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RSF-Bericht 2025: Gewalt gegen Journalisten verdoppelt!

Sezen Dinc

Im Jahr 2024 dokumentierte Reporter ohne Grenzen (RSF) insgesamt 89 bestätigte Angriffe auf Journalisten – mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr mit 41 Fällen. Damit wurde der zweithöchste Wert seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2015 erreicht.

RSF veröffentlicht jährlich den Bericht „Nahaufnahme – Zur Lage der Pressefreiheit in Deutschland“, um auf die wachsende Gefährdung von Medienschaffenden, besonders bei Demonstrationen, aufmerksam zu machen. 2024 gingen 123 Hinweise auf Gewalt ein, von denen viele jedoch mangels Zeugen nicht verifiziert werden konnten. Auch Sachbeschädigungen an Redaktionsgebäuden wurden erfasst. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen.

Angriffe auf Journalisten im Jahr 2024

Der Großteil der Angriffe – insgesamt 75 – bestand aus körperlicher Gewalt wie Tritten, Stößen oder dem Bewerfen mit Gegenständen. Besonders auffällig war, dass 38 der körperlichen Übergriffe bei Nahost-Demonstrationen in Berlin stattfanden. Aber auch außerhalb der Hauptstadt sind Journalisten gefährdet, insbesondere bei der Berichterstattung über rechtsextreme und verschwörungsideologische Veranstaltungen. 2024 wurden in diesem Zusammenhang 21 Angriffe registriert, wobei RSF von einer erheblichen Dunkelziffer ausgeht.

Nahost-Berichtserstattung unter Druck

Diese Zahlen spiegeln einen breiteren Trend wider, bei dem Journalisten zunehmend mit Pressefeindlichkeit und einem eingeschränkten Verständnis von Pressefreiheit konfrontiert sind. Besonders in der politischen Berichterstattung wird die Unabhängigkeit der Medien zunehmend infrage gestellt. Ein markantes Beispiel war der Druck auf die Berichterstattung über den Palästina-Israel-Konflikt nach dem 7. Oktober 2023. Auslandskorrespondenten berichteten von langen Aushandlungsprozessen bei der Wahl von Begriffen zur israelischen Kriegsführung. Einschätzungen palästinensischer Quellen und unabhängiger Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch oder der Vereinten Nationen unterlagen häufig einer intensiveren Prüfung als offizielle Angaben des israelischen Militärs. Journalisten beklagten auch eine zunehmende Unsicherheit in den Redaktionen, da aus Angst vor Vorwürfen des „israelbezogenen Antisemitismus“ bestimmte Themen aus dem Bericht ausgeschlossen wurden. Dies wurde zusätzlich durch Interventionen der israelischen Botschaft und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, etwa in Form von Beschwerden bei Chefredaktionen großer Medienhäuser, verstärkt.

Immer weniger Lokalzeitungen

Trotz der nach wie vor hohen Medienvielfalt in Deutschland zeigen sich besonders auf regionaler Ebene problematische Entwicklungen. Immer mehr Landkreise haben nur noch ein einziges lokales Zeitungsangebot. Dies ist vor allem auf den wirtschaftlichen Druck zurückzuführen, wodurch lokale Inhalte häufig durch überregionale Beiträge ersetzt werden. Gleichzeitig wächst die Marktkonzentration, da große Medienhäuser kleinere Titel übernehmen oder die Inhalte mehrerer Zeitungen in zentralen Redaktionen bündeln. Kritiker, darunter RSF, sehen hierin eine zunehmende Monopolisierung des Informationsangebots, die nicht nur die journalistische Vielfalt gefährdet, sondern auch die demokratische Kontrolle auf lokaler Ebene beeinträchtigen könnte. Wenn unabhängige Stimmen verschwinden, fehlt es an der nötigen journalistischen Beobachtung und damit an öffentlicher Rechenschaft.

Überwachung und gescheiterte Reformen

Die Pressefreiheit in Deutschland steht zunehmend unter Druck. Im Oktober 2024 erklärte das Bundesverfassungsgericht Teile der BND-Fernmeldeüberwachung für verfassungswidrig, nachdem auch Journalisten abgehört wurden. RSF legte daraufhin Verfassungsbeschwerde ein. Weitere geplante Verschärfungen der Telekommunikationsüberwachung und die Vorratsdatenspeicherung scheiterten aufgrund von Uneinigkeiten innerhalb der Ampelkoalition, ebenso wie das „Sicherheitspaket“ mit biometrischen Identifizierungsverfahren, gegen das sich zivilgesellschaftliche Organisationen ausgesprochen hatten.

Auf EU-Ebene gelang es der Zivilgesellschaft, die Einführung der „Chatkontrolle“ zu verhindern, die Internetdienste zur Überwachung ihrer Nutzer verpflichtet hätte. Zugleich blieben jedoch auch Gesetzesvorhaben, die die Pressefreiheit hätten stärken können, wie das Gesetz gegen digitale Gewalt und die steuerliche Förderung gemeinnütziger Medien, unerledigt.

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