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Istanbul, Antalya, Ankara – Die imperiale Showbühne

Hakkı Özdal

Der 14. Mai dürfte für den türkischen Präsidenten Erdoğan einer der erfolgreichsten Tage der letzten Monate gewesen sein. Schon früh am Morgen begann eine Serie internationaler Entwicklungen, die seiner Regierung zugutekamen.

Während seiner Nahostreise verkündete US-Präsident Donald Trump, dass die USA sämtliche Sanktionen gegen Syrien aufheben würden – und betonte, dass er diese Entscheidung nach einem Gespräch mit Erdoğan getroffen habe. Kurz darauf traf sich Ahmed al-Shara, auch bekannt aus seinen früheren Dschihadistentagen als Dscholani, mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman in Riad. Dscholani ist Anführer der islamistischen Miliz HTŞ (Hayat Tahrir al-Scham), die in Syrien aktiv ist, und wurde von dieser zum „neuen Präsidenten Syriens“ erklärt. Erdoğan war dieser hochrangigen Runde per Videokonferenz zugeschaltet.

Dass Erdoğan bei diesen Entwicklungen mitwirkte – etwa bei der Aufhebung der Sanktionen, die Syrien wirtschaftlich schwer geschädigt hatten, oder bei der politischen Aufwertung Dscholanis – wirkte wie ein regionales Machtabzeichen für ihn. Zwei der vier größten Staaten im Nahen Osten (die Türkei und Saudi-Arabien) waren direkt beteiligt, ein dritter (Israel) war indirekt über seine politischen Interessen vertreten. Der vierte, der Iran, stand als Ziel dieser politischen Neuordnung im Zentrum des Geschehens.

In einer Rede vor seiner Regierungspartei AKP am selben Tag erklärte Erdoğan stolz, die Türkei sei zum „globalen Zentrum der Friedensdiplomatie“ geworden. Diese Aussage bezog sich unter anderem auf geplante Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine, die am nächsten Tag (15. Mai) in Istanbul wieder aufgenommen wurden – die ersten seit dem Ausbruch des Kriegs im Jahr 2022. Sogar über eine Teilnahme von Wladimir Putin und Donald Trump wurde spekuliert. Darüber hinaus sollte Istanbul am 16. Mai Gastgeber für Gespräche über das iranische Atomprogramm mit europäischen Staaten sein.

Zur gleichen Zeit gab das US-Außenministerium bekannt, dem Verkauf von Raketen und militärischer Ausrüstung im Wert von 304 Millionen US-Dollar an die Türkei zugestimmt zu haben. Die zuständige US-Behörde erklärte dazu: „Dieser Verkauf an unseren NATO-Verbündeten, eine wichtige Kraft für politische und wirtschaftliche Stabilität in Europa, unterstützt unsere außen- und sicherheitspolitischen Interessen.“

Mit diesem internationalen Rückenwind trat Erdoğan vor seine Partei im Parlament. In seiner Rede forderte er eine neue gesetzliche Regelung für die Kommunalverwaltungen in der Türkei. Manche interpretierten seine Worte als mögliche Abkehr vom umstrittenen „Zwangsverwalter-System“, bei dem gewählte Bürgermeister durch Regierungsbeamte ersetzt werden. Auch regierungsnahe Medien streuten entsprechende Gerüchte. Doch der eigentliche Plan scheint eher das Gegenteil zu sein: Die Zentralregierung soll noch mehr Macht auf Kosten der Kommunen erhalten. Damit müsste sich Erdoğan bei verlorenen Kommunalwahlen künftig nicht mehr mit unliebsamen Wahlsiegern auseinandersetzen. Seine Betonung der Rolle von Gouverneuren und Bezirksbeamten (Kaymakam) spricht eine deutliche Sprache. Zwar sagte Erdoğan auch: „Zwangsverwalter werden wieder zur Ausnahme“, doch dieser Satz kann kaum darüber hinwegtäuschen, dass diese Praxis dauerhaft etabliert werden soll.

Der internationale Rückenwind kam nicht nur aus den USA. Zeitgleich fand im türkischen Antalya ein informelles Treffen der NATO-Außenminister statt. Dort sagte NATO-Generalsekretär Mark Rutte offen, das Militärbündnis müsse „tödlicher“ werden. Was das bedeutet? Mehr Rüstungsausgaben, höhere Produktion in der Rüstungsindustrie und eine gerechtere Verteilung der finanziellen Lasten unter den Mitgliedstaaten. Es war die konsequente Übernahme der Rhetorik der US-Regierung unter Trump – nun als offizielle NATO-Position.

Noch am selben Tag gab Rutte gegenüber der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu ein Interview, in dem er Erdoğan als „großartigen Führer“ bezeichnete, der „großen Respekt genieße“. Zudem hob er die Bedeutung der türkischen Rüstungsindustrie für die NATO hervor.

Und auch ein alter Bekannter der US-Politik betrat die Bühne: Der republikanische Senator Lindsey Graham, ein prominenter Vertreter der neokonservativen und israelfreundlichen Strömung, besuchte Atatürks Mausoleum in Ankara. In einem veröffentlichten Video erklärte er, dass die Türkei und Israel zwei unverzichtbare Partner für die Stabilität der Region seien.

US-Außenminister Marco Rubio, der ukrainische Präsident Selenskyj samt Gefolge, NATO-Vertreter, pro-israelische US-Senatoren – sie alle waren in Istanbul, Ankara und Antalya unterwegs, um politische Deals zu schließen und neue Gelegenheiten auszuloten. Es wirkte wie eine imperiale Roadshow westlicher Machtzentren, mit der Türkei als Gastgeberin.

Und mitten in dieser internationalen Inszenierung präsentiert sich die türkische Regierung mit einer inszenierten Friedensgeste, während sie innenpolitisch mit schwindender Unterstützung kämpft. Durch die Aufmerksamkeit aus dem Ausland versucht sie, über den eigenen Autoritätsverlust hinwegzutäuschen. Welche Gegenleistungen die Türkei für die gezeigte Anerkennung erbracht hat, lässt sich erahnen: Während internationale Projekte mit israelischen Sicherheitsinteressen der Öffentlichkeit als Friedensinitiativen verkauft werden, geht das Leid in Gaza unvermindert weiter.

Das Gesundheitsministerium in Gaza meldete an diesem Tag über 100 Tote und rund 200 Verletzte – allein an einem Tag. Seit Israel am 19. Januar den Waffenstillstand gebrochen hat, sind rund 3.000 Palästinenser getötet und 8.000 verletzt worden. Tausende Leichen unter den Trümmern sind in diesen Zahlen nicht einmal erfasst.

Und dennoch titeln türkische regierungsnahe Medien am selben Tag: „Syrien geregelt – jetzt ist Gaza an der Reihe.“ Auch wenn die offizielle Rhetorik das Gegenteil behauptet, macht diese Schlagzeile deutlich, was wirklich gemeint ist: türkische Interessen in Syrien wurden gesichert – und nun steht Gaza auf der imperialen Agenda.

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