Heval Yılmaz / Hannover
Die kürzlich erzielte Einigung im Tarifstreit bei Volkswagen wird als Erfolg für die Zukunftssicherung des Konzerns dargestellt. Doch bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass die Beschäftigten für diese „Sicherung“ einen hohen Preis zahlen – so hoch, dass die Vereinbarung eher einer Kapitulation der Gewerkschaft und Belegschaft gleicht. Die Streichung von 35.000 Stellen, die Reduktion von Löhnen und Boni sowie die fragwürdige Perspektive nach 2030 werfen ernste Fragen auf.
Arbeitsplatzabbau: 35.000 Existenzen auf der Kippe
Die zentrale Maßnahme der Einigung – der Abbau von 35.000 Arbeitsplätzen bis 2030 – ist kein Grund zum Jubeln. Zwar soll dieser Abbau „sozialverträglich“ erfolgen, doch wie viel Trost bietet diese Zusicherung den Betroffenen? Hinter den Zahlen stehen menschliche Schicksale, Familien, die ihre finanzielle Sicherheit verlieren. Dass diese drastischen Kürzungen als notwendiger Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit verkauft werden, verschleiert die Tatsache, dass die Belegschaft einmal mehr die Hauptlast der strategischen Fehlentscheidungen des Managements trägt. Die Kürzung gleichen wie die Schließung von drei Werken, wie z.B. Werke wie Hannover (ca. 14200 Beschäftigte), Osnabrück (2300 Beschäftigte) und Kassel (ca.17000 Beschäftigte).
Werke bleiben – vorerst
Die IG Metall preist den Erhalt der Werke als Erfolg an, doch dies ist bestenfalls ein kurzfristiger Sieg. Zwei Standorte – Dresden und Osnabrück – stehen faktisch vor dem Aus. Dass die Produktion an diesen Standorten eingestellt wird, lässt kaum Zweifel daran, dass sie langfristig abgewickelt werden könnten. Solche „Zukunftskonzepte“ für Werke sind oft nichts anderes als eine Verschleppung des Endes. Die Mitarbeiter in diesen Werken bleiben in einem Zustand der Unsicherheit, während sie bereits jetzt auf Lohn- und Bonierhöhungen verzichten müssen.
Zukunftssicherung mit Ablaufdatum
Eine Beschäftigungsgarantie bis 2030 mag zunächst beruhigend klingen, doch was passiert danach? Die Streichung der langfristigen Beschäftigungssicherung hinterlässt ein Vakuum, das die Belegschaft mit Unsicherheit erfüllt. Nach 2030 gibt es keinerlei Garantie mehr, dass Standorte oder Arbeitsplätze erhalten bleiben. Diese Vereinbarung schafft also keine nachhaltige Sicherheit, sondern verschiebt die Probleme lediglich in die Zukunft.
Lohnverzicht: Ein schmerzhafter „Beitrag“
Besonders kritisch ist der Verzicht der Beschäftigten auf Lohnerhöhungen. Angesichts der aktuellen Inflationsraten und der steigenden Lebenshaltungskosten bedeutet dies einen erheblichen realen Einkommensverlust. Die Kürzung von Boni verschärft die finanzielle Belastung weiter. Diese Opfer werden als notwendiger Beitrag zur Stabilität des Unternehmens dargestellt, doch die Frage bleibt: Warum müssen immer die Beschäftigten für die Zukunft des Unternehmens und die Profite Aktionären bluten? Wenn wir die Ausschüttungen des VW-Konzerns an die Aktionäre betrachten, stellen wir fest, dass zwischen 2012 und 2023 insgesamt 22 Milliarden Euro an Dividendenausgezahlt wurden.
Fazit: Ein fauler Kompromiss
Die Einigung im Tarifstreit mag kurzfristig Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen verhindert haben, doch die langfristigen Auswirkungen sind alarmierend. Die Streichung von 35.000 Arbeitsplätzen, der Verzicht auf Lohnerhöhungen und die unsichere Perspektive nach 2030 zeigen deutlich, dass diese Einigung kaum im Interesse der Beschäftigten ist.
Es ist inakzeptabel, dass die Kolleginnen und Kollegen nicht einmal zu den Ergebnissen befragt wurden. Eine solche Vorgehensweise zeigt eine deutliche Missachtung ihrer Meinungen und Interessen. Arbeitnehmer sollten sich gegen eine solche Vereinbarung entschieden wehren, da sie nichts anderes als eine Kapitulation vor den einseitigen Forderungen des Managements darstellt. Diese Vereinbarung setzt einen gefährlichen Präzedenzfall: Sie zerschlägt die Grundlage langfristiger Beschäftigungssicherheit und eröffnet stattdessen eine Zukunft voller Unsicherheiten und Instabilität. Es ist unverantwortlich, den Kampf um die Rechte der Beschäftigten mit einem faulen Kompromiss zu beenden.