor. Die Stoßrichtung der Konzerne und der Politik ist es, diese Defizite auszugleichen und im internationalen Konkurrenzkampf die eigene Position weiter auszubauen. Vor allem zentrale deutsche Industriebranchen geraten unter den Druck der internationalen Konkurrenz. Die Neuzulassungen von deutschen Elektroautos auf dem wichtigen China-Markt ist um 46 Prozent zwischen den Monaten Januar und September 2025 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangen. Wer einen Blick in den Wirtschaftsteil der einen oder anderen Zeitung wirft, dürfte ähnliche Schlagzeilen schon gelesen haben. Doch rote Zahlen werden in den Bereichen ganz sicher nicht geschrieben. Wie auf der ganzen Welt, geht auch 2025 der operative Gewinn der deutschen Autoindustrie zurück. Doch er bleibt im dritten Quartal 2025 bei 1,71 Milliarden Euro.
Der deutsche Standort
Um diese „Defizite“, die in Wirklichkeit keine Defizite sind, auszugleichen wird zu Maßnahmen gegriffen wie zum Abbau von Arbeitsplätzen. Insgesamt sind in einem Jahr in der deutschen Industrie 120.300 Stellen abgebaut worden. Seit dem Vor-Pandemie-Jahr sogar 272.000 Stellen. Die Zahlen wurden vom Beratungsunternehmen EY veröffentlicht. Jan Brorhilker, Geschäftsführungsmitglied von EY, sagt, dass die Umsätze der Industrieunternehmen sich immer mehr von den Höchstständen im Jahr 2022 entfernen würden, vor allem die Automobilindustrie würde leiden und ziehe weitere Branchen mit nach unten. Außerdem liefert er auch direkt eine Lösung hinterher: Es würde viel zu wenig investiert, was zum Teil auf die bekannten Standortnachteile in Deutschland wie hohe Energie- und Arbeitskosten zurückzuführen sei. Die Standortdebatte zieht sich durch alle Bereiche der deutschen Wirtschaft. Mit Brorhilker haben wir einen Vertreter der deutschen Wirtschaft, der sehr ehrlich erklärt, welche Interessen diese Debatte verfolgt. Nämlich zum einen die Erwartung, dass der Staat für zu hohe Energiekosten aufkommt, was nun im Rahmen des umgesetzten Industriestrompreises erfüllt wurde und zum anderen beklagt er zu hohe Löhne im Land. Gleichzeitig gibt er auch offen zu, dass es die Erwartung gibt, durchgehend eben die Höchstumsätze aus dem Jahr 2022 zu erreichen oder zu übertreffen.
Auch von gewerkschaftlicher Seite wurde die Standortdebatte schon aufgegriffen. Am 15. März diesen Jahres organisierte die IG Metall in allen Teilen der Republik Aktionstage. Die Forderungen für den Aktionstag wurden entlang des 11 Punkte Papiers der IG Metall aufgegriffen. Dort werden unter anderem Subventionen für die Stahl- und Autoindustrie gefordert. Auch wenn es hier unter anderen Vorzeichen diskutiert wird, so sind die Forderungen schon fast identisch in der Industriepolitik. Zum Schutz der deutschen Standorte werden auch die Belegschaften zum Verzicht aufgefordert, nicht nur von Seiten der Konzerne, sondern auch von Seiten der Gewerkschaften. Das Ziel war es, auch in zahlreichen Tarifauseinandersetzungen in 2025 im Gegenzug für niedrige Forderungen in den Lohnverhandlungen Beschäftigungssicherung rauszuschlagen.
Das geht soweit, dass in der Stahltarifrunde die IG Metall ohne bezifferte Forderung eingestiegen ist und sich danach wunderte warum der Arbeitgeber kein Angebot vorlegte. Wer heute in den Tarifkommissionen der Metall- und Elektroindustrie sitzt, wird mit einem ähnlichen Bild konfrontiert sein. Die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen seien schlecht. Aus diesem Grund müsse es vor allem um Beschäftigungssicherung gehen. Auch wenn die Arbeitgeber jede „sozialpartnerschaftliche Grundlage“ verlassen hätten.
Doch dass diese Abmachungen gerne mal nicht eingehalten werden, hat auch dieses Jahr wieder gezeigt. Bei Ford in Köln wurden Sozialtarifverhandlungen zwischen dem US – Konzern und der IG Metall geführt . Hier einigte man sich darauf, dass bis 2027 3.000 Beschäftigte gehen sollen. Nur ein paar Wochen später traut sich der Konzern weiteren Stellenabbau durchzuführen. Weitere tausend Beschäftigte sollen gekündigt werden. Und das obwohl Ford im Sozialtarifvertrag eine Beschäftigungssicherung bis 2032 gegeben hatte.
Die IG Metall Köln und der Betriebsrat bei Ford beteuert enttäuscht zu sein. David Lüdke, Vertrauenskörper Leiter bei Ford, stellte außerdem fest, dass die Firmenspitze eine schlechte PKW Modellpolitik in Europa betreibe. Nun darf man zu Recht fragen: Ist das alles? Wenn die Konzernseite macht, was sie möchte, trotz einer Vereinbarung, hat die IG Metall das Recht aus der Vereinbarung auszusteigen. Doch dazu kommt es nicht. Was folgt, sind schlechte Pressestatements, die die Beschäftigten bei Ford weiter verunsichern sollen.
Ist jetzt die Zeit sich zurückzuhalten?
Während sich die Gewerkschaften im Jahr 2025 nicht nur zurückgehalten haben mit Lohnforderungen, packen sie zunehmend die Politik der Konzerne auf die Tagesordnung der Arbeiterorganisation. Zuletzt initiierten die Gesamtbetriebsräte der Automobilbranche einen Brief mit dem Arbeitgeberverband der Autoindustrie und der IG Metall, um das Verbrenner-Aus weiter nach hinten zu schieben, um die „Konkurrenzfähigkeit“ zu behalten. Auch Debatten wie „local content“ sind in der Gewerkschaft entbrannt. Was das bedeutet? Die Gewerkschaften fordern quasi Strafzölle auf industrielle Importe aus China oder den USA. Wie zum Beispiel auf chinesischen Stahl.
Doch während die Gewerkschaften sich den Forderungen der Konzerne fast verschrieben haben, packen die Konzerne und die Politik neue Hammer für die Beschäftigten aus. Kurz vor dem Sommer 2025 sind Diskussionen um harte Reformen um den Sozialstaat entbrannt. Große Teile der Wirtschaft fordern einen Kurswechsel. Der Ruf nach einer Agenda 2030 wird mit der neuen Bundesregierung immer lauter. Es wird bewusst mit Unwahrheiten gespielt, um eben die tatsächlichen Verhältnisse zu vertuschen. Bei der Renten inszenieren sie einen Generationenkonflikt, beim Bürgergeld tun sie so, als ob man mehrere Milliarden sparen könne. Doch das alles lenkt von den wirklichen Themen ab. Zwar ist nun das Rentenniveau erstmals stabilisiert, jedoch bleibt eine tatsächliche Reform der Rente – zu Gunsten der Werktätigen – aus. Die Arbeitgeber haben in diesen Diskussionen fleißig mitgemischt. Nicht nur, weil sie größere Teile des Bundeshaushalts für ihre Interessen nutzen, sondern auch weil sie die Lohnnebenkosten weiter senken wollen, indem sie ihren Anteil an den Sozialversicherungen reduzieren wollen. Das ist beispielsweise auch die Forderung der Initiative „Made for Germany“, zu deren Initiatoren Konzerne wie Siemens und die Deutsche Bank gehören.
Man kann schlussendlich sagen, dass die Beschäftigten auch im Jahr 2026 harte Angriffe auf ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen erwarten müssen. Es liegt aber eben auch in ihrer Hand, ob sie diese Angriffe abwehren können oder nicht. Es kommt tatsächlich darauf an, ob beispielsweise auch die Gewerkschaftsführung weiter die Belegschaften in die Reserve der Interessen der deutschen Banken und Konzerne locken kann oder nicht. Es wird darauf ankommen, ob bei den Sozialkürzungen in der Bildung, Gesundheit und beim Sozialen tatsächlich eine größere Protestbewegung entsteht oder nicht.

