Written by 11:37 DEUTSCH, TÜRKEI

Renault-Türkei: Der Arbeitskampf spitzt sich zu!

Aufgrund der Rekordeinnahmen bei Renault in der Türkei fordern die Beschäftigten nunmehr einen Lohnzuwachs von umgerechnet 1 € mehr pro Stunde. Deshalb hatten sie mehrere Aktionen durchgeführt (Yeni Haya –  Neues Leben berichtete). Wegen diesen Streik-Aktionen sind in jüngster Vergangenheit  94 Autos weniger produziert worden. Dies hat die Führungsriege von Renault dann dazu bewegt, 10 Arbeiter zu entlassen.

Arbeitskampf innerhalb und außerhalb

Die Entlassung der 10 Kollegen brachte bei der Belegschaft das Fass erneut zum Überlaufen. So legten die Arbeiter der A-Schicht (Frühschicht) Anfang März ihre Arbeit nieder. Unterstützung kam dann von der B- und C- Schicht. So versammelten sich Kollegen aller Schichten draußen vor dem Werksgelände und bekundeten ihre Solidarität mit den entlassenen Kollegen und den Kollegen von der Frühschicht. Der Arbeitskampf entfachte sich damit sowohl innerhalb als auch außerhalb des Fabrikgeländes. Bei diesem Arbeitskampf geht es aber weit mehr als um den Lohnzuwachs und die 10 Arbeitsplätze. Die Beschäftigten sind mit einem viel größeren Problem konfrontiert; nämlich der Arbeitsverdichtung. Das Hochschrauben der Produktion bei Verringerung der Beschäftigtenzahl geht zu Lasten der Gesundheit der übrigen Beschäftigten. Die Arbeiter berichten, dass mehr als 150 Arbeiter Bandscheibenvorfälle sowie Gelenkbeschwerden haben und trotz dessen im hohen Arbeitstempo weiterarbeiten müssen.

Angriff auf die Arbeiter

Sodann rückte die Polizei an und erteilte den Arbeitern einen Platzverweis. Diese zeigten sich jedoch unbeeindruckt und aus Protest legten sie sich auf die Straße und blockierten damit den gesamten Verkehr. Daraufhin setzten die Einsatzkräfte Tränengas und Schlagstöcke ein. 15 Menschen wurden in Gewahrsam genommen. Ihnen droht der Prozess und sogar Gefängnisstrafen. Mehrere Kollegen wurden mit Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Während die Polizei außerhalb des Werksgeländes mit Gewalt versuchte, den Willen der Arbeiter zu brechen, versuchte es das Renault-Management innerhalb der eigenen Firmenwände. So ordneten sie die Schließung der Kantine an, damit die streikenden Arbeiter nicht versorgt werden konnten. Doch die Streikenden zeigten sich unbeeindruckt und antworteten mit „Für uns gibt es den Tod, aber keine Rückkehr“.  Ferner zieht der türkische Arbeitgeberverband der Metallindustrie, MESS, alle schmutzigen Register und bittet einige Minister der AKP-Regierung darum, sich einzuschalten.

Die Welle an Solidarität entfacht

Kaum haben die übrigen Beschäftigten aus den übrigen Fabriken und Wirtschaftsbranchen vom erneuten Arbeitskampf der Renault-Arbeiter erfahren, zeigten sie Solidarität mit diesen. So legten auch die im Umfeld beschäftigten Arbeiter ihre Arbeit nieder und eilten den Kollegen zur Unterstützung. Die Arbeiter bekundeten, dass dieser Kampf der Renault-Beschäftigten der Arbeitskampf  aller Beschäftigten aller Branchen sei. Weiterhin bekundeten die Metallarbeiter in der türkischen Kleinstadt Eskisehir ihre Solidarität, während ihres Warnstreiks gegen Leiharbeit und die Streichung des gesetzlichen Rechts auf Abfindung.  Viele andere Beschäftigte und GewerkschafterInnen taten dem Gleich.

Aufruf zum gemeinsamen Kampf

Die zuständige Gewerkschaft, Vereinte Metallarbeit Gewerkschaft (Birlesik Metal Is Sedikasi =BMI) legte den Arbeitern nahe, sich auf den juristischen Weg zu wehren. Die Arbeiter hingegen wollen sich ihre kämpferische Haltung nicht nehmen lassen und sind entschlossen. Die Gewerkschaft hat bisher auch nicht den offiziellen Streik ausgerufen. Dies wiederum stößt bei den Arbeitern auf Enttäuschung und Unverständnis. Die Arbeiter fühlen sich von ihrer Gewerkschaft im Stich gelassen.

Und die Moral von der Geschicht`?

Die Renault-Beschäftigten sind das beste Beispiel für die Solidarität unter den Beschäftigten selber. Ohne Ausgrenzungen nach kultureller oder religiöser Herkunft zu machen, haben sich alle Beschäftigten zusammengetan und fordern die Wiedereinstellung der Kollegen, sowie den Lohnzuwachs. Das ist nicht nur eine lobenswerte Haltung, sondern auch gleichzeitig eine sehr fortschrittliche. Und dies alles geschieht, ohne dass eine Gewerkschaft die Belegschaft organisiert. Mit diesem Arbeitskampf zeigen die Beschäftigten, zu was sie fähig sind und verdeutlichen, dass sie keine Stellvertreter brauchen, die für sie die Angelegenheiten regeln. Bereits jetzt haben sie einen wichtigen Etappensieg errungen. Denn dieser Arbeitskampf ist ein großer Schlag der Beschäftigten ins Gesicht der Unternehmensführung. Denn die Führungsriege wird darin belehrt, doch nicht alles tun und lassen zu können, was sie wollen. Und nunmehr greifen sie als schlechte Verlierer zu rabiaten und unfairen Mitteln, wie der Zwangsräumung durch die Polizei und dem Schließen der Kantine.

Aus der Solidarität zum einheitlichen Arbeitskampf

Der Kampf der Renault-Arbeiter hat vor allem in den letzten Tagen gezeigt, dass dieser Arbeitskampf nicht nur der Kampf der Renault-Beschäftigten ist, sondern der Arbeiterinnen und Arbeiter in ihrer Gesamtheit. Denn alle unmittelbar und mittelbar Beteiligten starren auf diesen Arbeitskampf und verfolgen mit großem Interesse dessen Ausgang. Die anschließenden Gewinner- und Verliererparteien werden entscheiden, wie sich die Arbeitsverhältnisse in Zukunft gestalten werden. Sollten die Aufstände der Beschäftigten erfolgreich zerschlagen werden, blüht der Gesamtheit der Beschäftigten nichts Gutes. Daher wird das Bekunden der Solidarität der Beschäftigten und GewerkschafterInnen nicht ausreichen. Die Beschäftigten aller Branchen, samt den Gewerkschaften werden gehalten sein, in Zukunft ihren Arbeitskampf aktiv und gegenseitig zu unterstützen. Es gibt nämlich keine andere Lösung. Denn auf Seiten der Arbeitgeber wird genauso verfahren. Nachdem MESS erkannt hat, dass die Renault-Leitung das Problem nicht lösen wird, versucht es das „Problem Renault“  zur Chefsache der Politik zu machen. Und da die Arbeiterinnen und Arbeiter keine gewaltigen wirtschaftlichen und politischen Mächte hinter sich haben, werden sie gezwungen sein, in Zukunft sich aktiv in den Arbeitskämpfen gegenseitig und branchenübergreifend zu unterstützen.

Onur Kodas

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