Ich muss zugeben: Ich gucke „Deutschland sucht den Superstar“. Sehr gerne sogar. Im Kreise meiner Freundinnen veranstalten wir sogar recht mädchenhafte DSDS-Abende, wo wir von den romantischen Liedern mit einem „Ooohhh wie süß…“ schwärmen. Aber nicht, dass ich die ganze Spielerei und Inszenierung nicht durchblicken würde. Und auch, dass es mittlerweile weniger um die Musik geht, als um obszöne Skandale, ist mir auch bewusst.
Besonders in dieser Staffel wimmelte es nur von kleinen Eklats und peinlichen Affären: Schon im Casting wurde Jury-Mitglied Fernanda von einem gescheiterten Kandidaten öffentlich gedemütigt, indem er ihr eine signierte Autogrammkarte von Fernandas Ex-Freund Bushido vor die Nase knallte mit der Erklärung: „Ich soll dir einen schönen Gruß von ihm ausrichten. Du bist schlecht im Bett.” Nicht, dass so eine unglaublich peinliche und demütigende Szene nicht ausgelassen wird: Nein, sie wird natürlich protzig ausgestrahlt, um damit Fernandas Image als Sexobjekt zu verstärken. Schlecht und freizügig wie möglich gekleidet, wird diese in den Mottoshows sogar den 16-Jährigen Kandidaten Sebastian Wurth regelrecht „anbaggern“. Weitere Skandale folgten während der Live-Shows: Zickenkrieg vom feinsten zwischen den Kandidatinnen, der am Ende zum Nervenzusammenbruch von Kandidatin Nina Richel während der Show führte. Diese musste aus psychisch-gesundheitlichen Gründen ihr Handtuch werfen. Ex-Kandidaten packten alle über die heimlichen Affären ihrer Konkurrenten aus, die alle gemeinsam in einem Haus leben. Und Ex-Kandidat Marco berichtete nach seinem Rauswurf über seine glückliche, zwei-jährige Beziehung, obwohl er die Wochen zuvor sich vergnügend in einem Strip-House gezeigt wurde. Aber dazu sei er ja nur gezwungen worden, verkündete er im Nachhinein. Also was, wie und wo jetzt? Wie man sieht, ist es nicht leicht, durchzublicken! Genauso, wie es kein Wunder ist, dass die Kandidaten mehr mit ihrem Privatleben als mit ihrer Musik Schlagzeilen machen. Das Ganze ähnelt eher einer musikalischen Neuversion von GZSZ oder „Mitten im Leben“. Aber so läuft ja auch eigentlich das Show-Biz der „Großen“. Man kann also sagen, dass sie schon mal gut geschult werden, für den „harten Dschungel der Musikszene“, wie Juror Dieter Bohlen es gerne betont. Welche Rolle der Fernsehkanal RTL dabei spielt, ist ja wohl klar: diesem geht es sowieso nur um die Einschaltquote und ist eigentlich der Fädenzieher hinter dem Ganzen. Dabei ist es ja wohl weniger von Bedeutung, dass man seine eigenen Juroren und Kandidaten bloßstellt und öffentlich demütigt. Vor kurzem kam besonders die Produktion der Sendung in öffentliche Kritik: ein Patzer in der Organisation bzw. Moderation hatte tausende Voting-Anrufe der Zuschauer umsonst gemacht, da die falschen Kandidatennummern durchgegeben wurden. Ob dies ein Versehen oder Absicht war, sei mal dahin gestellt. Sicher ist, dass RTL jedes Vorurteil erfüllt, was man gegen einen privaten Sender haben kann. Was in diesem Falle noch wichtiger ist, ist, dass tausende Jugendliche mit dieser Show sich eine bessere Zukunft erhoffen. Nicht wenige geben dafür die Schule oder Ausbildung auf, um sich vorzubereiten und weiterzukommen. Und wenn dann so einer wie Mýchael Hirte (ehemaliger Hartz IV-Empfänger) die Show gewinnt, werden die Hoffnungen noch grösser. Für die Macher ist es eine Show, wo es um viel Geld und Einschaltquoten geht. Für Zehntausende Menschen jedoch geht es um die Erfüllung von Hoffnungen.
Jetzt wird sich manch einer wohl fragen: Warum schaut man sich dann sowas überhaupt an? Ich gucke es mir gerne an, weil trotz alledem wirklich gute Talente dabei sind und ich diesen aus musikalischer Sicht gerne Beachtung schenke. Dass ich nie für diese anrufen werde, ist klar, da ich selbstverständlich auch dem frisch herausgeputzten Notar Dr. Fleischhauer mit dem gegelten Scheitel und der Brille nicht traue (die Ähnlichkeit zu „Ich-wär-so-gern-ein-Doktor“ Guttenberg kann ja wohl kein Zufall sein). Mal ganz ehrlich, man darf das Ganze doch wirklich nicht so Ernst nehmen! In Paar Monaten erinnert sich sowieso niemand mehr an das ganze Tara! Und ich gönne es mir gerne Samstag Abends mit ein wenig schöner Musik zuzuschauen, wie Musik-Bosse wie Dieter Bohlen ihre ach-so-klugen-und-witzigen Sprüche auspacken, obwohl ich aus erstem Munde weiß, dass diese nicht von ihm selbst sind.
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