Written by 14:15 HABERLER

Kohle machen mit Kindern

Silan Kücük

Zwei Leiter des Jugendamtes in Gelsenkirchen haben mit der Unterbringung von deutschen Heimkindern in Ungarn ordentlich Kasse gemacht. Wissmann und Frings, der Leiter des Jugendamtes und sein Stellvertreter, hatten 2004 die Firma “Neustart“ in Ungarn gegründet. Seither sorgten sie dafür, dass das gelsenkirchener Kinderheim St. Josef überbelegt war. Dadurch hatten sie die Möglichkeit, die Kinder vom St. Josef weiter in ein „Jugendheim“ nach Ungarn zu schicken. Dies ist nach der heutigen Gesetzgebung möglich.
Laut dem Bericht der ARD-Sendung “Monitor“, der das Ganze aufgedeckt hat, soll es zuvor eine Vereinbarung zwischen dem Kinderheim St. Josef und den beiden Männern gegeben haben. Dadurch, dass die Überbelegung im Heim gezielt durchgeführt wurde, soll das Heim seine Einnahmen erhöht haben. Denn der deutsche Staat habe auf Grund der Weitervermittlung von Kindern und Jugendlichen in die ungarische Einrichtung pro Kind 5500 Euro im Monat gezahlt.
In den Heimen in Ungarn habe es keine pädagogischen Konzepte gegeben. Sie haben lediglich als Abstellkammer für Kinder gedient. Die Pädagogen und die Mitarbeiter haben “einfach irgendwas mit den Kindern gemacht.“, bestätigte ein ehemaliger Mitarbeiter des Heims in Ungarn. Auch Jugendliche, die in den Jugendheimen in Ungarn untergebracht wurden, bestätigten diese Aussagen. Man habe sich nicht um die Jugendlichen gekümmert. “Wir konnten kiffen, das haben wir auch gemacht. Wenn wir nicht zur Schule wollten, konnten wir einfach weiter schlafen.“
Somit haben die beiden Männer ihre Funktion an der Spitze des Jugendamtes ausgenutzt, um mit Kindern, die in staatlicher Aufsicht und Fürsorge waren, Geld verdient. Mittlerweile wurden beide Männer vom Dienst freigestellt. Die Beschuldigten streiten die Vorwürfe ab und haben ihre Anteile an der Firma Neustart mittlerweile abgegeben: Wissmann an seine Frau und Frings an seinen Bruder.

Ähnlicher Fall in Dorsten
Während die Diskussionen weiterlaufen, wurde ein ähnlicher Fall in Dorsten bekannt. Das Jugendamt in Dorsten arbeitet mit der “Life GmbH“ aus Bochum zusammen. Dieses Unternehmen kümmert sich darum, dass Heimkinder im Ausland untergebracht werden, wenn in Deutschland kein passendes Heim gefunden wird. Ein elfjähriges Kind wurde nun in die Obhut eines 64-jährigen Handwerkers gegeben. Das Unternehmen hat den 64-Jährigen für entsprechend „passend“ eingestuft, obwohl dieser keinerlei Qualifikation als Pädagoge nachweisen kann.
Der Junge braucht nicht zur Schule zu gehen, weil er vier Stunden Online-Unterricht in der Woche in einer so genannten Web-Schule bekommt. Diese Art von Betreuung des Kindes in Ungarn kostet etwa 8000 Euro im Monat. Und zwar bekommt den Großteil des Geldes (ca. 7000 Euro) die Firma Life und etwa 800 Euro gingen an die Web-Schule, die der Tochter des Life-Eigentümers gehört.
Für Dietmar Gayk, Leiter des Jugendamtes Dorsten, sei es nicht notwendig, die Unterbringung der Kinder in Ungarn zu kontrollieren. Gegenüber Monitor sagte der Leiter des Amtes: „Wir haben vertragliche Vereinbarungen. So wie der Träger uns vertraut, dass wir monatlich die Zahlungen leisten, die ja nicht unerheblich sind, vertrauen wir auch dem Träger.“ Fazit: Was kann Deutschland dafür, wenn verantwortliche Leiter verbrecherisch handeln?

Mehr Geld für Sozial- und Jugendarbeit!
Gäbe es ausreichend Heime für die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen, dann gäbe es nicht die Möglichkeit der “Weitervermittlung ins Ausland“. Warum setzt man das viele Geld nicht eher ein, um Beratungsstellen zu schaffen oder die Jugendämter personell besser auszustatten? Schließlich müssen dort qualifizierte Beratung und Betreuung stattfinden, während die Kinder Zuhause leben. Des Weiteren sollte es der letzte Schritt sein, die Kinder ins Heim zu stecken. Die Jugendämter haben nicht genug Personal und wenn es einige gibt, dann sind diese wesentlich überlastet. Ihnen fehlt die Intensität sich um Fälle zu kümmern, wo das Kindeswohl extrem gefährdet ist. Das führt wiederum dazu, dass Pädagogen unter extremen Druck geraten.
Das ist unser (A)Sozialstaat. Wir sind an so einen Punkt angekommen, an dem auch an der Zukunft der Kinder verdient wird.

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