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Mehrwertsteuersenkung – und dann alles günstig?

Maike Reichartz

Nachdem zu Beginn dieses Jahres regelmäßige Proteste der Bauern gegen die Streichung der Agrarsubventionen die Straßen füllten, errichtete die Europäische Union kurzerhand eine Expertenkommission, um die Probleme der Bauern zu untersuchen und die europäische Agrarpolitik zu reformieren. Hierfür wurden Umweltaktivisten, Tierschutzverbände, die Bauernverbände, Wissenschaftler und die Verbraucherschützer an einen Tisch geholt. Es wurde ein gemeinsamer Bericht verfasst und nun auch veröffentlicht, welcher zielgerichtete Eckpunkte zur Umsetzung der Agrar-Reform vorlegen soll.

Die Kommission hat drei Kernforderungen vorgelegt, um die Kleinbauern und mittleren Agrarbetriebe zu entlasten. So sollen die bisherigen Subventionsmittel, welche sonst nach bewirtschafteter Fläche vergeben wurden, zukünftig einkommensgerichtet verteilt werden. Also: wer weniger Einkommen hat, kriegt mehr Subventionen. Außerdem soll ein sogenannter „Fonds für gerechte Transformation“ dafür sorgen, dass die Transformation zu einer ökologisch nachhaltigen Produktion in den Betrieben schneller voranschreitet. Wer sich dort bewerben kann und wie die Gelder verteilt werden, ist noch unklar. Neben Forderungen nach der Umverteilung der Subventionsmittel und der Errichtung des Fonds, empfiehlt die Kommission auch die Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel. Die Kommission erhofft sich dadurch, Lebensmittelpreise durch Steuerentlastung senken zu können und regional oder nachhaltig produzierte Produkte für die breite Masse der Bevölkerung zugänglich machen zu können.

Fraglich ist jedoch, ob der gewünschte Effekt mit der Steuersenkung allein erreicht werden kann. Schließlich wurde bereits zu Beginn der Coronapandemie 2020 einmal eine befristete Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel vorgenommen, um die Kaufkraft zu stärken. Jedoch blieb der gewünschte Effekt dabei aus. Statt die vorherrschenden Preise entweder beizubehalten oder sogar durch die Mehrwertsteuersenkung vergünstigen zu können, wurden die Preise durch die Lebensmittelkonzerne und Discounter angehoben. So ging das Geld, was bisher durch die Mehrwertsteuer an den Staat ging, nun auch in die Taschen der Konzerne. Und auch, wenn die Preise aufgrund der niedrigen Inflationsrate langsamer steigen, bedeutet das nicht automatisch, dass die Preise bei einer Mehrwertsteuersenkung deutlich sinken. Schließlich handelt es sich bei den meisten Produkten am Ende doch eher um Centbeträge statt um mehrere Euro, wenn die Mehrwertsteuer ganz wegfallen würde. Also bleiben am Ende noch einige Fragen offen: Wie soll die an sich durchaus richtige Forderung, Preise zu senken, durch die Mehrwertsteuersenkung umgesetzt werden und werden wir das an der Supermarktkasse überhaupt bemerken? Wie kann man verhindern, dass Lebensmittelkonzerne die Preise anheben, um die Lücke der Mehrwertsteuersenkung für sich zu nutzen?

All das bleibt bisher unbeantwortet aber genau hier müsste die Politik ansetzen!

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