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Matilda „die starke Kämpferin“

Mit ihrer Querflöte unter dem Arm betritt ein junges Mädchen die Gemüsemarkt-Halle im Berliner Stadtteil Kreuzberg. Höflich fragt sie einen Verkäufer: „Darf ich hier heute mit meiner Flöte Musik machen um Geld zu sammeln?“ Auf die Frage, was die denn mit dem Geld anstellen wolle, antwortet sie, als sei es eine Selbstverständlichkeit: „Ich möchte es den Flüchtlingen spenden, die ihre Heimat verlassen mussten.“

Ihr Name ist Matilda. Sie lebt in Berlin und besucht die 7. Klasse. Ihrem Namen „Matilda“, althochdeutsch „die mächtige Kämpferin“, versucht sie durch ihr soziales Engagement bestmöglich gerecht zu werden. Mit ihren gerade einmal 12 Jahren hat sie sich viel vorgenommen: Ungerechtigkeit zu bekämpfen, egal wo und wie. Gemeinsam mit ihrer Mutter versucht sie dort zu sein, wo Protest zur Pflicht wird.

Zuletzt beteiligte sich Mathilda an einer Solidaritäts-Demonstration für Flüchtlinge, die ihre Heimatländer verlassen mussten und nun für ihre Rechte in Deutschland kämpfen. Doch das Teilnehmen an Aktionen allein reichte ihr nicht aus. „Was kann ich außerdem für Geflüchtete tun?“ fragte sie sich. Und ohne lange zu überlegen griff sie zu ihrer Querflöte, holte sich bei ihrer Mutter die Erlaubnis und machte sich auf den Weg in die Berliner Straßen. Als eine der jüngsten Berliner Straßenmusikerinnen lief sie von Markthalle zu Markthalle und spielte stundenlang in der Kälte der Hauptstadt auf ihrer Querflöte.

Am Abend des selbigen Tages erscheint sie in Begleitung ihrer Mutter am Eingang der Werkstatt der Kulturen, um ein Solidaritäts-Konzert für Kobanê zu besuchen. In der Pause steht sie am Infostand der DIDF und fragt schüchtern, wie sie denn Etwas spenden könne. Als ihr die Spendenbox gereicht wird, zieht sie 50 Euro aus ihrem Portemonnaie heraus, wirft sie in die Box und verlässt den Saal wieder zügig.

Erstaunt über die unerwartete Geste dieses starken Mädchens mache ich mich auf den Weg zu Matilda und ihrer Mutter. Als ich sie im Foyer antreffe, ziehen sie sich gerade ihre Jacken an, um nach Hause zu gehen. „Wenn Sie erlauben, würde ich gerne einen Zeitungsartikel über ihre Tochter schreiben, “ frage ich die Mutter. Sie nickt einwilligend, doch Mathilda scheint erstaunt über diese Idee. Sie schaut, als würde sie mich fragen, was denn an ihrer Geste einen Artikel wert sei. Danach erklärt mir ihre Mutter, dass die Schlafenszeit ihrer Tochter bereits weit überschritten sei und die beiden machen sich auf den Weg nach Hause.

Währenddessen wird das Konzert im Saal fortgeführt. Etwa 400 überwiegend junge Menschen sind heute hier, um ihre Solidarität mit den Menschen in Rojava kundzutun. Zwischen den Redebeiträgen werden Slogans auf deutsch, türkisch und kurdisch gerufen: „Hoch die internationale Solidarität!“ Ich wünsche mir, dass Mathilda eine Weile länger geblieben wäre, um diese Atmosphäre der Solidarität mitzuerleben und ihre Geschichte persönlich mit dem Publikum zu teilen.

Mehmet Çallı

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