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Kinder kriegen schwer gemacht

Bahar Güngör

Es scheint, als ob sich etliche Menschen den Kopf darüber zerbrechen, warum die Geburtenrate in Deutschland so niedrig ist. Nicht zuletzt wegen der demografischen Entwicklung im Land macht sich die Familienpolitik Gedanken. Im Europäischen Vergleich steht Deutschland weit hinten an. Ganze 1,39 Kinder pro Frau betrug die Ziffer im Jahr 2010. Lettland lag ganz hinten mit 1,17 Kindern pro Frau. Die meisten Kinder kommen, nach den Zahlen der Geburtenentwicklung, in Island auf die Welt. Mit 2,2 Kindern pro Frau führen sie die Liste an.

Nun kann man sich in der Tat die Frage stellen, weshalb die Menschen in Deutschland eher seltener die Entscheidung treffen, ein Kind auf die Welt zu setzen. Um eine Antwort auf diese Frage zu erhalten, hat das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden in einer aktuellen Studie, die Zahlen der Geburtenentwicklung im Zusammenhang mit der Gefühlslage der Deutschen untersucht. Dabei kam unter anderem heraus, dass die Deutschen, weniger als in anderen Ländern, Kinder mit steigendem Lebensglück verbinden. Auch sei ein Kinderwunsch nicht mit der Erwerbstätigkeit einer Frau vereinbar. Es herrsche noch immer das Bild der arbeitenden Rabenmutter vor. Wer eine gute Mutter sein will, darf nicht arbeiten und daher entscheiden sich immer weniger Frauen für eine Geburt. Da passt doch die Idee des Betreuungsgeldes wie angegossen. Die Frau bleibt schön zu Hause und kümmert sich um die Kinder, der Mann geht arbeiten; Back to the roots!

Sidar Demirdögen, Vorsitzende des Bundesverbandes der Migrantinnen, sagt dazu: „Das Betreuungsgeld nimmt den Frauen die „Wahlfreiheit“ weg, sich sowohl für Kind und Arbeit zu entscheiden. Hinter dem Betreuungsgeld verbirgt sich eine frauenfeindliche und unsoziale Politik, die Frauen zurück in die eigenen vier Wände drängt.“

Eine weitere Erkenntnis der Studie: der Kinderwunsch bei Akademikerinnen ist nicht so ausgeprägt, fast jede dritte Akademikerin ist kinderlos. Gerd Bosbach, Professor für Statistik, Mathematik und Empirische Wirtschafts- und ­Sozialforschung an der Hochschule Koblenz sagte in seinem Gespräch mit der Jungen Welt dazu: „Aus Gesprächen mit meinen Studierenden weiß ich, dass bei fast allen Paaren der Kinderwunsch vorhanden ist. Allerdings wollen sie den nur realisieren, wenn mindestens ein Elternteil eine feste, langfristig gesicherte Stelle hat. Das heißt: Mehr Kinder wird es nur geben, wenn man jungen Leuten auch anständige Arbeitsplätze bietet – keine prekären Jobs mit Befristung und mieser Bezahlung.“

Bei den Ergebnissen der Studie fehlen jedoch ganz viele  Aspekte, die bei der Entscheidung, ein Kind auf die Welt zu setzen, eine große Rolle spielen. Der berufliche Wiedereinstieg einer Frau nach der Familiengründung, ist mit etlichen Barrieren verbunden. Nach der Baby-Pause ist es nicht einfach, wieder in den Beruf einzusteigen. Die Frau, die wieder zurück in ihren Beruf kehren möchte, braucht die Unterstützung ihres Partners, es müssen Betreuungsplätze für die Kinder vorhanden sein und für den Arbeitgeber ist sie keine optimale Kraft mehr, da sie nicht uneingeschränkt und flexibel sein kann. Eine Schwangerschaft bringt also einen eventuellen Verlust des Berufs oder eine schlechtere Stellung im Beruf mit sich.

Laut dem Statistischen Bundesamt fehlen noch immer 220.000 Kita-Plätze für Kinder unter drei Jahren. Ab dem 1. August 2013 haben Kinder zwischen eins und drei einen Rechtsanspruch auf diese Plätze, aber wo sind diese? Es endet auch nicht mit der Kita. Hat man erst mal ein Kind, dann muss man sich auch Gedanken über den ganzen schulischen Werdegang machen: Konkurrenzdenken ab dem Kindergarten, überfüllte Klassen, teurer Nachhilfe Unterricht, G8 Abi, NC, Studiengebühren.

Wer sich Kinder wünscht, wünscht sich für diese dann auch nur das Allerbeste. Ist es denn nicht nur selbstverständlich, dass bei so viel Ungewissheit, die Menschen sich keine Kinder „leisten“?

 

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