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Merkels Kaffeekränzchen


Sidar Demirdögen *

 

Die Bundesregierung lud zum 5. Integrationsgipfel ein. Auf der Tagesordnung stand die Präsentation der Ergebnisse der Arbeit der „ Dialogforen“, die in den letzten Jahren zu ausgewählten Themen Selbstverpflichtungen und Aktionen erarbeiteten. Bereits vor Eröffnung des Integrationsgipfels sammelten sich Dutzende Vertreter aus Migrantenverbänden, Medien, Sport, Politik und Ministerien im Foyer vor dem Sitzungssaal zum Kaffee. Und eben dieser Kaffee verleiht dem Gipfel seit seinem ersten Zusammenkommen seinen eigentlichen Charakter: „Kaffeekränzchen“. Auch dieser Gipfel blieb diesem Titel treu: Viel Gerede, das sich spätestens nach zwei Beiträgen wiederholte. Nicht wenige Teilnehmer versanken bei der Langatmigkeit der Reden entweder in den 238 Seiten des „Nationalen Aktionsplans Integration“ oder – eher zutreffender – in den iPod´s.

„Wir wollen miteinander reden und nicht übereinander“, so eröffnete Bundeskanzlerin Angela Merkel den Integrationsgipfel. Umso mehr deutlich wurde die Scheinheiligkeit der mit Prominenz geschmückten Showveranstaltung. Von „miteinander Reden“ war nichts zu sehen, geschweige denn, ob dies überhaupt auch von der Regierung gewünscht war. Man wollte ja die Symbolträchtigkeit des Integrationsgipfels nicht mit unerwarteten kritischen Stimmen in Gefahr setzen! Schließlich gestaltete sich die Sitzung als eine durch und durch inszenierte und kontrollierte Veranstaltung, in der das Rederecht der Teilnehmer im Vorfeld festgelegt wurde! Umso weniger verwundert es auch, dass eine noch so kleine Kritik in den Redebeiträgen keinen Platz fand! Dies betraf auch die eigentlichen Themen, die ein Großteil der Migrantenverbände seit Jahren fordert, wie bspw. die Einführung des aktiven und passiven Wahlrechts oder den Abbau von Einbürgerungshürden. Dass der Integrationsgipfel von der Regierung als Bühne missbraucht wird, um ihr eigenes Image aufzubessern und ihre leere Symbolpolitik zu untermalen, war bereits spätestens beim zweiten Integrationsgipfel 2007 ersichtlich. Während die Regierung damals mit großen Worten über den Schutz von Migrantinnen vor Gewalt und Zwangsverheiratung jonglierte, schränkte sie zeitgleich den Familiennachzug ein.

„Deutschland ist kein Einwanderungsland, sondern ein Integrationsland“ lautete der zweite Schlüsselsatz der Kanzlerin in ihrer Eröffnungsrede und verwies auf die Bedeutung des Spracherwerbs für die Integration von Migranten. Die Doppelzüngigkeit der Regierung in der Frage von Integration macht sich seit geraumer Zeit in der Diskussion um den Spracherwerb. D.h. die Argumentation, die Integration anhand der Sprachkenntnisse zu messen bzw. diese als das entscheidende Kriterium darzustellen, zieht sich wie ein roter Faden der CDU/FDP Politik. Bildungsprobleme, Arbeitslosigkeit oder Diskriminierung schieben die Regierungsparteien den mangelnden Sprachkenntnissen zu, ohne dabei rot im Gesicht zu werden. In Verbindung mit den Integrationskursen wird der Spracherwerb immer wieder dafür missbraucht, Druck auf Migranten auszuüben und Sanktionen zu legitimieren. Die Frage, wer hier eigentlich Integration verweigert, erübrigt sich von selbst.

„Dieser Gipfel ist auch Zeichen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ betonte die Integrationsbeauftragte Dr. Maria Böhmer in ihrer Rede, dem nahezu alle ihrer darauffolgenden Kollegen folgten. Doch neben schön formulierten Bekundungen, sich konsequent für die Bekämpfung von Rassismus einzusetzen, bleibt die ernüchternde Erkenntnis, dass von konsequent praktischen Taten nichts zu sehen ist. Es bleibt abzuwarten, inwieweit der Untersuchungssauschuss mit der Aufklärung der Neonazi-Morde kommen wird und wie viele Informationen schließlich veröffentlicht werden. Die Tatsache, dass die etablierten Parteien auch maßgeblich mit rassistischen Debatten Spaltung betrieben haben, bleibt wie erwartet unerwähnt. Stattdessen nimmt die Regierung den Gipfel zum Anlass, ihr eingebüßtes Vertrauen bei den Migranten und ihren Verbänden mit wohl klingenden und Sätzen und Symbolpolitik wiederzugewinnen. Von rechtlichen und politischen Verbesserungen von Migranten und ihrer gleichberechtigten Teilhabe in Bildung, Ausbildung und Arbeit ist seit dem 1. Integrationsgipfel nichts passiert. Diese Stimmen will man jedoch auf dem Gipfel nicht hören und verpasst jenen Migrantenverbänden, die sich kritisch zur Regierungspolitik äußern wollen, einen Maulkorb.

 

* Die Autorin nahm als Vorsitzende des „Bundes der Migrantinnen“ am Int

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