Die Wochen sind verflogen und ein Ende der Zeit der Seminare, Vorlesungen, Referate, Klausuren und Hausarbeiten ist immer noch nicht in Sicht. Und vor allem die letzten Wochen sind kaum auszuhalten. Eine Klausur nach der anderen und schlaflose Nächte folgen täglichen Bibliotheksbesuchen. Nicht selten denkt man sich, warum ein Tag nicht 48 Stunden hat. Man kämpft stur gegen die biologischen Gegebenheiten des Körpers. Also sucht man die Lösung in chemischen und medizinischen Auswegen. Immer mehr Studenten entscheiden sich wohl dafür, verschiedene Mittel einzunehmen, um ihre geistige Leistungsfähigkeit zu steigern. Hirndoping oder in der Fachsprache kognitives Enhancement, scheint für viele die Lösung zu sein, um im Studium erfolgreich durchzukommen. Die neueste Studie der Uni Mainz zu diesem Thema spricht in ihrer Auswertung von einem Fünftel aller Studierenden, die im letzten Jahr mindestens einmal Medikamente, Drogen oder andere Mittel eingenommen haben. Dazu gehören unter anderem Koffeintabletten und Ritalin, eigentlich für Patienten mit ADHS, aber auch illegale Drogen wie Kokain und Amphetamine.
Laut der Studie neigen Männer mit 23,7 Prozent eher dazu, diese Mittel einzunehmen, als Frauen mit 16,7 Prozent. Unter den Studierenden liegt der Trend bei den Sportwissenschaftlern mit 25,4 Prozent am höchsten und bei den Sprach- und Erziehungswissenschaftlern mit 12,1 Prozent am niedrigsten. Über die regelmäßige Einnahme von leistungssteigernden Mitteln sagt die Studie jedoch nichts, es wurde lediglich gefragt, ob es innerhalb des letzten Jahres zur Einnahme von Medikamenten kam.
Nun darf man nicht in den Glauben fallen, dass Studierende sich einen Wissensboom durch die Zunahme dieser Mittel erhoffen. Ein Wundermittel sehen die wenigsten Studierenden in den Medikamenten oder Drogen. Eine Studie vom letzten Jahr hatte Studierende nach den Gründen der Nutzung befragt. Bei dieser stellte sich heraus, dass es den Studierenden nicht um die Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit ging, sondern eher um die Linderung von Nervosität, Lampenfieber und Schmerzen. So stellten die Forscher fest, dass 50% der „Doper“ sich nur beruhigen und ein Drittel der befragten Nutzer Schmerzen lindern wollten. Abgesehen davon weiß man nicht, ob und wie die Substanzen, die für Leistungsförderung eingenommen werden, genau wirken.
Dass aber Studierende wegen Nervosität, Lampenfieber oder kurz vor der Prüfung zu Medikamenten greifen, dürfte nicht allzu überraschend sein. Viele Studierende stehen während ihres ganzen Studiums unter enormen Leistungsdruck. Auch die Tatsache, dass viele nebenbei arbeiten müssen, um ihr Studium finanzieren zu können, ist ein extra Stressfaktor. Mit dem Bologna- Prozess wurden die meisten Studiengänge auf 6 Semester Regelstudienzeit gekürzt. Für die meisten ist es gar nicht möglich, in drei Jahren ein komplettes Studium abzuschließen. Nicht umsonst kleben an fast allen Uniwänden die Sticker „Nur Chuck Norris schafft den Bachelor in Regelstudienzeit“. Das liegt dann aber nicht nur an dem Studierenden selbst. Es gibt beispielsweise Pflichtveranstaltungen oder Prüfungen, die nur alle zwei Semester angeboten werden oder die nur in kleinen Gruppen durchgeführt werden. Wer da nicht reinkommt, hat erst mal Pech gehabt und darf warten. Teilweise „campieren“ die Studenten vor den Büros der Dozenten und Professoren, um zu den einzigen Auserwählten gehören zu können, die zur Prüfung zugelassen werden. So etwas kennt man eigentlich von Konzerten, damit man in der ersten Reihe stehen und vielleicht dem Superstar mal ganz nah sein kann. Dass das Studium kein Zuckerschlecken ist, zeigt die steigende Inanspruchnahme der psychologischen Betreuungsstellen an den Universitäten. Seit der Reformierung sei eine starke Zunahme der Besuche an den Beratungsstellen der Unis zu verzeichnen, daher könne eine Verbindung festgemacht werden, stellte das Deutsche Studentenwerk fest.
Bahar Güngör