Am 13. Februar, gegen 10.30 Uhr, fuhr ein Mann am Münchner Stiglmaierplatz mit einem Auto in eine Streikdemonstration der Gewerkschaft ver.di. Dutzende Menschen wurden verletzt, eine 37-jährige Mutter und ihr zweijähriges Kind erlagen später ihren schweren Wunden. Unmittelbar nach dem Vorfall nahmen Politiker verschiedener Parteien die Tat zum Anlass, um erneut über Migration und Kriminalität zu diskutieren.
Dabei wurden Forderungen nach verschärften Maßnahmen laut, obwohl Statistiken weder einen generellen Anstieg der Kriminalität belegen, noch die These stützen, dass Migranten überproportional dafür verantwortlich seien. Vielmehr sind sie oft selbst besonders stark von sozialen Missständen betroffen. Dennoch dominierten politische Pauschalisierungen die Debatte, während die eigentlichen Hintergründe der Tat zunächst ungeklärt blieben.
Trauer und gesellschaftliche Reaktionen
Anschläge, wie in München oder Aschaffenburg, sind unabhängig davon tragisch und schrecklich. Sie fügen den Familien und Nahestehenden der Opfer unwiderruflichen Schmerz zu und sorgen auch für den Rest der Gesellschaft für Trauer, Wut und Angst. Wie mit ihnen umgegangen wird, ist entscheidend für das zukünftige friedliche Zusammenleben der Bevölkerung.
Die Anteilnahme nach dem Vorfall war groß. Die Familie der verstorbenen Mutter und ihres Kindes appellierte in einer Erklärung eindringlich, die Tat nicht für politische Zwecke zu instrumentalisieren. Die Verstorbene habe sich aktiv für Solidarität und gegen Fremdenfeindlichkeit eingesetzt.
Diesen Umgang teilte auch die Gewerkschaft ver.di. Sie rief zu einem würdigen Gedenken auf. Eine Woche nach dem Vorfall versammelten sich zahlreiche Menschen unter dem Motto „Wir trauern gemeinsam“ an der Seidlstraße, entzündeten Kerzen und legten Blumen nieder. Doch neben der Trauer kam es in München auch zu Demonstrationen unterschiedlicher politischer Lager. Während sich etwa 70 Teilnehmer bei einer Mahnwache der AfD versammelten, zog eine Gegendemonstration rund 600 Menschen an. In deren Verlauf kam es zu Spannungen.
Funktionäre der AfD wollten nach Abschluss ihrer Mahnwache am Königsplatz Blumen und Kerzen am Tatort ablegen – unter ihnen auch der bayerische AfD-Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Stephan Protschka. Etwa 50 Personen aus der Gruppe der Gegendemonstranten bildeten daraufhin eine Menschenkette und hielten Teilnehmer der AfD-Veranstaltung davon ab, Blumen an dem provisorischen Gedenkort in der Nähe des Tatorts niederzulegen.
Forderungen nach harten Konsequenzen dominieren die Reaktionen
Der Anschlag traf Deutschland inmitten einer aufgeheizten Debatte über Migration und Asylpolitik. Die politische Reaktion war von Entsetzen geprägt – begleitet von erneuten Forderungen nach härteren Konsequenzen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) betonte die Notwendigkeit politischen Handelns: „Wir reagieren besonnen, aber unsere Entschlossenheit wächst.“ Ohne konkrete Maßnahmen zu benennen, ließ er keinen Zweifel an seiner Unterstützung für eine verschärfte Migrationspolitik. Aber auch die konkreten Maßnahmen ließen nicht lange auf sich warten. Er machte sich unter anderem für Gesetzesänderungen und die Begrenzung von Migration stark. Menschen, die dauerhaft kein Aufenthaltsrecht haben, sollen ihm zufolge des Landes verwiesen werden – “vor allem Straftäter”. “Das wird für diesen Straftäter jetzt auch gelten. Der muss dann unser Land umgehend verlassen”, sagte Söder.
Auch Bundeskanzler Scholz (SPD) sprach sich sehr deutlich für konsequente Abschiebungen von Straftätern aus Deutschland aus. Das gelte auch für Länder, in die Rückführungen schwierig seien. “Wer hier keine deutsche Staatsangehörigkeit hat und Straftaten dieser Art begeht, der muss auch damit rechnen, dass wir ihn aus diesem Land wieder zurückbringen, wegbringen und ihn abschieben”, sagte Scholz in der ZDF-Sendung “Klartext”. Scholz versicherte, dass dies auch mit dem Tatverdächtigen von München geschehen werde. ” Denn wir werden ihn sicherlich verurteilt sehen von den Gerichten, und noch bevor er das Gefängnis verlässt, wird er dann auch in sein Heimatland zurückgeführt werden”, sagte er.
Der Kanzler verwies zudem darauf, dass die Bundesregierung weitere Abschiebeflüge nach Afghanistan für schwerkriminelle Straftäter plane.
Ein Ansinnen, dass den in Afghanistan herrschenden Taliban in die Hände spielt. Sie zeigen sich angesichts des von einem Asylbewerber aus Afghanistan verübten mutmaßlichen Anschlags offen für eine Zusammenarbeit bei Abschiebungen. Dafür wollen die Islamisten jedoch eine konsularische Vertretung in Deutschland. “Wir haben unsere Bereitschaft gezeigt, die konsularischen Dienste für Afghanen in Deutschland wieder aufzunehmen, die alle Aspekte der Migration abdecken”, sagte der Sprecher des Taliban-Außenministeriums, Abdul Kahar Balchi, der Nachrichtenagentur dpa.
Einen Umweg über Nachbarländer Afghanistans wie Pakistan, wie er bereits in der Vergangenheit von der Bundesregierung erwogen wurde, lehnen die Taliban ab und werten dies als Verstoß gegen die geltenden Konventionen. “Wir sind nicht bereit, irreguläre Verfahren zu akzeptieren, die Afghanistan umgehen und eine Gefahr für unsere nationale Sicherheit darstellen”, betonte Balchi. Die Islamisten sind international isoliert. Seit dem Abzug der NATO-Kräfte aus dem Land, verdichten sich nun die Bedingungen für eine Aufnahme diplomatischer Beziehungen, die beide Seiten im Zuge von Abschiebedebatten mit ihrer nationalen inneren Sicherheit argumentieren.
Dass der Anschlag von München dabei nicht mal zur Grundlage genommen werden kann, ist währenddessen wieder geschickt zur unbeachteten Nebensache gemacht worden, war der Täter schließlich nicht mal Ausreisepflichtig.
Stattdessen wurde der Anschlag wieder einmal zum Anlass für eine allgemeine Verschärfung der Migrationsdebatte genommen, ohne die individuellen Hintergründe der Tat differenziert zu beleuchten und Konsequenzen daraus zu ziehen, die der Gesellschaft tatsächlich dienlich sind und bestehende Spaltung nicht weiter vertiefen.