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Newroz zeigt den Volkswillen zur Lösung

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Was macht ein 2600 Jahre altes Epos so aktuell? Die Antwort auf diese Frage liegt in einer Politik, die seit 90 Jahren auf der Leugnung des kurdischen Volkes und seinem jahrzehntelangen Kampf. Newroz steht für einen Tag, an dem sich das kurdische Volk zu Wort meldet und der seinen Kampf für seine Zukunft verkörpert. Weil dieser Kampf so aktuell wie nie zuvor ist, ist auch das Jahrtausende alte Epos so aktuell. Die Geschichte der Newroz-Feiern in den letzten 30 Jahren ist wie eine kurze Zusammenfassung des kurdischen Freiheitskampfes in diesen drei Jahrzehnten. Es beinhaltet brutalen Staatsterror sowie das Bezwingen des türkischen Staates zu einer Lösung der kurdischen Frage auf dem Verhandlungswege.

Das Newroz-Fest im vergangenen Jahr stand unter dem Zeichen des Waffenstillstands und der Einleitung einer neuen Ära, in der die „demokratische Politik“ im Vordergrund steht. Diese historische Wende kam nicht von ungefähr. Die Pläne der AKP-Regierung aus dem Jahre 2011, die Assad-Regierung zu stürzen, sahen zugleich vor, in Rojawa die Kurden daran zu hindern, ihre Zukunft aufzubauen. Die kurdische Freiheitsbewegung in der Türkei mit militärischen und politischen Operationen zu liquidieren, gehörte ebenfalls zu ihrem Plan. Allerdings ging er nicht auf. Aus den Bemühungen die Region neuzugestalten, hatten sich die Kurden in Rojawa herausgehalten und wurden damit zu einem wichtigen politischen Faktor, der das Gleichgewicht bestimmen kann. Die Gründung eines autonomen kurdischen Gebietes in Rojawa fand unter diesen Bedingungen statt. Die Politik der AKP verlor immer mehr an Umsetzbarkeit und scheiterte schließlich. Die Folge war die Aufnahme der Gespräche mit Öcalan Anfang 2013. Mit diesen Gesprächen versuchte die AKP Zeit zu gewinnen, um die Kurden als eine wichtige gegnerische Kraft auszuschalten. Andererseits versuchte sie, die PKK-nahe PYD in Rojawa zu entmachten. Zu diesem Zweck unterstützte sie Al-Qaida-Banden oder verstärkte ihre wirtschaftlich-politische Zusammenarbeit mit Barzani.

Die kurdische Bewegung hingegen war sich bewusst, dass es ihre im Zuge der Entwicklungen gewonnene Stärke und ihr Kampf waren, die die AKP-Regierung bzw. den türkischen Staat an den Verhandlungstisch zwangen. Die Aufnahme der Gespräche und der Einfluss von Öcalan auf Rojawa sorgten dafür, dass die Forderungen der Kurden im ganzen Land als legitim angesehen wurden. Auch die international anerkannten Errungenschaften in Rojawa waren aus Sicht der Kurden eine immens wichtige Entwicklung.
Es wurde bekannt, dass man plant, bei dem eingeleiteten Verhandlungsprozess gegenseitig Schritte zu unternehmen und mit der so genannten „Leiter-Strategie“ die einzelnen Sprossen nacheinander aufzusteigen. Allerdings geriet die Entwicklung bereits beim ersten Schritt ins Stocken. Nach der von der PKK beschlossenen Feuerpause lehnte es die AKP ab, eine gesetzliche Grundlage für den Abzug der bewaffneten PKK-Einheiten zu schaffen.

Die AKP war im Zuge der Entwicklungen in der Region immer mehr in die Ecke gedrängt worden. Ihr Spielraum wurde immer kleiner und ihre konkreten Schritte stellten immer mehr ein Hindernis für die Pläne der USA dar. Der größer werdende Verlust der Unterstützung des Westens machte im Inneren auch zahlreiche Demokratisierungsreformen notwendig, die nicht zur „Lösung“, sondern zur Sicherung ihrer eigenen Stellung dienten. Der Einsatz von Repressionen wurde immer stärker, der allerdings den Gezi-Widerstand hervorgerufen hat. In dieser Zeit erklärte sich die kurdische Bewegung zwar solidarisch mit dem Gezi-Widerstand. Sie blieb jedoch dem Widerstand fern, um den eingeleiteten Verhandlungsprozess nicht zu gefährden. Die Argumentation der AKP, die jegliche Opposition zu einer Gefahr und einem gegen den Lösungsprozess gerichteten Putschversuch erklärt, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie keine gesetzliche Grundlage für den laufenden Prozess geschaffen hat. Dies konnte nicht lange gut gehen. Nach dem Gezi-Widerstand und dem Korruptionsskandal vom 17. Dezember letzten Jahres verstärkte die AKP zwar die Repressionen. Allerdings wurde deutlich, dass sie das Land nicht so wie bis dato weiterregieren kann.

Das diesjährige Newroz-Fest wurde unter diesen Bedingungen begangen. Es herrschte ein gespanntes Klima und viele warteten auf die Antwort der Frage, wie der Lösungsprozess weitergehen wird. Die Grußbotschaften von Öcalan und dem KCK-Führer Cemil Bayik, die auf der zentralen Newroz-Feier in Amed vor über einer Mio. Teilnehmern verlesen wurden, machten zwei Aspekte deutlich. Bayik wies darauf hin, dass die AKP nicht mehr Interesse an einer demokratisch-politischen Lösung zeigt. Deshalb rief er die Völker zu einem gemeinsamen Kampf auf der Grundlage einer demokratischen Programmatik auf. Öcalan hingegen wies darauf hin, dass die AKP-Regierung in den letzten 12 Monaten zwar versucht hat, die Fortentwicklung des Prozesses aufzuhalten. Er machte aber auch deutlich, dass in diesem Stadium des Prozesses es unumgänglich ist, die rechtliche Grundlage für neue Entwicklungen zu schaffen. Denn nach seiner Ansicht ist der Verhandlungsprozess zugleich Prozess, bei dem nicht nur die AKP-Regierung, sondern auch der türkische Staat als Verhandlungspartner am Tisch sitzen muss. Während die KCK darauf hinwies, dass der Verhandlungsprozess auch einen Kampf beinhaltet, ergänzte Öcalan die Notwendigkeit, den Dialog fortzusetzen.

Die Teilnehmer der Newroz-Feier in Amed verfolgten diese Botschaften mit großem Interesse. Sie sind sich bewusst, dass die AKP-Regierung bzw. der türkische Staat nur zur Fortsetzung des Dialogs gezwungen werden, wenn sie ihren Druck aufrechterhalten. Deshalb war es wichtig zu unterstreichen, dass die Lösung der kurdischen Frage mit dem Aufbau einer demokratischen Zukunft eng verknüpft ist und dass die Völker der Türkei für dieses Ziel weiterhin gemeinsam kämpfen werden.

 

Yusuf KARATAŞ

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