Demir Yildirim
Nach der vierten Verhandlungsrunde, nach 18 Stunden Verhandlungen, steht in der Tarifbewegung der Metall und Elektroindustrie nun ein Verhandlungsergebnis für die Bezirke Bayern und Küste. In knapp zwei Wochen Warnstreiks haben sich rund 608.511 Beschäftigte an den Aktionen beteiligt. Besonders hervorgestochen in dieser Tarifrunde sind Azubis und junge Beschäftigte. Unsere Zeitung berichtete schon davor, dass die IG – Metall für 12 Monate Laufzeit 7 Prozent mehr Entgelt, 170 Euro für Azubis, die Öffnung des T-Zuges (welcher eine Wahloption zwischen Zeit und Geld gibt) und die Stärkung der unteren Entgeltgruppen gefordert hat. Die Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie betrifft über 4 Millionen Beschäftigte und gehört zu den zentralen Branchen im Land. Vom 11. auf den 12.11. verhandelten die Bezirke Bayern und Küste in 18 Stunden ein Verhandlungsergebnis.
Was sieht der Abschluss vor?
Für eine Laufzeit von 25 Monaten soll im Februar 2025 eine Einmalzahlung von 600 Euro ausgezahlt werden. Danach folgt im April die erste Entgelterhöhung mit 2 Prozent und ab April 2026 noch eine Erhöhung von 3,1 Prozent. Außerdem soll der T-Zug B um 8 Prozent steigen. Für die Azubis gibt es 140 Euro mehr ab Januar 2025 und 3,5 Prozent mehr ab April 2026. Das Ergebnis der Jugend kann sich damit sehen lassen: Für das erste Ausbildungsjahr steigt die Vergütung um teilweise mehr als 15 Prozent, je nach Region.
Die IG Metall spricht zwar in ihren Veröffentlichungen von 5,1 Prozent. Das mag auch stimmen, wenn man die Prozentzahlen einfach addiert, aber so kann man keinen Tarifabschluss bewerten. Zu allererst haben wir von Oktober 2024 bis März 2025 eine Zeitraum von sechs Monaten, in dem es keine dauerhafte Lohnerhöhung gibt. Sondern nur eine Einmalzahlung von 600 Euro, die aber an dieser Stelle nicht berücksichtigt werden kann. Denn auch die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung hat nachgewiesen, dass Einmalzahlungen keinen Beitrag zur Reallohnentwicklung haben. Ab April 2025 gibt es dann 2 Prozent mehr. Damit haben wir in den ersten zwölf Monaten eine durchschnittliche Erhöhung der Löhne von einem Prozent. Für die zweiten zwölf Monate kommen wir auf 3,7 Prozent. Zusammen macht das auf die 24 Monate verteilt im Durchschnitt eine Erhöhung von 2,35 Prozent. Beachtet man die T-Zug Erhöhung für einen Facharbeiterlohn noch, kann man 0,4 Prozent noch draufschlagen. Wobei dieser Wert bei den unteren Entgeltgruppen noch höher ist. Das was die IG-Metall den Beschäftigten vorlegt, ist nichts anderes als eine dauerhafte Reallohnsenkung.
Beim letzten Tarifabschluss 2022 äußerte sich der Präsident des Arbeitgeberpräsidenten Stefan Wolf voller Stolz noch, dass man die Forderung der IG Metall halbiert habe. Heute sagt er zum Tarifabschluss, dass sie 27 Monate gefordert haben und 25 Monate Laufzeit bekommen haben. „Die IG Metall hat schon Federn lassen müssen“ heißt es von Wolf in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Außerdem gibt es erneut eine Differenzierungsregel, mit der erneut der Tarifvertrag durchlöchert wird und die Profitinteressen der Metall und Elektrokonzerne berücksichtigt werden. Konzerne, die unter die Nettogewinnrendite von 2,3 Prozent fallen, können das T-Geld (eine jährliche Sonderzahlung) verschieben oder komplett einbehalten.
Doch wie kam es zu diesem, dann doch sehr schnellen, Abschluss, obwohl die Beschäftigten immer wieder signalisiert haben, dass sie bereit sind zu kämpfen? Die IG Metall ist schon im Frühjahr in die Tarifrunde gestartet mit der Bewertung, dass die „wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“ für diese Tarifrunde schwierig seien. Im Rahmen der Forderungsfindung äußerte sich die Vorsitzende Christiane Benner und kommentierte in Richtung dem Arbeitgeberverband, dass man als Gewerkschaften verantwortungsvolle Forderung stelle und man sich bewusst sei, dass die Metall- und Elektroindustrie sich in einer Transformation befinde. Schon damals wurde anhand der Aussagen der IG Metall Führung deutlich, dass sie kein Interesse hatte, diese Tarifrunde in die Länge zu ziehen. Als dann im Herbst Volkswagen die Sparmaßnahmen angekündigt hat und sich die Nachrichten zu Umsatzeinbrüchen in der Automobilindustrie und ihren Zuliefern häuften, wurden die Erwartungen in den Tarifkommissionen weiter gesenkt. Die Kommunikation auf den Warnstreiks und Aktionen war aber weiterhin kämpferisch. Die Belegschaften machten bei jeder Gelegenheit deutlich, dass sie bereit sind zu kämpfen. Besonders organisiert und kämpferisch waren die Auszubildenden, die mit eigenen Aktionen aufgefallen sind für ihre Forderung von 170 Euro.
Sozialpartner: Faktor für Stabilität?
Das zumindest behauptet die Vorsitzende der IG Metall Christiane Benner. Doch wenn man sich die letzten Jahre anschaut, bedeutet die Sozialpartnerschaft vor allem für die Arbeitgeber stabile Gewinne und für die Beschäftigten stabile Reallohnsenkungen. Denn egal ob Pandemie, Inflation, Krieg oder andere Krisen: Immer wieder werden Beschäftigten zur Kasse gebeten. Anstatt diejenigen, die seit Jahren die Konzernkassen füllen.
Doch während viele Kollegen sich in den Betrieben über den Abschluss aufregen, komm diese Kritik kaum in den Tarifkommissionen an. Auch kämpferische Teile in den Gewerkschaften nicken solche Abschlüsse nur ab und schaffen es häufig nicht eine breite Diskussion in den Betrieben zu beginnen und diese auch in den Tarifkommissionen zu spiegeln. Denn auch wenn die IG Metall Führung so tut, als ob der Abschluss unter Dach und Fach wäre, so müssen immer noch die demokratisch legitimierten Gremien über diesen Abschluss abstimmen.
Die Jugend ist in diesem Kampf ein Vorbild
Die Jugend hat zu dieser Tarifrunde seit zwei Jahren hingearbeitet, sich über eine Forderung verständigt und für die Forderung auch innerhalb der IG Metall gekämpft. Besonders die Jugendgremien aus den Großstädten hatten teilweise Forderungen bis zu 300 Euro, die von der IG Metall Führung hart bekämpft wurden. Als dann die 170 Euro standen, hat sich die Jugend nicht verschrecken lassen, sondern hat gesagt: Wir wollen die 170 und keinen Cent weniger. Dementsprechend waren sie auch auf Aktionen, Warnstreiks etc. präsent. Gleichzeitig ist dieser Kampf auch eine Hoffnung für die Zukunft, wie man seine Forderungen durchsetzen und erkämpfen kann.