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KIK, der Lohndump-Discounter!

Onur Kodas
In Wirtschaftskrisen gibt es nicht nur Verlierer. Gewinnen tun vor allem diejenigen, die zu günstigen Preisen, die sogenannten Discounterpreise, die Grundbedürfnisse, wie Nahrung und Kleidung anbieten. Die aus der Krise anwachsende Armut zwingt die große Masse der Bevölkerung den Gürtel enger zu schnallen. Infolge dessen können Aldi und andere Discounter vor allem in Krisenzeiten ihren Umsatz reichlich steigern. Dieses Prinzip haben sich auch die Konzerne der Textilindustrie zu Eigen gemacht. So wirbt der deutsche Textildiscounter KIK mit Tiefstpreisen. In der Werbung behauptet der Konzern, dass eine Kompletteinkleidung bei KIK für unter 30 Euro möglich sei. Mit Stars aus der Werbebranche und Werbeclips in unterschiedlichen Sprachen, unter anderem in Türkisch, versucht der Konzern, verschiedene Zielgruppen anzusprechen.

Miese Arbeitsbedingungen bei KIK
Die Milliardenumsätze, die KIK jährlich einfährt, beruhen auf zwei wesentlichen Komponenten. Zum einen ist es das Lohndumping, die Ausspionierung und die unbezahlten Überstunden der Angestellten in allen Filialen und zum anderen sind es die verheerenden Produktionsverhältnisse in der Hauptproduktionsstätte in der bangladesischen Hauptstadt Dhaka. In einem Dokumentarfilm im Auftrag von ARD berichteten ehemalige Mitarbeiter und leitende Angestellte des Konzerns, mit welchen skrupellosen Machenschaften die Konzernleitung ihre Milliarden einfährt. Im Interview erzählt eine ehemalige Angestellte, dass sie zwar als Packerin eingestellt wurde, aber trotzdem von der Bedienung der Kunden bis hin zum Putzen der Toiletten und Warenbestellung alles tätigen musste. Ihr Einstiegsgehalt war dabei bei 4,50 Euro. Den Rechnungen der Gewerkschaft zufolge, hat der Konzern der Angestellten für ihre Tätigkeiten 13.000 Euro zu wenig gezahlt. Zudem wurden die Wärmekörper in der Filiale abgestellt, um Kosten zu sparen. Guido Hagelstede, ehemaliger Bezirksleiter von KIK, berichtet, dass von der Unternehmensführung ausdrücklich darauf bestanden wurde, die Angestellten unangekündigt und regelmäßig zu kontrollieren. Zu der Kontrolle zählten dabei nicht nur die „Arbeitseinstellung und -weise“ der Angestellten, sondern wurden auch ihre Umkleideräume und Privattaschen regelmäßig durchsucht. „Es gibt keine Müllabfuhr in den meisten Filialen, weil die Müllabfuhr auch bezahlt werden muss. Die Mitarbeiter müssen also ihren Müll wieder mit nach Hause nehmen. Müllabfuhrkosten waren KIK zu teuer“, berichtet er weiter. Viel skrupelloser geht die Konzernleitung in der Produktion vor. Die KIK-Waren werden in Bangladesch produziert. In einer kleinen Halle beschäftigt der Konzern 300 Näherinnen und Näher, die einen Monatslohn in Höhe von 25 bis 35 Euro erhalten. Dabei werden sie sechs Tage die Woche und 9 Stunden am Tag regelrecht geknechtet. Eine Näherin vergleicht die Produktionsverhältnisse in der Nähfabrik mit einem Gefängnis. „Es ist schlimmer, als im Gefängnis. Im Gefängnis darf man wenigstens mit dem Nachbar sprechen“, sagt sie. „Bei Krankheit kürzt man uns den Lohn und wir werden zu unbezahlten Überstunden gezwungen. Wer sich dagegen stellt, fliegt“, berichtet eine andere Arbeiterin.

KIK ist kein Einzelfall
80 Prozent der Exporte von Bangladesch sind Textilien. Die Textilien werden von den großen westlichen Konzernen günstig produziert, um sie anschließend in Europa und Amerika mit satten Gewinnen zu verkaufen. Fast die Hälfte der 13 Millionen Bewohner in Dhaka wohnt in Slums. Die Lebenserwartung beträgt im Schnitt 50 Jahre. Für die Konzerne bedeutet dies eine unerschöpfliche Ausbeutung günstiger Arbeitskräfte. Die Wirtschaftspolitik, die KIK vorwiegend praktiziert, ist kein Einzelfall. Auch Textilkonzerne, wie H&M und Levi Strauss lassen in Dhaka produzieren. Knapp 2,5 Millionen Menschen arbeiten in der Hauptstadt in einer Textilfabrik. Dhaka ist für die Konzerne zum Produzieren deshalb so attraktiv, weil der Industrielohn in Bangladesh der niedrigste auf der Welt ist. 1700 Taka (etwa 19 Euro) pro Monat waren es vor kurzem noch, nun sollen es 3000 Taka (etwa 34 Euro) sein. Die Textilarbeitergewerkschaft hatte diese Anhebung allerdings zurückgewiesen, da dieser immer noch zu niedrig sei, um anständig von der eigenen Arbeitskraft leben zu können. „Die Regierung hat nur getan, was die Textilfabrik-Besitzer wollen“, sagte die Chefin der Textilarbeitergewerkschaft, Mosherafa Mishu. Vor kurzem demonstrierten noch Tausende von Textilmitarbeitern mehrere Monate lang gegen die Lohndumping-Politik der westlichen Textilkonzerne.

Arbeitskraft ist das Entscheidende
Die Arbeitskraft ist der wesentliche Faktor, wenn es um die Frage des Profits geht. Denn im Kapitalismus wird zwischen starrem und variablem Kapital unterschieden. Das starre Kapital bilden alle Gegenstände, wie Maschinen, Fabrikhallen, die einen bestimmten festen Wert haben. Diese werden vom Kapitalisten benötigt und gekauft, damit die Produktion überhaupt durchgeführt werden kann. Das variable Kapital hingegen ist die menschliche Arbeitskraft. Auch dieses Kapital benötigt der Kapitalist für sein Wirtschaften. Dessen Preis bestimmen die Kapitalisten allerdings selber und können sie „variieren“. Der unterschied zwischen beiden Kapitalen ist aber, dass das variable Kapital, also die Arbeitskraft, Mehrwert schafft und somit vom Kapitalisten ausgebeutet wird. Denn ein Arbeiter produziert mehr Waren, als er deren Wert für seine Arbeitskraft vom Kapitalisten bekommt. Beispielsweise produziert ein Textilarbeiter täglich waren in Höhe von mehreren Hundert Euro. Im Gegenzug erhält er monatlich als Ausgleich einen Lohn in Höhe von 25 Euro. Er schafft also einen Mehrwert. Dieser Mehrwerte fließt komplett in die Tasche des Kapitalisten. Dies bedeutet wiederum die Ausbeutung der Arbeitskraft. Das starre Kapital kann hingegen nicht ausgebeutet werden, weil die Maschine kein Mehrwert schaffen. Für die Maschine zahlt er einen gewissen Preis und kann sie dementsprechend nutzen. Dadurch, dass die Arbeitskraft als Näherin in Dhaka weltweit am günstigsten ist, ist es also auch kein Zufall, dass die Textilkonzerne, wie KIK und Co. dort produzieren lassen. Es sind also nicht primär die Standtortfaktoren, wie geographische Lage, Zufahrtswege usw. entscheidend, sondern der Preis der Arbeitskraft, wo die Waren produziert werden sollen. Ein weiteres Beispiel ist der Konzern Nokia, der wegen der billigen Arbeitskraft von Bochum nach Rumänien ausgewandert ist.

DER KONZERN

Der Konzern wurde im April 1994 von Josef-Stefan Heinig in Bönen gegründet. Derzeit ist das Unternehmen mit über 3000 Filialen in Deutschland, Österreich und verschiedenen osteuropäischen Staaten, wie Slowakei und Ungarn vertreten. KIK beschäftigt weltweit über 20.000 Mitarbeiter. KIK wächst, wie kein anderer Konzern. Jährlich werden ca. 300 weitere Filialen überall in ganz Europa eröffnet. KIK ist der größte deutsche Textilhersteller und-discounter. Produziert werden die Textilien allerdings im fernen Ostasien, in Bangladesch in der Hauptstadt Dhaka. In Bönen bei Dortmund, wo der Hauptsitz des Konzerns liegt, werden die Waren überall in den deutschsprachigen Raum und Osteuropa versendet. Ihr Jahresumsatz beläuft sich insgesamt auf eine Summe in Höhe von 1,2 Milliarden Euro. KIK versuchte zuletzt mit rechtlichen Mitteln die Veröffentlichung des ARD-Dokufilms, „KIK- Die Story“, zu verhindern. Der Konzern entschuldigte sich im nach hinein, für seine Vorgehensweisen. Geändert hat sich bisher allerdings nichts.

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