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Klasse gemacht – Kämpfen lohnt sich!

RHEINBLICK

Özlem Alev Demirel

Endlich fiel der Schuss. Die allgemeinen Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen gehören ab dem nächsten Winter der Vergangenheit an. Sie hätten aber eigentlich nie eingeführt werden dürfen. Bereits im vergangenen Jahr reichte die Linksfraktion einen Gesetzentwurf zur sofortigen Abschaffung der Studiengebühren bei voller Kompensation der Mindereinnahmen für die Hochschulen in den Landtag ein. SPD und Grüne ignorierten diesen Entwurf und lehnten ihn ab. Obwohl sie selbst damit die Abschaffung der Studiengebühren blockierten, versuchten sie im Anschluss, die Linke als den Verhinderer der Abschaffung der Studiengebühren darzustellen. Ein Machtspielchen auf Kosten der Studierenden der seines Gleichen sucht. Hierzu war die Linke jedoch nicht bereit. Aber erwähnt sei hier, dass NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft höchstpersönlich kurz nach ihrer Wahl erklärte, sie wolle die Studiengebühren erst reduzieren und dann schrittweise bis zum Ende der Legislaturperiode in 5 Jahren abschaffen. Wer hier also der Blockierer war, ist eindeutig. Getreu dem Motto „was interessiert uns unser Geschwätz von gestern“ erklärte SPD Hochschulministerin Schulze in der Landtagsdebatte selbst, die Forderung gebührenfreie Bildung sei eine ureigene sozialdemokratische Programmatik seit 18xx. Nur komisch, dass dann gerade die Sozialdemokraten mit den Grünen zusammen selbst die Studiengebühren in Nordrhein Westfalen 2002 beschlossen hatten – nämlich Langzeitstudiengebühren – eine softere Einstiegsvariante. Damit wurden CDU und FDP Tür und Tor für allgemeine Studiengebühren eröffnet. Aber klar, was lang her und schmerzhaft ist, blendet man gerne aus. Doch wie steht es eigentlich mit der Forderung nach gebührenfreier Bildung. Wie sozialdemokratisch ist die Forderung?
In der Debatte selbst hatten Kraft und der ehemalige Wissenschaftsminister Pinkwart (FDP) einen Schlagabtausch über die Sozialverträglichkeit von Studiengebühren inszeniert. Was schon deshalb pikant ist, weil die eine (Kraft) als Hochschulministerin erstmalig Langzeitgebühren in NRW eingeführt und der andere (Pinkwart) die allgemeine Studiengebühren zu verantworten hat.
In der Debatte waren sich beide in einem Punkt relativ einig – die Abschaffung der Studiengebühren entlaste die Mittelschicht. Während Pinkwart dies nutzte, um sich als Verteidiger der sozial Schwächeren darzustellen und so gegen die Studiengebührenabschaffung argumentierte, stellte Kraft sich hinter die Studiengebührenabschaffung und vertrat die These, dass im internationalen Standortwettbewerb die potentiale keines Kindes vernachlässigt werden darf und deshalb kein Kind aus der Mittelschicht durch Studiengebühren vom Studium abgehalten werden darf.  Noch am gleichen Tag stellte sich die Wissenschaftsministerin Svenja Schulze in Boxhandschuhen vor den Landtag und inszenierte sich als schlagkräftige „Studiengebührenabschafferin“ indem sie Pappkartons, auf denen das Wort „Studiengebühren“ stand, weg boxte.
Tatsächlich muss man die Abschaffung der Studiengebühren allerdings nicht den Ministern anrechnen, sondern den Studierenden, die in zahlreichen Bindungsprotesten und Streikbewegungen das Thema Studiengebühren zu einem der meistdiskutierten Bildungsthemen in Deutschland machten. Immer wieder gingen sie auf die Straßen, um für ihre Interessen zu kämpfen und mussten sich nicht selten von der bürgerlichen Presse und auch vielen Politikern vorhalten lassen, dass sie angeblich unsolidarisch mit den Arbeiterinnen und Arbeitern seien, die nicht studieren konnten und nun mit ihren Steuergeldern, die guten Studienbedingungen der Studierenden mitbezahlen würden. Von diesen Scheinargumenten ließen sich die Studierenden allerdings in ihrem Kampf nicht beirren.
Wenn Bildung teuer ist und zu einer Ware wird, darf man sich auch nicht darüber wundern, dass eher Kinder aus Familien mit einer gewissen Einkommensspanne studieren und andere wiederum nicht. Bereits in der frühen Einteilung in unterschiedliche Schulformen in Nordrhein Westfalen und in der Bundesrepublik werden Kinder aussortiert und ihre Zukunft vorherbestimmt. Hierbei werden besonders Kinder aus den sogenannten „bildungsfernen Schichten“ – sprich Arbeiterkinder- benachteiligt. Durch Gebühren wurde und wird diese Situation weiter zugespitzt. Deshalb ist natürlich die Frage nach einem (gebühren-)freien Zugang zur Bildung natürlich auch eine Klassenfrage. Sozialdemokratisch bleibt in dieser Diskussion lediglich, dass man die Gegensätze zwischen arm und reich, zwischen unten und oben mit mehr Bildung überwinden könnte. Dies ist und bleibt eine Illusion. Dennoch ist und bleibt der Kampf um Bildungsgerechtigkeit auch ein Klassenkampf!

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