Written by 12:47 uncategorized

Nach dem Mord an Chokri Belaid

tunus

Am 6. Februar wurde in der tunesischen Hauptstadt Tunis der 48-jährige Rechtsanwalt und Generalsekretär der Bündnispartei „Mouvement des patriotes démocrates“ (MPD – Bewegung Patriotischer Demokraten) durch professionell vorgehende Mörder, skrupellos mit vier Kugeln in Kopf, Hals und Brust erschossen, als er gerade sein Haus verließ.

Chokri Belaïd war neben Hamma Hammami, dem Generalsekretär der Tunesischen Arbeiterpartei (früher Kommunistische Arbeiterpartei/PCOT) ein wichtiger Vertreter der aus zwölf verschiedenen fortschrittlichen und revolutionären Kräften bestehenden „Front populaire“ (Volksfront), die einen entscheidenden und führenden Anteil am Sturz des reaktionären Ben-Ali-Regimes im Januar 2011 hatten.

 

Morddrohungen und Angriffe

Vor seiner Ermordung hatte Belaid von Morddrohungen berichtet, die er aufgrund seiner politischen Haltung erhielt. Eine Woche vor seiner Ermordung machte er von der Ennahda-Partei (Partei der Wiedergeburt/Renaissance) bezahlte „Söldner“ dafür verantwortlich, einen Angriff auf ein örtliches Treffen der „Bewegung Patriotischer Demokraten“ in Le Kef verübt zu haben, bei dem elf Personen verletzt wurden. Reaktionäre Kräfte hatten die Versammlung attackiert, an dem auch Belaid teilnahm, während die Polizei nur einige Meter davon entfernt stationiert, nur tatenlos zuschaute.

„Ich beschuldige die Ennahda und dessen Führen Ghannouchi persönlich des Mordes an meinem Mann“, erklärte die Witwe Besma Belaïd. Die von der „Ennahda“ geführte Regierung betrachtete Belaïd als einen der Verantwortlichen der „sozialen Unruhen“ im Land. Bei den Versuchen, ihn mundtot zu machen, stand ihnen der Widerstand der Bevölkerung im Weg, die ihn unterstützte

In den letzten Monaten hat die Arbeiter- und Volksbewegung in Tunesien gegen die reaktionär-islamistische und proimperialistische Ennahda-Regierung einen deutlichen Aufschwung genommen. Sowohl staatliche Organe, als auch mit der führenden islamischen Ennahda-Partei verbundene bewaffnete Gruppen reagierten mit verschärften Repressionsmassnahmen gegen Gewerkschaften, fortschrittliche Kräfte, revolutionäre Organisationen, griffen Demonstrationen und Einrichtungen an.

 

Über 1 Millionen Menschen auf den Strassen

Nach Angaben des Innenministerium beteiligten sich am Tag der Beisetzung 1,4 Millionen Menschen im ganzen Land an den Protesten und dieses bei einer Gesamtbevölkerung von elf Millionen Einwohnern. Begleitet wurden die grössten Massenprotesten seit zwei Jahren von einem landesweiten Generalstreik. Banken, Fabriken und Geschäfte blieben geschlossen, auch an den Schulen und Universitäten fanden keine Vorlesungen statt. Die Trauernden riefen „Das Volk will eine neue Revolution“ und „Das Volk will den Sturz des Regimes“. Andere Parolen richteten sich auch gegen die Polizeigewalt.

 

Regierung muss zurücktreten

Überall in Tunesien drang die Forderung nach der Auflösung der Regierung in den Vordergrund. Der Ministerpräsident Jebali wollte eine vorübergehende technokratische Regierung, doch auch dieses stoss auf Ablehnung. Auch die vorgezogenen Wahlen, die dieses Jahr noch stattfinden sollen,werden zu seinem Nachteil stattfinden. Die Ennahda-Regierung unterstützte den Krieg der Nato und der USA für einen Regimewechsel in Libyen, zurzeit verhandelt sie mit dem Internationalen Währungsfonds über einen Standby-Kredit. Der IWF fordert dafür Sparmassnahmen, natürlich zu Lasten der tunesischen Bevölkerung.

Belaids Ermordung hat das Land erschüttert und eine Explosion der sozialen Wut ausgelöst, die sich aufgestaut hat, seit Ennahda im Oktober 2011 durch eine relative Mehrheit bei der Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung an die Macht gekommen war. Die Ursache dieser Wut war nicht nur, dass die Regierung ihre Gegner von Polizei und gewalttätigen Salafisten unterdrücken lässt und gegen diese gewalttätig vorgeht, sondern vor allem auch das Fehlen jeglicher Verbesserung der Massenarbeitslosigkeit und der erdrückenden Armut, die vor zwei Jahren zum Sturz der Diktatur von Zine el-Abidine Ben Ali geführt hatte, der zuvor mit Unterstützung des Westens 25 Jahre lang regiert hatte.

 

 Ezgi Güyildar

 

IG-Bau unterstützt Gewerkschaftsarbeit in Tunesien

Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) unterstützt über ihre Stiftung „Soziale Gesellschaft – Nachhaltige Entwicklung“ den Demokratisierungsprozess in Tunesien durch den Aufbau der Gewerkschaftsarbeit mit 40 000 Euro. Ziel sei es, Arbeitern zu helfen, ihre sozialen und politischen Interessen mit demokratischen Mitteln durchzusetzen. Es fehle in Tunesien vor allem an Wissen und Erfahrung. Deshalb erhalten die tunesischen Gewerkschafter durch das IG BAU-Projekt geförderte rechtliche Beratungen sowie Schulungen für den Aufbau einer effektiven Selbstorganisation. Vorallem die Rolle der Jugendlichen würde eine grosse Rolle dabei spielen. Ziel der Fördermaßnahmen ist es deshalb auch, aus der jungen Generation eine Gruppe von modernen Gewerkschaftsführern zu gewinnen, die sich mutig für die Interessen und Rechte aller Arbeiter in ihrem Land einsetzen.

 

Close