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Migration und Integration in Schulbüchern

Zalal Güyildar

Jeder Fünfte in Deutschland lebende Bürger hat einen Migrationshintergrund. Die Zahl bei Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren beträgt gut einen Drittel. Davon sind über 80 Prozent deutsche Staatsangehörige. Nun veröffentlichte das Georg-Eckert Institut in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Bildungsintegration eine Analyse zur Darstellung von Migration und Integration in aktuell zugelassenen Schulbüchern. Beleuchtet wurden die gesellschaftlich-wissenschaftlichen Schulfächer Politik, Geografie sowie Geschichte. Der Fokus der Studie lag, insbesondere, auf der Abbildung einwanderungsbedingter Vielfalt und der Partizipation. Letzteres bedeutet in dem Sinne, die Größe der gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund an und mit den Schulbüchern und somit auch am Schulunterricht. Die Studie untersuchte die Schulbücher der Sekundarstufe eins. Differenziert wurde außerdem innerhalb der Schultypen und den Bundesländern.

Warum war eine Studie notwendig?
Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist Deutschland das zweite Land nach den USA mit den meisten Zuwanderern. Somit ist es im Alltag kein Novum, dass in den Pausen auf dem Schulhof mehrere Sprachen gesprochen werden. In den internationalen Vergleichsstudien (PISA, IGLU oder OECD-Studie) fallen im deutschen Bildungssystem große Lücken bei Kindern und Jugendlichen aus Einwandererfamilien auf. Die aktuelle Studie beschreibt, inwieweit Migration und Integration in den Schulbüchern dargestellt werden und erfasst, auf welche Weise sie dargestellt werden.
Derzeitige Diskussionen von Bildungsexperten und -kritikern, aber auch zunehmend innerhalb der Lehrergemeinschaft beschreiben die Migration eher als konfliktträchtig. Abgesehen von den Texten, wirken viele Abbildungen in Schulbüchern diskriminierend auf Schüler. Somit sinkt automatisch die Beteiligung und die Motivation bei vielen Schülern in den Fächern. Fest steht jedoch, dass die herkunftsbezogene Heterogenität ansteigt und deshalb eine Anpassung der Bildungsinhalte an die angeforderten Entwicklungen notwendig werden. Das Ziel sollte sein, dass ein Zugehörigkeitsgefühl bei jedem Schüler eingeimpft wird und somit schulintern keine Ausgrenzungen stattfinden können – zumindest keine auf inhaltlicher Basis. Generell wird das Thema ,,Migrationg nicht als eine Normalität betrachtet. Diese findet keinen Stellenwert als Norm in unserer Gesellschaft.

Wie lauten die Ergebnisse der Studie?
Das Thema „Integrationg wird in den bisherigen Schulbüchern nur mit dem Oberbegriff der „Migrationg assoziiert, Probleme von benachteiligten oder diskriminierten Gruppen und Minderheiten werden nicht aufgegriffen. Durchaus gibt es viele Wege, Migration und Immigration mit aktuellen Geschehnissen in der globalen Welt zu verbinden und diese politisch korrekt im Unterricht zu behandeln, ohne dabei kulturelle Andersartigkeit zu privilegieren. Klar ist auch im Vorfeld, dass Rahmenrichtlinien und Lehrpläne ein mehrheitlich großes Spektrum an Themen vorgeben und die Lehrerinnen und Lehrer sich planmäßig daran halten müssen.
Positive Beispiele gelungener Integration lassen sich dieser Studie zufolge in 2000 erschienenen Schulbüchern kaum finden. Misslungene Integration erscheint als Normalfall. Dadurch gilt Migration stets als Problemfall, niemals als Selbstverständlichkeit moderner, differenzierter Gesellschaften. Besonders problematisch, ist die häufig postulierte Forderung nach mehr Toleranz und Verständnis gegenüber „Fremdeng. Die darin festgeschriebene Andersartigkeit von Migrantinnen und Migranten fördert ein automatisches Bild von ,,Fremdeng. Ohne etwas zu bezweifeln, lernen die Schüler aus und mit den Büchern, sodass es ihnen in den jungen Jahren als wahr erscheint. Stets sind die Ursachen von Migration überwiegend einseitig als Arbeitsmigration (Gastarbeiter) oder eine Flucht in ein wirtschaftlich-ökonomisch besseres Land beschrieben. Das ist alles? In vielen Exemplaren wurden immer häufiger die Begriffe des sogenannten Flüchtlingsstroms, der Ausreisewelle und dem Zustrom von Ausländern benutzt. Zum Teil beleuchtete die Studie, dass Begriffe wie „Ausländerg, „Migranteng und „Fremdeg immer in einem gleichen Kontext benutzt wurden, sodass sie ein Synonym bilden. Gerade hierbei verschwindet die Bedeutung der Bezeichnungen und es wird stark pauschalisiert.
Migranten erscheinen meist als Opfer gesellschaftlicher Bedingungen und selten sind sie gleichgestellt an einen Deutschen ohne Migrationshintergrund, als einen Helden oder gar als jemand, der einfach nur normal ist. Abgesehen von Texten, erscheinen auch viele Bilder, Grafiken und Tabellen in den Schulbüchern. Die Abbildungen zeigen Migranten tendenziell in einer stereotypen Weise. Insgesamt wird vor allem partielle oder gescheiterte Integration gezeigt.

Migranten benachteiligt
Mithilfe anderweitiger Analysen wurde mehrfach nachgewiesenen, dass eine massive Bildungsbenachteiligung von Kindern und Jugendlichen aus Einwandererfamilien herrscht. Seit mindestens 30 Jahren liegt eine veränderte Bevölkerungszusammensetzung vor. Die Schulklassen sind interkulturell und dementsprechend ist eine moderne Neugestaltung aller Schulmaterialien zwingend erforderlich. Der Schwerpunkt für zukünftige Schulbücher sowie weiteren Bildungsmedien, muss die gesellschaftliche Vielfalt als Normalität aufzeigen. Die Konsequenz dafür wäre eine hinterfragende Haltung. Daraus entsteht viel mehr Raum für Debatten und Fragestunden während des Unterrichts. Da die Schulbuchproduktion die Vorgaben der Curricula umsetzt, sind zum einen die Lehrplankommissionen aller Bundesländer und zum anderen die Bildungsmedienverlage aufgefordert, die Themen Migration und Integration in ausgewogener und multiperspektivischer Weise darzustellen. Auch ist es unverzichtbar, dass Lehrerinnen und Lehrer als Vermittler im schulischen Kontext diversitätskompetent agieren. Die Akteure, in diesem Fall die Lehrer, sind aufgefordert, medienkritisch mit Schulbüchern und anderen Unterrichtsmaterialien umzugehen. Gleichzeitig ist es ein guter Ansatz um Rassismus und Diskriminierung in der Schule zu behandeln, bevor Einzelne nach der Schule, einen falschen Weg einschlagen.

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