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Soll das Kreuz nun an die Wand?

Sinan Cokdegerli

Es ist Wahlkampf in Bayern und somit auch die Zeit des Populismus und der geschwungenen Reden, teilweise und oft auch der Hetze. In diese Zeit des Wahlkampfes werden mehrere Themen hineinforciert. Dazu zählen Gesetzesverschärfungen und – Novellen wie die sog. PKHG und PAG, sowie der neue „Kreuz – Erlass“.

Seit 1945, Ende des Krieges führt die Christlich Soziale Union in Bayern (CSU) einen erbitterten Kampf nach Innen und nach Außen, in dem sie versucht, die Einheit zwischen Religion und Staat zu vertreten und zu befestigen. Dabei spielt die Religion auch hier nur die Rolle, die Machtverhältnisse zu sichern.

Besonders makaber ist der Zeitraum für den sogenannten Kreuz-Erlass. Die CSU versucht vor großen und wichtigen Wahlenimmer wieder mit neuen Gesetzesvorhaben, die besonders umstritten und provokativ sind, Stimmen aus dem rechten und erzkonservativen Lager einzufangen. In den letzten Monaten prescht der neue Ministerpräsident weit vor, eventuell auch aus einem Bedürfnis, sich beweisen zu müssen, indem er gleich mehrere Gesetzesverschärfungen vorantreibt.

Nur Wahlkampfstrategie?

Das „Psychisch Kranken Hilfegesetz“, die Novellierung des „Polizeiaufgabengesetzes“ und der Kreuz – Erlass sind zweifellos Aspekte eines geführten Wahlkampfes, um auf Stimmenverluste zur Alternative für Deutschland (AfD) zu reagieren. Markus Söder handelt hier ganz nach dem Vorbild seines Idols Franz Josef Strauß. Strauß Dogma „Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitime Partei geben“ ist seit Jahren der Programmmittelpunkt der CSU Linie. Dabei benutzt die CSU, die den Rechtspopulismus lange vor der AfD verinnerlicht hat, die rechten Strömungen, um die eigenen ideologischen Ziele durchzusetzen. Sei es die Leitkulturdebatte rund um das Integrationsgesetz, die Linksextremendebatte rund um das Polizeiaufgabengesetz oder nun der Kreuz-Erlass.

Jesus Christus an der Wand, wer ist der konservativste im ganzen Land?

Im Rahmen dieser Gestaltungspolitik, mit der man versucht, erzkonservative Werte mit Gesetzen zu verfestigen, kommt nun auch dieser Erlass ins Spiel. Die CSU vesucht bereits seit Beginn ihrer Geschichte christliche Werte und die biblische Weltanschauung, nach den eigenen Vorlieben und dem eigenen neoliberalen und wirtschaftsorientierten Verständnis, in die Gesellschaft zu tragen.

Aktuell entbrennt eine riesige Debatte um dieses Thema herum, in die sich auch eine andere Debatte hineinschleicht. Das dies geschehen würde, ist von Anfang an klar zu deuten, sogar sicherlich gewollt gewesen. Die Diskussion um die Religion allgemein, Religionsfreiheit und welche Religion ist die Religion Bayerns und ähnliche Themen, werden nun aktiv von allen Seiten geführt. Konsens in Medien und Politik scheint zu sein, dass man Religion gar nicht erst anzweifelt. Vergessen wird, dass Kritik an Religionen, egal welcher Religion, genauso legitim ist, wie die Kritik an allen anderen Weltanschauungen auch. Solange sie nicht dazu benutzt wird Ausgrenzung zu schüren, solange diese Kritik wirklich konstruktiv ist, ist sie auch förderlich für die gesellschaftliche Entwicklung. Doch aus allen Richtungen wird diese Debatte leider dazu benutzt, gegen diese oder jene Gottheit und Religion oder die „heilige Schrift“ irgendeiner Religion zu hetzen.

In der gesamten Debatte wagt es kaum jemand, in der jetzigen Zeit die klare Trennung zwischen Staat und Religion zu fordern. In der jetzigen Lage Bayerns scheint jede politische Partei diesen Diskurs zu meiden, vielen, so scheint es, kommt diese Möglichkeit nicht einmal in den Sinn. Völlige Trennung zwischen Religion und Staat? Kein Religionsunterricht in den Schulen und das in einem Bundesland, in dem eine Partei die Absolute Mehrheit besitzt, die bereits im Namen die Religion trägt? Dann soll man auch noch gegen das Kreuz sein, das Symbol des Christentums? Man fürchtet sich regelrecht vor der Debatte, ein laizistisches System zu fordern, weil sonst die AfD und die CSU ihre Hetze vertiefen könnten.

Doch wie weit soll das eigentlich noch gehen, sich von Debatten zu entfernen, weil man diese oder jene Bewegung nicht befeuern möchte. Eine ähnliche Debatte könnte man momentan in Nordrhein Westfalen führen. Dort ist vor Wochen das Thema um das Kopftuch wieder entflammt und wird in eine ganz andere Richtung geführt. Sollen Frauen Kopftücher tragen oder nicht und kann man zumindest indem man das in der Schule für junge Mädchen verbietet das eindämmen? Die Diskussion über Kopftücher, genauso wie die Debatte um viele andere Richtlinien und Gebote der Weltreligionen ist natürlich eine sehr wichtige, jedoch ist der Rahmen, in dem man das instrumentalisiert und führt lediglich darauf ausgerichtet, eigene Parolen in die Welt hinauszuschreien, statt eine Entwicklung zu bewirken. Stattdessen möchte jeder beweisen, wie wichtig das Kreuz für die Gesellschaft ist und wie schädlich Kopftücher sind.

Gen Himmel, Hölle, oder sonstwohin?

Wichtiger als die Frage, ob Kardinal Marx das jetzt befürwortet oder kritisiert, ist also die gesellschaftliche Herangehensweise und die Stellung zu Religionen und die Zusammengehörigkeit zwischen Religion und Staat. Welches Recht hat die CSU, zu fordern, dass in jede Behörde nun ein Kreuz gehängt werden soll, wenn in diese Behörden auch andersgläubige Menschen kommen und dort sogar arbeiten? Dabei ist hier die Rede nicht aus juristischer Sicht gestellt, sondern aus einer gesellschaftlichen. Sollen wir nun fordern, dass alle Religionssymbole dort hängen sollen, wenn ja welche genau? Was ist eine Religion in der Vielfalt der religiösen Ausrichtungen, welche nicht?

Stattdessen braucht es eine vollkommene Trennung zwischen Staat und Religion, sei es in den Schulen oder in den Behörden. Zum einen um der Instrumentalisierung der Religion durch den Staat entgegenzuwirken, zum anderen um eine gesellschaftliche Entwicklung in die Zukunft zu bewirken und die Bildung kritisch, in Hinsicht auf alle Religionen und die historische Entwicklung der Gesellschaft, leisten zu können.

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