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Schwarz, Frau, Kommunistin – Angela Davis

Dilan Baran

Am 13. Oktober 1970 jährte sich die Verhaftung und Verurteilung von Angela Davis, Aktivistin der schwarzen Bevölkerung in den USA, zum 50. Mal.

Davis kam 1944 in Alabama als Tochter eines Tankstellenbesitzers und einer Lehrerin auf die Welt. Mit dem Problem des Rassenkonflikts wurde die Afroamerikanerin schon früh konfrontiert, als etwa in ihrem Viertel mehrere Angriffe, bekannt als „Dynamite Hill“, von Ku-Klux-Klan-Anhängern auf schwarze Menschen verübt werden. Davis hat aber Glück und bekommt eine seltene Chance für schwarze Kinder aus ihrem Viertel. Als 15-Jährige bekommt sie ein Stipendium für eine Privatschule in New York, auch bekannt als Little Red School House. Hier kommt sie zum ersten Mal mit dem Marxismus in Berührung und schließt sich dem kommunistischen Zirkel an ihrer Schule an. Ab 1961 studierte sie in Massachusetts französische Literatur, ein Jahr später ebenso in Frankreich an der Sorbonne. An der Brandeis University besucht Davis Vorlesungen von Herbert Marcuse. Auf seine Vermittlung studiert sie ab 1965 in Frankfurt (Main) Philosophie und Soziologie, unter anderem bei Theodor W. Adorno und Max Horkheimer. In Frankfurt schließt sie sich außerdem dem SDS an und nimmt an Protestaktionen gegen den Vietnamkrieg teil. Schließlich folgt Davis Marcuse an die University of California und schließt dort ihren Masterstudiengang ab. Vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Kämpfe der schwarzen Bürgerrechtsbewegung wird sie kurzzeitig Mitglied der Black Panther Party. Im Juni 1968 wird sie jedoch Mitglied im Che-Lumumba-Club, einem Kreis afroamerikanischer Mitglieder der Kommunistischen Partei der USA (CPUSA). Ende der 1960er bekommt sie eine Stelle als Dozentin an der Universität von Los Angeles. Doch die junge Professorin wird von einem verdeckten FBI-Studenten als Kommunistin enttarnt. Als ihre Parteizugehörigkeit auffliegt, wird ihr Vertrag nicht verlängert. Mehr noch: Sie wird auf die Liste der zehn meistgesuchten „Terroristen“ des FBI gesetzt. Einige Wochen später wird sie verhaftet, weil sie sich für die Freilassung von schwarzen Gefangenen – bekannt als „Soledad Brothers“ – einsetzt. Unter ihnen George Jackson. Sein Bruder Jonathan liefert sich im August 1970 bei einem missglückten Befreiungsversuch in einem Gerichtssaal eine Schießerei mit der Polizei, bei der vier Menschen getötet werden. Davis wird vorgeworfen, die Waffe für diesen Überfall besorgt zu haben, da diese auf ihren Namen gekauft worden war. Das FBI startet eine Großfahndung – mit Erfolg. Davis wird verhaftet und sogar der damalige Präsident der USA, Richard Nixon, gratuliert dem FBI zur „Verhaftung der gefährlichen Terroristin Angela Davis.“ Wegen des Vorwurfs der „Unterstützung des Terrorismus“ droht der damals 25jährigen Davis die Todesstrafe. Gegen ihre Verhaftung entwickelte sich eine über die Grenzen der Vereinigten Staaten hinausreichende Welle des öffentlichen Protests. Tausende Menschen schicken ihr aus der DDR unter dem Motto „Eine Million Rosen für Angela Davis“ Postkarten mit Rosen ins Gefängnis. In einem Interview aus dem Gefängnis antwortet Davis auf die Frage, ob sie Gewalt befürworte:

„Die Art und Weise, wie unsere Gesellschaft organisiert ist und wegen der Gewalt, die an jeder ihrer Oberflächen zum Vorschein tritt, muss man damit rechnen, dass es zu gewaltvollen Ausbrüchen kommt… Wenn Sie eine schwarze Person sind, die ihr ganzes Leben in der schwarzen Gemeinschaft lebt, umgeben von bewaffneten weißen Polizisten, dann […] und Sie fragen dann MICH, ob ich Gewalt gutheiße… Das macht überhaupt keinen Sinn, egal ob ich Waffen gutheiße. Ich bin in Burmingham Alabama aufgewachsen. Einige sehr sehr gute Freunde von mir wurden durch Bomben getötet. Bomben, die von Rassisten gepflanzt wurden. Ich erinnere mich an die Zeit, als ich noch sehr klein war. Ich erinnere mich an das Geräusch von Bomben, die auf der anderen Straßenseite explodierten und unser Haus zitterte. Ich erinnere mich, dass mein Vater immer Waffen bereit hatte, weil wir jeden Moment damit rechnen konnten, angegriffen zu werden. Der Mann, der zu dieser Zeit die vollständige Kontrolle über die Stadtregierung hatte, hieß Bill Corner, war oft in Radiosendungen und machte Aussagen wie: Niggas sind in eine weiße Nachbarschaft gezogen, wir erwarten, dass es heute Abend zu Blutvergießen kommen wird, und du konntest sicher sein, dass dies der Fall wurde.
Nachdem die vier jungen Mädchen (die Davis persönlich kannte und die bei einem Bombenangriff auf die 16 Street Baptist Church in ihrer Nachbarschaft ums Leben kamen) […] Was haben sie gefunden? Sie fanden überall Gliedmaßen und Köpfe verstreut. Danach mussten die Männer mit ihren Waffen jede Nacht unser Viertel bewachen. […] Ich meine, wenn Sie deshalb mich nach Gewalt fragen Sir, dann… finde ich es einfach unglaublich denn was es bedeutet, ist, dass die Person, die diese Frage stellt, absolut keine Idee davon hat, was Schwarze durchgemacht haben, was Schwarze in diesem Land erlebt haben seit der Zeit, in der die erste schwarze Person aus Afrika entführt wurde.“ (In: The Black Power Mixtape 1967-1975 von Göran Olsson, 2011)

Die Aktionen der Solidarität mit Angela Davis bringen der Situation der schwarzen Bevölkerung viel Aufmerksamkeit und fruchteten in ihrer Intention in Bezug auf ihre Strafe: Am 4. Juni 1972 wird Angela Davis von der Anklage der kriminellen Verschwörung, das Kidnapping und des Mordes freigesprochen.

50 Jahre nach ihrer Festnahme demonstrieren erneut Menschen in den USA und weltweit gegen Rassismus, Unterdrückung und Gewalt an der schwarzen Bevölkerung. Seit dem Tod von George Floyd haben die Proteste gegen die Diskriminierung eine neue Intensität erreicht. Nicht nur White Supremacists radikalisieren sich, auch Afroamerikaner bilden Milizen. So etwa die NFAC, eine bewaffnete Einheit schwarzer Amerikaner, die „Not Fucking Around Coalition“. „Die NFAC ist eine Antwort, nicht der Ursprung. Wir spiegeln unsere Umwelt wider“, sagt Gründer Grand Master Jay Anfang Oktober einem Reporterteam von ntv und erinnert an die Antwort von Davis damals. In diese Zeit zurück versetzt fühlen sich anscheinend auch viele schwarze Amerikaner. „Der Zustand unseres Landes ist erbärmlich“, sagt Grandmaster Jay weiter; „wir sind rückwärts gegangen, zurück in die 60er Jahre“.

Hunderte Milizen, allerdings von Weißen dominiert, soll es laut Schätzungen in den USA geben. Sie bewegen sich am rechten politischen Rand und wollen ihre „Freiheiten“ gegenüber der Corona-Diktatur verteidigen oder ihre „White Supremacy“, eine Vorherrschaft von Weißen.

Erschreckende Entwicklungen, keineswegs aber überraschend. Seit den 60er Jahren hat es keine Grundlegenden systemischen Umwälzungen oder Reformen gegeben. 5 Jahrzehnte und zwei Wirtschaftskrisen später hat die eine erneute erst beginnende Wirtschaftskrise und die Corona-Pandemie Millionen Menschen existenziell bis tödlich getroffen. Überdurchschnittlich viele schwarze Amerikaner sterben an den Folgen des Coronavirus. Die Ungleichheit und Spaltung im Land ist deutlicher als jemals zuvor offengelegt. Die Stimmung ist angespannt und aufgeheitzt. Die Stimmung nutzt Präsident Trump für sich, in gewöhnlicher Tradition von Jemandem, dessen gewaltvolle Unterdrückungs-, Diskriminierungs- und Ausbeuterpolitik in allzu vielen und starken gesellschaftlichen Widersprüchen zum Vorschein tritt. Auch die Ikone der 70er Jahre Angela Davis sagt, sie habe damals zu früh aufgehört. Der systemische Rassismus sei viel schlimmer geworden. Sie hoffe darauf, dass die Jugend mit einem neuen Schwung zu Ende bringt, was ihre Generation angefangen habe.

Die aktuelle Gültigkeit der Forderungen und Proteste von damals ruft auch in Deutschland vielen die Erinnerung an Angela Davis hervor. Eine aktuelle Ausstellung in Dresden widmet sich der Intellektuellen und rückt in Fotografien, Videos, Skulpturen, Klanginstallationen und Konzeptarbeiten das Engagement von Angela Davis noch einmal in den Fokus. Die Ausstellung „1 Million Rosen für Angela Davis“ ist noch bis zum 24.01.2021 in der Dresdner Kunsthalle im Lipsiusbau zu sehen.

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