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Streik in Frankreich

Alev Bahadır

Am 19. Januar herrschte Stillstand in großen Teilen Frankreichs. Die acht größten Gewerkschaften hatten zum Streik ausgerufen, Tausende sind dem Ruf gefolgt. Der Grund ist die geplante Rentenreform von Präsident Macron.

Worum geht es?

Die  französische Regierung plant eine Rentenreform, die bei großen Teilen der Bevölkerung auf Ablehnung stößt. Dabei soll das Renteneintrittsalter von 62 auf 64 Jahre angehoben werden, doch das allein ist nicht der einzige Grund für Protest. Neben der Abschaffung von Einzelsystemen für bestimmte Berufsgruppen, geht es allen voran um die nötige Zahl von Einzahlungsjahren. Denn tatsächlich gehen auch derzeit die wenigsten mit 62 in Rente, weil sie nicht genug Jahre in die Rentenkassen eingezahlt haben. Mit der Rentenreform soll diese Zahl schneller steigen können. Gewerkschaften kritisieren, dass die Situation vor allem für jene, die im Alter arbeitslos geworden ist, nur noch verschärft würde.

Mit der Reform will die Regierung vor allem das drohende Defizit von 14 Milliarden Euro bis 2030 in der Rentenkasse decken. Da ist es doch fast ironisch, dass ein mögliches Defizit als Grund angezeigt wird, aber Präsident Macron einen Tag nach dem Streik verkündete, den Militärhaushalt bis 2030 auf 400 Milliarden Euro und somit um ein Drittel zu erhöhen. Wir sehen: Geld ist erneut genug da, aber nicht für die Bevölkerung.

Wer hat gestreikt?

Zum ersten Mal nach zehn Jahren haben die großen Gewerkschaftsverbände allesamt zum Streik aufgerufen. Über 2 Millionen Menschen sind bei den 200 Aktionen in ganz Frankreich auf den Straßen gewesen. Dabei wurden vom öffentlichen Dienst bis zum Transportwesen unterschiedliche Bereiche bestreikt. Schulen und Hochschulen, Kindergärten und kommunale Einrichtungen, ÖPNV und die Eisenbahn, das ganze Leben stand still. Rundfunksendungen wurden aufgrund des Streiks nicht ausgestrahlt. Raffineriemitarbeiter von TotalEnergies beteiligten sich ebenfalls am Streik. Für den 31. Januar haben die Gewerkschaften einen erneuten Streiktag angekündigt. Anders als in Deutschland, sind die Gewerkschaften in Frankreich Richtungsgewerkschaften, die sich je nach Ausrichtung entsprechend in politische Kämpfe einbringen und diese auch vorantreiben.

Wieso ausgerechnet zum Thema Rente?

In Frankreich gibt es viele Probleme. Erst im Oktober waren Zehntausende auf den Straßen gegen die Preissteigerungen und die „Klimapassivität“ der Regierung. Während der Coronapandemie wurden hunderte Milliarden in die Wirtschaft investiert. Doch immer wenn die Regierung Renten- bzw. Arbeitsmarktreformen ankündigt, antworten die Gewerkschaften und die Bevölkerung mit Generalstreiks. Während das Renteneintrittsalter in Deutschland bei 67 Jahren liegt, kämpfen die französischen Nachbarn vehement gegen jede Einschränkung ihrer Rechte.

Am Beispiel der Rente wird der ausbeuterische Charakter des kapitalistischen Systems, mehr als deutlich. Je höher das Rentenalter ist, desto länger müssen Beschäftigte ihre Arbeitskraft an die Arbeitgeber verkaufen und sich ausbeuten lassen. In Zeiten von demographischem Wandel und Fachkräftemangel umso notwendiger für die Profiteure des Systems. Ist es dann aber soweit, ist die Rente in den meisten Fällen so niedrig, dass die Menschen trotzdem entweder aufstocken oder wieder arbeiten gehen müssen. Die stückweise Privatisierung des Rentensystems u.a. in Deutschland mit Agenda2010 hat nur noch mehr dafür gesorgt, dass Menschen aus Angst vor Altersarmut, immer weiter arbeiten, bis sie nicht mehr können. Der direkte Verlierer bei einer Erhöhung des Rentenalters ist also der Beschäftigte, der direkte Profiteur der Arbeitgeber. Der Kampf gegen die Rentenreform unterscheidet sich demnach wenig von dem für eine Senkung der Arbeitszeit oder der Forderung nach höheren Löhnen. Die Gewerkschaften, als Interessensvertretung der Werktätigen, müssen diesen Kampf nun gesamtgesellschaftlich organisieren.

Der Unterschied? Generalstreik!

Die Kampfbereitschaft innerhalb der französischen Bevölkerung ist groß. Die Tatsache, dass es in Betrieben mehr als eine Gewerkschaft geben kann, zwingt die Interessensvertretungen aktiv für die Rechte der Mitglieder zu kämpfen, sonst verlieren sie diese schnell. Ein Mittel, das in Frankreich in einer gewissen Regelmäßigkeit zum Einsatz kommt, wie jetzt auch, ist der Generalstreik. Während in Deutschland nur gestreikt werden darf, wenn die Friedenspflicht endet und die Verhandlungen zu keinem Ergebnis führen, ist der Generalstreik eine Form des Streiks, bei dem ein großer Teil der Wirtschaft durch Arbeitsniederlegung zum Stillstand gebracht wird, um politische Ziele zu erreichen. 1952 wurde der politische Streik in Deutschland verboten, zwar kam es ab und an trotzdem dazu, dass Gewerkschaften aufriefen, aus politischen Gründen die Arbeit niederzulegen, aber hatten diese Streiks keinesfalls die Schlagkraft von Generalstreiks, wie z.B. 1995 in Frankreich.

Der Generalstreik ist ein wichtiges Mittel, um die gesamte Kraft der Arbeiterklasse deutlich zu machen und diese für ihre eigenen Interessen auf die Straße zu bringen. Dass dieser in Deutschland verboten ist, liegt im Interesse der Konzerne, die sich an unserer Arbeitskraft bereichern. Was wir in Zeiten von Preissteigerungen und wachsender Armut von der französischen Bevölkerung lernen können, ist die Legalisierung des politischen Streiks einzufordern!

 

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