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Krankenhausrettung: Bedarfsgerechte Planung statt systematischem Abbau

Die Krankenversorgung in Deutschland steht am Rande der Vernichtung. Vor allem, wenn man die demografische Entwicklung berücksichtigt, steht die Krankenversorgung in absehbarer Zeit vor einem Kollaps. Fachkräftemangel, Reallohnverlust und unattraktive Arbeitsbedingungen sorgen für massive Probleme. Doch statt dem entgegenzuwirken, plant die Politik den Weg in ein „weiter so“ und gibt die falschen Anreize.

Oktay Demirel

Seit 2020 wurden in Deutschland 93 Krankenhäuser geschlossen, unzählige Abteilungen – darunter 13 Geburtshilfestationen – aufgegeben und 23 weitere Kliniken befinden sich derzeit in Insolvenzverfahren. Der Abbau der stationären Versorgung schreitet ungebremst voran, während die Bundesregierung die Notrufe aus dem Gesundheitssektor ignoriert. Im Gegenteil prognostizierte der „Noch“-Gesundheitsminister Lauterbach die Schließung von weiteren mehreren hundert Kliniken. Der BILD erklärte er im Oktober: „Es ist ganz klar, dass wir in zehn Jahren spätestens ein paar Hundert Krankenhäuser weniger haben werden“ und weiter „Das ist auch richtig so“. Doch wenn ein Gesundheitsminister so spricht, läuft etwas gewaltig falsch. Mit der Zustimmung zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) haben Bundestag und Bundesrat ein Gesetz verabschiedet, das den Klinikabbau faktisch zementiert, anstatt die Patientenversorgung zu sichern. Das Gesetz als „Verbesserung“ zu benennen, macht es nicht zu einer wahren Verbesserung oder „Revolution“.

Eine Reform ohne Perspektive

Das KHVVG sieht umfassende Änderungen vor, die über die Zukunft zahlreicher Fachabteilungen und ganzer Kliniken entscheiden. Doch der Prozess, der zu diesem Gesetz führte, ist höchst fragwürdig: Eine versprochene Auswirkungsanalyse wurde zu spät vorgelegt, sodass viele Bundesländer (Krankenhausplanung in Deutschland ist Ländersache) keine belastbaren Einschätzungen erstellen konnten. Kritiker bemängeln, dass die Mindestvorhaltezahlen, die im Gesetz vorgesehen sind, nicht auf wissenschaftlicher Basis beruhen und Krankenhäusern damit drohen, die Finanzierung zu entziehen, selbst wenn sie von den Ländern als notwendig eingestuft wurden. Denn mit den eingeführten Mindestvorhaltezahlen soll ein Krankenhaus ein Vorhaltebudget für eine Leistungsgruppe nur dann erhalten, wenn in der jeweiligen Leistungsgruppe eine Mindestzahl von Behandlungsfällen (die Mindestvorhaltezahl) erbracht wurde.

Fehlanreize durch Fallpauschalen und Vorhaltefinanzierung

Das derzeitige DRG-System (Fallpauschalen) ist ungeeignet, eine bedarfsorientierte Krankenhausfinanzierung sicherzustellen. Statt die notwendige Selbstkostendeckung (die dem Krankenhaus in einem Behandlungszeitraum entstandenen Kosten werden vom Finanzierungsträger erstattet) einzuführen, bleibt die sogenannte Vorhaltefinanzierung weiterhin an das Fallpauschalensystem gekoppelt. Dies führt zu einem Teufelskreis aus finanziellen Fehlanreizen und verstärktem Druck auf Kliniken, wirtschaftlich zu agieren – auf Kosten der medizinischen Versorgung. Die Politik besteht drauf, den Krankenhäusern eine Gewinnorientierung zuzuweisen, statt bedarfsnotwendige Kosten zu finanzieren, um eine gemeinwohlorientierte Krankenversorgung zu gewährleisten. Durch pauschale Mindestzahlen von Behandlungen werden notwendige, aber nicht lukrative Therapien nicht angewandt, so dass eine bedarfsgerechte Krankenhausplanung und Krankenversorgung unmöglich werden. Patienten müssen viel weitere Wege zur Versorgung in einem anderen Ort in Kauf nehmen, statt regional-demokratisch geplante Krankenversorgung wahrnehmen zu können.

Die Gesundheitsversorgung ist eine staatliche Aufgabe, aber wird weiter den Mechanismen des Marktes geopfert. Eine echte „Reform“ muss aber das Gesundheitssystem aus der Profitorientierung herausholen, die Finanzierung auf solidarische Füße stellen und die Versorgung flächendeckend sichern.

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