Written by 12:11 HABERLER

Menschen wollen Respekt! Immer, auch im schwäbischen Hinterland und auch bei Binder.

Manuel Schäfer*

Menschen wollen Respekt und Anerkennung, für Ihre Leistung und für sich als Person in ihrem Umfeld, bei der Arbeit und in der Familie.
In der Firma Binder war dem nicht so und ist dem nicht so. Deshalb trafen sich ende letzten Jahres erst einige, dann immer mehr Kolleginnen und Kollegen in der Freizeit und überlegten was zu tun ist. In einem 2. Schritt suchten sie nach Unterstützung und fanden sie, bei einem langjährigen aktiven Gewerkschafter und Betriebsrat in einem Geislinger Großunternehmen der gemeinsam mit ihnen eine Idee entwickelte was sie tun könnten. Im nächsten Schritt wurde der Kontakt mit der lokalen IG Metall hergestellt. Es galt erst einmal herauszufinden wo die Probleme liegen, welcher Weg Besserung verspricht und einen ersten Eindruck zu gewinnen.
Und was für ein Eindruck das war! An die 100 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen trafen sich. Dabei und in vielen nachfolgenden Einzelgesprächen und schilderten sie, wie sie als Menschen 2. Klasse behandelt wurden und noch werden. Wie sie systematisch von Vorgesetzten unter Druck gesetzt wurden. Schneller zu arbeiten, weil die Kunden mehr Teile wollen. Besser zu arbeiten, weil die Qualität schwankend war und mehr zu arbeiten, weil 5 Tage die Woche nicht ausreichten, um den Bedarf der Automobilindustrie nach glänzendem Alu aus dem Hause Binder zu decken. Und alles gleichzeitig!

Und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wollen mitmachen.
Mehrarbeit? Kein Problem. Bei so geringen Löhnen wie bei Binder bezahlt werden, ist man über jede bezahlte Überstunde froh, wenn man Zeit hat.
Mehr Teile? Ja, auch. Wenn man als Beschäftigter auch was davon hat und es der Arbeitsablauf das auch hergibt. Und bessere Qualität? Gerne, wenn die Rahmenbedingungen passen. D.h. wenn die Maschinen, Werkzeuge, Arbeitsmittel bereitstehen, in gutem Zustand sind, so dass man gut arbeiten kann und man weiß oder gezeigt bekommt, was zu tun ist.
Aber wenn man für die Leistung, die man erbringt, keinen Respekt bekommt, sondern noch das Gefühl hat, wie ein Hund behandelt zu werden, ist es irgendwann genug.
Überstunden unter der Woche werden untersagt, aber Samstag und Sonntag sollen die Menschen kommen.
Es gibt Abmahnungen, weil die Menschen nicht bis zur letzten Minute arbeiten. Um dies zu kontrollieren, kommen Vorgesetzte kurz vor Schichtende in den Betrieb und schreiben alle auf, bei denen die Maschine nicht mehr läuft und angeblich schon geputzt wird. Aber nach den Gründen wird nicht gefragt!
Uns berichten die KollegInnen z.B. dass die zur Arbeit angewiesenen Rohteile alle fertig waren und kein Vorgesetzter ansprechbar war, um anzuweisen, was sonst noch zu tun ist. Dass an diesem Tag die Maschine stehen blieb und er dann eine andere Aufgabe bekam, was der Kontrolleur aber nicht wusste. Und dass die Zeit um den Verwaltungskram zu erledigen, die Teile wegzubringen und die Maschine zu putzen eh immer viel zu knapp ist und wenn alle gleichzeitig kommen, immer lange Schlangen entstehen.
Bei der Qualität läuft auch vieles schief. Arbeitsprozesse werden geändert, aber die Beschäftigten werden nicht angelernt, müssen aber unterschreiben, dass sie geschult wurden. Presswerkzeuge sind so abgenutzt, dass es mehr Glück ist, ob die Teile nachher noch zu verwenden sind oder nicht.
Und bei der Schuldfrage ist die Antwort immer einfach. Weil einen Schuldigen braucht man ja und an dem ganzen System, wie gearbeitet wird, kann es ja nicht liegen.
Zusammen mit teils sehr ungerechten Vorgesetzten, Kündigungen und dem Zwang zu arbeiten, um sein Leben zu meistern, erzeugt das einen riesigen Druck auf jeden Einzelnen.
All dies zeigt wie wenig die Menschen im Hause Binder respektiert wurden!

Aber was hat sich seit Dezember geändert?
Der Druck ist vielleicht noch größer geworden. Aber wie die Nacht vor dem Morgen am dunkelsten ist, besteht Hoffnung, dass bald die Sonne aufgeht und dass es besser wird.
Die Beschäftigten haben sich entschieden, dass sie einen Betriebsrat wollen. Dass die deutschen Gesetzte und Vorschriften zum Schutz von Arbeitnehmern auch im schwäbischen Hinterland und auch bei Binder gelten. Sie akzeptieren nicht mehr, dass nur ihre Pflichten mit Vorschriften, Abmahnungen, bis hin zu Kündigungen durchgesetzt werden und gleichzeitig sie quasi rechtlos und ohne Respekt vor ihrer Leistung alles mit machen sollen.

Gemeinsam mit der IG Metall gehen sie jetzt Schritt für Schritt dagegen an.
Mitte Januar gelang es der IG Metall einen Vertrag zu schließen, dass der zukünftige Betriebsrat für alle Beschäftigten in den Baden-Württemberger Werken zuständig ist und von allen gewählt wird.
Am 30. Januar trafen sich knapp 500 Mitarbeiter aus allen Werken und wählten einen Wahlvorstand. Der Wahlvorstand startete, nach fleißiger Vorbereitung, am 3. März die Kandidatensuche und setzte den Wahltermin auf den 15. April fest.
Das bedeutet, ab Ende April 2015, wird es einen Betriebsrat geben, der sich für die Interessen der Beschäftigten einsetzen kann.
Klar ist schon heute, dass auf den Betriebsrat eine Riesenaufgabe zukommt. Er muss als Team zusammenfinden, den unterschiedlichen Situationen in den Werken Rechnung tragen, die Beschäftigten befragen und einbinden und gemeinsam mit den Beschäftigen Verbesserungen für alle durchsetzen.
Aber auch schon heute ist klar, wir als IG Metall werden ihn dabei unterstützen.
Wenn Beschäftigte sich organisieren, sich starke Partner suchen und gemeinsam für ihre Rechte einstehen, werden sie respektiert.
Und dieser Respekt ist der süßeste, weil er durch eigene Arbeit und Einsatz verdient ist.

Gewerkschaftssekretär, IG Metall Göppingen/Geislingen
BINDER-GROUP
In der Binder-Group arbeiten in Baden-Württemberg ca. 1900 Menschen, davon über 400 Leiharbeitnehmer. In den 6 Gesellschaften sind die Beschäftigten aller Nationen kreuz und quer auf 10 Werke, rund in und um Böhmenkirch, von Steinheim a.A. bis nach Feldstetten bei Laichingen verteilt. Zusätzlich sind noch viele, hauptsächlich kroatische Arbeiter über Werkvertragsunternehmen eingesetzt. Die Beschäftigten produzieren Aluzierteile für alle namhaften Autohersteller und das Unternehmen ist in den letzten Jahren extrem gewachsen. Gleichzeitig gab es immer wieder Berichte, dass die Arbeitsbedingungen sehr zu wünschen übrig lassen.

Close