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Regelanfrage aka Berufsverbot 2.0?

Sophie Ottersbach

Der Hamburger Senat plant die Einführung einer neuen Regelanfrage, die bereits zum 1. Januar 2026 in Kraft treten soll. Diese Gesetzesinitiative sieht vor, dass vor der Einstellung, Beförderung oder Versetzung von Beschäftigten eine Anfrage beim Verfassungsschutz zur Überprüfung der „Verfassungstreue“ der betreffenden Person, gestellt wird. Die Anfrage soll sowohl bereits bestehende Einträge zur Person abfragen, als auch potenzielle Zweifel hinsichtlich ihrer „Verfassungstreue“ prüfen. Ein solcher Kontrollvorgang ist in Hamburg bereits für städtisches Sicherheitspersonal, wie die Polizei, etabliert.

Das Novum? Die aktuelle Gesetzesinitiative beabsichtigt diese Regelanfrage auf den gesamten öffentlichen Dienst auszuweiten, was bisher nur anlassbezogen möglich war. In der Folge wären künftig im Grunde alle, die im öffentlichen Dienst beschäftigt werden, darunter Kita-, Krankenhauspersonal und viele weitere, davon betroffen.

Der Hamburger Senat argumentiert, dass dieser Schritt im Sinne des Schutzes der Demokratie, insbesondere als Maßnahme gegen Islamismus, notwendig sei. Praktisch birgt ein solches Gesetz der Regelanfrage jedoch insbesondere für linke und kritische Stimmen eine große Gefahr. Es befeuert eine Atmosphäre der Angst und des Generalverdachts, in der bereits zivilgesellschaftliches Engagement je nach Definition von „Verfassungstreue“ zu Nichteinstellungen führen kann.

Wer tatsächlich unter einer solchen staatlichen Überwachung und Kontrolle ins Visier des Verfassungsschutzes geraten kann, lässt sich mit Blick auf die Geschichte bereits ahnen. So traf der Radikalenerlass von 1972 in der Praxis fast ausschließlich Kommunisten, Linke und Gewerkschafter. Es kam zu konkreten Berufsverbots- und Disziplinarverfahren sowie Entlassungen von politisch Aktiven, die sich kritisch mit den gesellschaftlichen Entwicklungen und der Friedensfrage auseinandersetzten.

Die Vorahnung, welche Auswirkungen eine Ausweitung der Regelanfrage für alle Beschäftigten und Azubis im öffentlichen Dienst haben könnte, wird angesichts des Verfassungsschutzes, der durch ein solches Gesetz noch stärkere Machtbefugnisse erlangen würde, zunehmend düsterer. Denn es war eben dieser Verfassungsschutz, der mit seinen Strukturen in die rassistischen NSU-Morde verwickelt war und in jüngerer Zeit durch den Schutz rechter Strukturen auf sich aufmerksam gemacht hat. Als Deniz Çelik, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft, davor warnte, dass genau dieser Institution die Aufgabe zukäme, „Verfassungstreue“ zu definieren, antwortete diese mit einem Einschüchterungsversuch in Form einer Unterlassungserklärung. Unterstützt wurde der Verfassungsschutz in diesem Unterfangen von den Abgeordneten der CDU und der SPD. Das zeigt, wie kritische Stimmen in dieser Debatte zum Schweigen gebracht werden sollen und reiht sich in die allgemeine Entwicklung eines zunehmend autoritär werdenden Systems ein.

In Zeiten, in denen die Militarisierung steigt und bereits jetzt verstärkt Repression gegenüber palästinasolidarischen und in der Friedensbewegung aktiven Menschen zu beobachten sind, wird deutlich, wofür die neue Regelanfrage als weiteres Repressionsinstrument zukünftig auch genutzt werden kann.

Gleichzeitig formt sich gegen diesen eindeutigen Angriff auf freie Meinungsäußerung Widerstand. Hamburger Gewerkschaften und zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen haben sich zu einem Bündnis gegen Berufsverbote zusammengeschlossen und fordern die geplante Wiedereinführung dieser Regelanfrage, sprich staatliche Berufsverbote, zurückzunehmen.

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