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Türkei: Vorreiter bei Kriegshetze gegen Syrien

In einer Rede vor der Großen Nationalversammlung machte der türkische Außenminister Davutoglu den Anspruch der Türkei als führende Regionalmacht geltend: „Wir sind die führende Kraft im neu entstehenden Nahen Osten und die Region wird uns gehören.“ Niemand dürfe von der AKP erwarten, angesichts der Massaker an unschuldigen Zivilisten, den Entwicklungen im Nachbarstaat Syrien tatenlos zuzusehen.

Noch im Dezember 2010 hatte er der syrischen Nachrichtenagentur SANA die Beziehungen der Türkei zu Syrien als „modellhaft für praktische und erfolgreiche internationale Beziehungen“ angepriesen und erklärt: „Syrien ist für die Sicherheit, Stabilität und den Frieden in der Region eines der wichtigsten Länder in der Region. Ein Frieden im Nahen Osten ist ohne Syrien undenkbar.“

Wenn auch der Sinneswandel des türkischen Außenministers nicht überraschend ist, so wirft er doch Fragen auf. Die wichtigste davon ist: „Wie ist dieser Politikwechsel zu verstehen und wo ist er im internationalen Kontext einzuordnen?“

Davutoglu ist seit Mai 2009 türkischer Außenminister. Die Grundlagen seiner Außenpolitik skizzierte er 2001 in seinem Buch „Strategische Tiefe“. Einer der drei Grundpfeiler der „strategischen Tiefe“ in der Außenpolitik ist die „Null-Problem-Politik gegenüber Nachbarstaaten“. Weitere Stützen seines Konzepts beruhen auf geschichtlichen und geographischen Aspekten. So soll die Türkei ihren Einfluss auf die Länder auf dem ehemaligen Territorium des Osmanischen Reiches geltend machen. Zu diesem Zweck werden sie zu Brüderstaaten und die Türkei zu ihrer Schirmherrin erklärt. Auch wenn sich infolge des so genannten „arabischen Frühlings“ die ersten beiden Grundpfeiler als labil erwiesen haben, so sind die vor zehn Jahren von der AKP-Regierung gestarteten Versuche einer zaghaften Annährung an Syrien beispielhaft für dieses außenpolitische Konzept. Nach dem Aufmarsch türkischer Truppen im Jahre 1998 an der syrischen Grenze, mit dem das Assad-Regime zur Auslieferung des PKK-Führers Öcalan gezwungen werden sollte, ist die “strategische Tiefe” in den ersten acht Jahren der Amtszeit AKP-Regierung nicht erfolglos geblieben. Gemeinsame Kabinettssitzungen der Regierungen und gemeinsame Manöver der Armeen wurden durchgeführt. Im Dezember 2009 hatte Erdoğan in Damaskus erklärt, Syrien sei für die Türkei das Tor in den Nahen Osten. Für die türkische Wirtschaft ermögliche Syrien die Erschließung eines Marktes mit 320 Mio. Konsumenten. Aus dem Außenhandelsdefizit der Türkei mit Syrien, das 2002 320 Mio. USD betrug, wurde 2010 ein Überschuss in Höhe von 1,2 Mrd. USD.

Mit den Protesten gegen Assad begann der Wechsel in der türkischen Syrien-Politik. Ende April 2011 entsandte Erdoğan seinen Sonderbotschafter Hakan Fidan um Damaskus zu erklären, dass Ankara trotz der neuesten Entwicklungen weiter auf Assad setzt, drängte ihn jedoch zur Umsetzung von angekündigten Reformen. Davutoğlu erklärte bei seinem Besuch im Juni 2011, die Türkei bilde mit Syrien eine starke Schicksalsgemeinschaft. Seine Regierung werde die Reformbemühungen der syrischen Regierung unterstützen, um die Stabilität Syriens und der gesamten Region zu gewährleisten. Im August 2011 war er noch zuversichtlich das Assad-Regime zum Einlenken bewegen zu können. Wenige Wochen später war diese Zuversicht verflogen. Anfang September wurden Gerüchte über den Plan der AKP-Regierung laut, an der syrischen Grenze einen 20 Kilometer breiten Korridor errichten zu wollen, welche allerdings wegen fehlender Unterstützung der USA verworfen wurden. Es folgten die offene Unterstützung für die syrische Opposition, die Gründung des Nationalen Übergangsrates in Istanbul, die Errichtung von Flüchtlingslagern und des Hauptstützpunktes der “Armee Freies Syrien” und das Gipfeltreffen der “Freunde Syriens” in Istanbul vor einem Monat.

Die hier ausführlich und chronologisch geschilderten Veränderungen in der türkischen Syrien-Politik stimmen mit dem Stimmungswandel der so genannten “internationalen Gemeinschaft” überein. Die türkische Außenpolitik steht heute im Einklang mit der Strategie der von den USA angeführten westlichen Imperialmächte, die die Region mit der Umzingelung des Irans neu gestalten möchten.

[…] Andererseits kann die Syrien-Politik der USA und der Türkei nicht isoliert von ihrer Politik gegenüber dem Iran und dem Irak betrachtet werden. In diesem Kontext sind die Bemühungen der AKP-Regierung, die türkische Außenpolitik mit der US-Politik kompatibel zu gestalten und sich dabei des Konfliktes zwischen Schiiten und Sunniten zu bedienen, einzuordnen. So lassen sich auch die vermehrten Spannungen zwischen der Türkei und  Irak, sowie Iran erklären. […] Dies veranlasste den irakischen Ministerpräsidenten Maliki zu der Erklärung: “Die Türkei ist zu einem Land geworden, dass sich neue Feinde in der Region sucht.” […]

Vor diesem Hintergrund erscheinen Davutoğlus wiederholte Erklärungen über den Führungsanspruch in der Region in einem anderen Licht. Er und sein Ministerpräsident Erdoğan reiten so gesehen wie Ritter auf amerikanischen Pferden und osmanischen Schwertern in der Hand tiefer in den Sumpf.

 

Quelle: www.tuerkei-aktuell.info

 

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