Written by 15:28 HABERLER

Nationalratswahlen in Österreich

Am 29. September finden in Österreich die vorgezogenen Nationalratswahlen statt. Nach dem Misstrauensvotum an die (ÖVP-FPÖ) Regierung wurde ein linkes Bündnis mit dem Slogan „Wir können“ gegründet, bei der viele Gruppen, Organisationen und Einrichtungen sich zur Veränderung der politischen Kultur in Österreich zusammengeschlossen haben. Das Bündnis schaffte zuletzt, die Voraussetzung der Einsammlung von 2.600 Unterstützungserklärungen für den gesetzlichen Wahlantritt zu erfüllen und trat somit den Wahlkampf an.

In Wien kandidiert aus den Reihen der Föderation der Demokratischen ArbeiterInnenvereine (DIDF) MMag. Dr. Zeynep Arslan, M.A. auf Bundesebene auf Platz drei und auf Landesebene auf Platz eins. Mit der Spitzenkandidatin haben wir uns über das neue Wahlbündnis und den Wahlkampfprozess ausgetauscht.

Aziz Koçyiğit

Wir möchten Sie gerne kennenlernen

Ich lebe seit einigen Jahren in Österreich. Derzeit bin ich in der Generaldirektion des Wiener Krankenanstaltenverbunds als Organisations- und Projektmanagerin angestellt. Bisher habe ich zu einigen und verschiedenen gesellschaftspolitisch relevanten Themen meine akademische Expertise eingebracht und Publikationen sowie anderwertige Organisationstätigkeiten durchgeführt. Weiters habe ich mich in diversen demokratischen und zivilgesellschaftlichen Organisationen betätigt. Jetzt, wurde ich eingeladen mich in diesem links-politisch gesinnten Wahlbündnis, das sich mit dem Slogan “Wir können” für den Weg der Entwicklung einer Politik, die den Menschen und die Natur ins Zentrum ihrer Handlungen stellt, und damit eine Veränderung in der Politik und Art und Weise der Politik zum Ziel setzt, zu beteiligen. Gemeinsam mit meinen MitstreiterInnen möchte ich meine Erfahrungen und Qualifikationen zur Porbe stellen, umsetzen und meinen Horizont im Dienste der Gesellschaft weiter erweitern.

Können Sie die allgemeine politische Lage in Österreich kurz skizzieren?

In Wirklichkeit hat der Prozess, der sich jetzt gen 29. September bewegt, bereits vor ein paar Jahren begonnen. Dieser Prozess hat in Wirklichkeit einen Höhepunkt erreicht, als die Österreichische Volkspartei (ÖVP) einen jungen populären Anführer, Sebastian Kurz aufstellte, der dann mit der Zeit die Partei rund um seine Person und seiner Anführerschaft zu sammeln und zu verändern suchte. Kurz versuchte mit seiner Art und Weise der Anrede und Verwendung von Social Media eine andere Form der Politik. Das sorgte in der traditionellen Politiklandschaft Österreichs für reichlich Aufmerksamkeit. Es kam also zu keinem Generationenkonflikt, sondern im Gegenteil die ÖVP gab Sebastian Kurz eine Chance. Allerdings entwickelte sich die Partei zu einer Form, die den Kurz zum Zentrum nahm und alles andere innerhalb der Partei sich um diese Person scharrte; eine Art Personenkult. Zuletzt ging Sebastian Kurz eine Koalition mit der nationalistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), welcher von Jörg Haider (1950-2008) gegründet und zuletzt von Heinz Christian Strache weiterfortgesetzt wurde, ein.

Diese Koalitionsregierung punktete insbesondere ab und rund um 2015 mit einer rassistischen Propaganda und Hetzpolitik gegen Vertriebene des syrischen Krieges. Während sein Koalitionspartner mit einer Angstmachepolitik die Aufmerksamkeit der ÖsterreicherInnen ablenkte, befasste sich die ÖVP mit der Aushöhlung des Sozialstaates und der Errungenschaften der ArbeiterInnen und Angestellten. Während im Vordergrund also Feindseligkeit gegenüber über MigrantInnen und Vertriebenen ausgespielt wurde, wurden im Hintergrund die Arbeits- und Sozialrechte der ÖsterreicherInnen angegriffen.

Warum wurden die Nationalratswahlen vorgezogen?

Weltweit wurden die Skandale bekannt, die sich in den letzten Monaten in Österreich unter der ÖVP-FPÖ Regierung ereignet haben. Im Mai wurden die Öffentlichkeit mit der Ibiza-Affäre überrascht und zum ersten Mal Zeugin davon, wie Politik käuflich gemacht wurde. In diesem Viedeo wurde öffentlich, wie der FPÖ-Obmann, Heinz Christian Strache einer russischen Oligarchien Zugeständnisse machte, damit diese seine Partei finanzierte. Dieses Video sorgte für größte Empörung in der Gesellschaft und sie ging mit dem Titel “Wie Österreich an Rusland verkauft wurde” in die österreichische Geschichte ein. Nach diesem Skandal musste Bundeskanzler Sebastian Kurz die Koalition auflösen und die Regierung wurde nach dem Misstrauensvotum im Parlament aufgelöst. Wenig später ereignete sich noch ein Skandal, das mit der Betitelung “Schredder-Affäre” seinen Platz in der Öffentlichkeit annahm. Es gingen wieder Videoaufzeichnungen durch die Medien, die zeigten, wie durch MitarbeiterInnen des Bundeskanzleramts fünf Harddisks geschreddert wurden. Bis heute weiß niemand, welche Informationen geschreddert und damit vor dem österreichischen Volks verheimlicht wurden. Aktuell sind die ÖsterreicherInnen verunsichert und mehr als eindrittel der WählerInnen weiß nicht, welcher Partei sie ihre Zukunft und die Zukunft ihrer Kinder anvertrauen sollen.

Können wir die Plattform näher kennenlernen, für die Sie gegenwärtig kandidieren?

In diesem Bündnis sind verschiedene Gruppen und Initiativen beteiligt. Die Forderung zur Gründung dieser Plattform kam angesichts der Ereignisse in der Politiklandschaft Österreichs in den letzten Jahren von unten. In der Plattform ist die Bundes-Kommunistische Partei Österreich (KPÖ) dabei. Weiters die KPÖ im Bundesland Steiermark, wo sie auf Bundeslandebene in der Regierung sitzt. Außerdem ist im Bündnis die Alternative Liste Innsbruck (Bundesland Tirol), die seit Jahren sehr gute demokratiepolitische Arbeit und Kommunalpolitik betreibt, mit dabei. Die Föderation der Demokratischen ArbeiterInnenvereine (DIDF) ist ebenso mit allen Ortsvereinen im Bündnis beteiligt. Verschiedene demokratischgesinnte und zivilgesellschaftliche, aber auch gewerkschaftliche Einrichtungen sowie die Junge Linke, die sich zuletzt von den Grünen abgespalten haben, unterstützen das Wahlbündnis. Ihr gemeinsamer Wunsch ist es einen linkspolitischgesinnten Politikdiskurs zu entwickeln, die es in Österreich lange nicht mehr gibt.

Was sind Eure Forderungen?

Seit Jahren wird eine Politik betrieben, die nicht das Interesse des Gemeinwohls, der ArbeiterInnen und Angestellten, kurz jenen, die den Wohlstand in der Gesamtgesellschaft mit ihrer Arbeit und ihren sozialen Beiträgen schaffen, vertreten. Es wurde z.B. der Acht-Stundentag, welcher durch die ArbeiterInnen erkämpft und errungen wurden abgeschafft. Die ÖVP-FPÖ Regierung hat den 12-Stundentag gesetzlich eingeführt und diese von der Ausnahme zur Regel verabschiedet. Es können heute also DienstgeberInnen die DienstnehmerInnen dazu verpflichten 60 Stunden in der Woche zu arbeiten. Im Gegenteil dazu, treten wir für die radikale Arbeitszeitverkürzung ein. Die Einführung der 30-Stundenwoche wird heute in verschiedenen Regionen der Welt diskutiert und umgesetzt. Sie entspricht außerdem den Anforderungen der gegenwärtigen Welt und die Studien darüber liefern positive Ergebnisse.

Wir fordern Maßnahmen, die die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich sowie Frauen und Männer beenden sollen. Österreich ist ein reiches Land und dennoch leben über eine Million ÖsterreicherInnen an der Armutsgrenze. Die Einkommensschere zwischen den Einkommens-schwächeren und –stärkeren Schichten weitet sich immer mehr aus und nicht nur, dass die vergangene Regierung die Krankenkassen zu Ungunsten der Beschäftigten zusammengelegt hat, hat sie weiters das Budget für den Arbeitsmarktservice gekürzt sowie die Sozialleistungen runtergeschraubt. Menschen sollen somit mit EURO 885.- monatlich leben und einen Beispiel nimmt man sich an Hartz IV in Deutschland.

Die präkere Positionierung der Teilzeitarbeit ist ein weiteres Problem und es sind vor allem Frauen betroffen, die mit den Kinderbetreuungspflichten belastet sind. Am Ende sind es daher dann wieder die Frauen, die in der Pension um die Hälfte weniger Einkommen beziehen als Männer und somit armutsgefährdet sind. Wir brauchen daher mehr hochwertige und ganztägige Kinderbetreuungsplätze und bessere Bezahlung für PädagoInnen. Und nach wie vor wird Bildung vererbt und SchülerInnen, die aus nicht-akademischen Haushalten kommen, haben nicht die gleichen Voraussetzungen und Chancen am Arbeitsmarkt. Die Bildung gehört in jedem Fall reformiert und wir kennen gute Beispiele aus Deutschland und Schweden, die auch in Österreich umsetzungsfähig sein können.

Die gegenwärtige Politik lenkt von all diesen Herausforderungen, die die Gesamtgesellschaft betreffen ab und schürt Hetzpolitik rundum konstruierte Polarisierungen und Kategorisierungen entlang kultureller und religiöser Zugehörigkeiten. Wir verfolgen eine Politik, die nicht spaltet und im Sinne der Würde der Menschen agiert. Es ist nicht unser Ziel eine separate bzw. abgekapselte MigrantInnenpolitik zu betreiben und damit die künstliche Spaltung in der Gesellschaft weiter zu reproduzieren. Im Gegenteil auch die MigrantInnenpolitik werden wir aus der Perspektive der Produktionsverhältnisse angehen und auf die besondere Situation von MigrantInnen, Frauen und anderen Gruppen Rücksicht nehmen, die durch eine Politik, die die Gier der Wirtschaft zu stillen bemüht ist, an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden. Unsere Ausgangslage ist die Gleichberechtigung von Menschen, die in gleichen Lebensräumen zusammenleben!

Wohnen ist uns auch ein wichtiges Anliegen, zumal die Menschen heute mehr als einen Drittel ihres Haushaltseinkommens für die Bezahlung der Mieten aufgeben müssen. Der Wohnungsmarkt kann kein Spielplatz für SpekulantInnen werden! Wir legen einen großen Wert darauf, dass soziale und kommunale Wohnbauprojekte forciert werden und eine Mietzinsobergrenze gesetzlich eingeführt wird. Die Privatisierung von Gemeindebauwohnungen kommt dabei in keinem Fall in Frage!

Die Fragen und Herausforderungen zur Umwelt beschäftigt die Welt intensiv und spätestens jetzt, wo die Natur der Menschheit ihre Grenzen aufzeigt, führt kein Weg darüber vorbei, dass gemeinsame Handlungsmaßnahmen gesetzt werden müssen. Wichtig dabei ist, dass ehrliche Lösungen angestrebt werden, sodass nicht z.B. die ArbeiterInnen, die zur Arbeit pendeln müssen mit der Erhöhung der CO2-Steuer einen höheren Preis für ihren Treibstoff zahlen und damit noch mehr beteiligt werden müssen. Die größten Emissionsverursacher dieser Welt sind die großen Konzerne, die für über 70 Prozent der Umweltverschmutzung verantwortlich sind. Es müssen also die richtigen Verantwortlichen in die Pflicht genommen werden und dazu braucht es Mut und diese Mut haben wir!

Zum Schluss möchte ich noch anführen, dass dieses Wahlbündnis von verschiedenen Gruppen und AkteuerInnen getragen wird und wir sind bemüht mit einem möglichsten kleinsten gemeinsamen Nenner den Weg der Veränderung gemeinsam zu beschreiten und eine gesellschaftliche Selbstorganisierung von unten zu initiieren, denn es ist Zeit und das nicht nur in Österreich…

Close