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Sorgerecht von Vergewaltigern

Ali Candemir

Die USA sind bekannt für absurde Gesetze. Fast jeder kennt ein besonders verrücktes amerikanisches Gesetz, von dem er in geselliger Runde erzählen könnte.

Frauen in Vermont benötigen beispielsweise eine Erlaubnis ihrer Ehemänner, um sich künstliche Zähne machen zu lassen. Die meisten dieser kuriosen Gesetze sind uralt und spielen in der Rechtspraxis keine Rolle. Aber noch heute gibt es einige Rechtspraktiken, die hierzulande für Unverständnis sorgen. Gesetze sollen ein Rechtsgut schützen. Zum Beispiel die Unversehrtheit jedes Einzelnen oder die Rechte von Arbeitern. Sie spiegeln aber auch gesellschaftliche Verhältnisse wieder. Und manchmal sind die gesellschaftlichen Verhältnisse eben veraltet.

In Nebraska, so wie in mehr als der Hälfte aller amerikanischen Bundesstaaten, können Vergewaltiger ihre Vaterschaftsrechte weiterhin ausüben. Selbst wenn das Kind als Folge einer Vergewaltigung auf die Welt kam. Praktisch bedeutet das, dass ein Vergewaltiger das Kind seines Opfers besuchen darf und sogar mit nach Hause nehmen darf. Dieses Schicksal erleidet auch die 22-jährige Nancy, die mit 18 Jahren von einem Arbeitskollegen vergewaltigt und daraufhin schwanger wurde.

Im Normalfall verwirken verurteilte Vergewaltiger ihre Vaterschaftsrechte und somit das Sorgerecht für ihre Kinder. Doch in fast 97 Prozent aller Fälle werden Deals zwischen Staatsanwaltschaft und Tätern geschlossen. Geständnis gegen Schulderleichterung. So wird aus einer Vergewaltigung eine sexuelle Nötigung. Der Staat spart sich Geld und Zeit, der Täter kommt mit einer niedrigeren Strafe davon. In den Fällen von Vergewaltigungen mit Schwangerschaftsfolge kommt es zu weitreichenden Folgen für das Opfer. Wenn nämlich das Vergewaltigungsopfer Sozialleistungen für das Kind beantragen will, muss der Name des Vaters angegeben werden. Vom Vater des Kindes treibt der Staat nun das Geld für den Unterhalt des Kindes ein. Das Gesetz ermöglicht den Tätern es nun an dieser Stelle regelmäßige Besuche des Kindes zu fordern. Das Kind und die Mutter werden somit zu regelmäßigem Kontakt zu ihrem Peiniger gezwungen.

Dieser Fall scheint kein Einzelfall zu sein. Jährlich werden in den USA etwa 32 000 Frauen in Folge einer Vergewaltigung schwanger. Etwa knapp ein Drittel bis die Hälfte der Frauen bringen die Kinder zur Welt. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Denn nur etwa 19 % aller Vergewaltigungen werden von den Frauen angezeigt. Sie fürchten den Kontakt mit den Tätern vor Gericht. Durch die absurde Regelung der Deals zwischen Staatanwaltschaft und Tätern, wird das Wohl der Mutter und des Kindes missachtet. Auch das wäre ein zu schützendes Rechtsgut, das auch noch höher wiegt.

In Deutschland wurde unterdessen ein wegweisendes Grundsatzurteil zum Sorgerecht für Trennungskinder gesprochen. Nun können Erziehungsberechtigte selbst gegen den Willen des anderen Elternteils eine gleichberechtigte Betreuung durchsetzen. Laut der Rechte soll explizit das Recht der Kinder gestärkt werden. Ebenso soll berücksichtigt werden, dass elterliche Konfliktbelastung besteht. Zustände wie die von Nancy wären nicht möglich.

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