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Nicht die Wahrheit zählt, sondern was nützlich ist

Im aktuellen Armuts – und Reichstumsbericht -vorgestellt von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD)-, nimmt die Bundesregierung selber in Auftrag gegebene Forschungsergebnisse anscheinend nicht so ernst. Dies zeigte sich darin, dass einige kritische Passagen des Originalberichts in einer überarbeiteten Version nicht mehr in dieser Form auftauchen oder gänzlich gestrichen wurden.

Der Armut- und Reichtumsbericht (ARB) der Bundesregierung wird alle vier Jahre veröffentlicht und soll, wie der Name es sagt, „fundierte Daten über Armut und Reichtum“ in Deutschland liefern. Auf der Seite des Bundes zum ARB heißt es: „Ziel des Berichts ist in letzter Konsequenz die Entwicklung von grundlegenden politischen Handlungsoptionen zur Vermeidung und Bekämpfung von Armut und Ungleichheit.“

Jedoch scheint die Bundesregierung die Ergebnisse der zur Erstellung des Berichts beauftragten Fachkräfte nicht ganz ernst zu nehmen. Zum ersten Mal sollte in dem neuen ARB, dessen Endfassung im Frühjahr 2017 vorgelegt werden soll, auch der Einfluss von Eliten auf politische Entscheidungen untersucht werden. Damit prahlte Andrea Nahles zu Beginn dieser Legislaturperiode. Nun ist der 600 Seiten dicke „Schinken“ in seiner Rohfassung da und wurde wieder einer Schönheitskorrektur unterzogen.

Mit der Erstellung einer Grundlage zum Themengebiet, des Einflusses von Eliten und Lobbyverbänden auf die Politik, wurde der Politikwissenschaftler Armin Schäfer beauftragt. Doch die Aussagen des Politikwissenschaftlers finden sich in der überarbeiteten Fassung des Berichts nicht in ihrer ursprünglichen Form wieder.

Kein Ausnahmefall

Es ist nicht unüblich, dass ein Bericht vor seiner endgültigen Veröffentlichung noch überarbeitet wird. Das ist eher die Regel, vor allem wenn es um einen Text diesen Ausmaßes geht, der angeblich auch die eigene Arbeit der Bundesregierung und die Politik an sich überprüfen und eventuelle Fehler aufdecken soll.

Anhand des ARB ist dies auch mehrmals dokumentiert worden. Der 4. Armuts – und Reichtumsbericht der Bundesregierung, der 2013 veröffentlicht wurde, wurde ebenfalls geschönt. Kritische Passagen wie „Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt“ wurden damals ganz gestrichen. Damals war es auch die sich noch in der Opposition befindende SPD, welche diese Umgestaltungsmaßnahmen kritisiert hatte.

Eine Umarbeitung ist insofern verständlich, jedoch nicht dadurch zu rechtfertigen, dass auch die Bundesregierung mit der Veröffentlichung dieses, oder eines ähnlichen Berichts, Interessen verfolgt, die es erfüllt sehen möchte. Zum einen möchte man ausdrücken, dass man sich der Entwicklung in Deutschland annehmen würde und die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich ein Thema ist, mit dem man sich beschäftige. Zum anderen möchte man, wie bei den Arbeitslosenstatistiken auch, durch eine Verdrehung der Tatsachen und dem Auslassen von Fakten, die Lage schöner darstellen, als sie es tatsächlich ist. Im Falle der Arbeitslosenzahlen werden beispielsweise Menschen, die arbeitslos sind aber gerade eine Weiterbildung machen, 1-Euro-Jobber, Aufstocker, die zwar arbeiten, aber nicht genug verdienen und deswegen auf staatliche Hilfen angewiesen sind oder Langzeitarbeitslose über 58 Jahren etc. nicht bei der Errechnung der Statistik berücksichtigt.

Was die Armen wollen, wird dagegen regelmäßig nicht umgesetzt

Seit 2014 ist Schäfer Professor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt „International Vergleichende Politische Ökonomie“ an der Universität Osnabrück und hat mit seinen Kolleginnen Lea Elsässer und Svenja Hense zusammen den Forschungsauftrag des Bundesarbeitsministeriums umgesetzt. Der 60-seitige Bericht wurde in der ersten Fassung des ARB auf neun Seiten und nach der Überarbeitung auf vier Seiten gekürzt, Dort erklären die Forscher, „dass es einen Zusammenhang zwischen der Einstellung von Bessergestellten und politischen Entscheidungen gibt.“ „Nicht untersucht haben wir – da dies nicht Teil unseres Forschungsauftrags war –, wie der von uns erstmals nachgewiesene Zusammenhang zustande kommt“, erläutert Schäfer auf seiner Webseite. Weiter heißt es: „Bei den mehr als 250 von uns untersuchten Sachfragen folgen politische Entscheidungen eindeutig den Präferenzen von Personen mit hohem Einkommen. Was die Armen wollen, wird dagegen regelmäßig nicht umgesetzt. Dieses Muster ist umso eindeutiger, je größer die Meinungsunterschiede zwischen diesen Gruppen sind.“

Eine Demokratie, die sich am Geldbeutel orientiert

Es ist öffentlich bekannt und geduldet, dass Interessen durch Lobbyarbeit durchgesetzt werden können. In Berlin betreiben deshalb tagtäglich Lobbyisten Werbearbeit für Konzerne und Organisationen, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Dazu sprechen sie Abgeordnete offen an, treffen sich mit ihnen, besprechen ihre Erwartungen und wieso sie diese umgesetzt haben wollen.

Zu diesem Zweck werden Geschenke gemacht oder gleich Zahlungen getätigt. Erst kürzlich wurde bekannt, dass für einen Betrag zwischen 3.000€ und 7.000€ Gespräche mit SPD-Ministern „gekauft“ werden können.

In diesem Kontext stehen auch Parteispenden durch Firmen, mit denen sich die Union und SPD vor allem zu Wahlkampfzeiten finanzieren. Es ist natürlich nicht bewiesen, dass mit diesen Zahlungen auch Forderungen zusammenhängen. Es ist jedoch erdenklich, dass die Parteien nach dem Willen dieser Sponsoren handeln werden, um diese nicht zu verärgern und weiterhin diese Zahlungen erhalten zu können. Beispielsweise spendete die Daimler AG im Jahr 2015 100.000€ jeweils an die SPD und an die CDU.

Schließlich ist auch der Wechsel vieler Politiker in die Industrie kritisch zu betrachten. Wer bereits an eine Beendigung seiner politischen Karriere denkt, könnte zugunsten voraussichtlicher zukünftiger Arbeitgeber handeln und entscheiden. Diese Wechsel sind über die Jahre immer wieder zu beobachten gewesen. Sie finden immer noch statt, obwohl eine gesetzliche Karenzzeit, also eine Wechselsperre von Politik zu Wirtschaft, eingeführt worden ist, die mit einem Jahr bei weitem nicht ausreichend ist.

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