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„Unfall mit Fahrerflucht“, die Bologna-Reform

Suphi Sert

Über die Bologna–Reform wurde oft diskutiert und es existieren verschiedene Meinungen hierzu. Dieses mal äußert sich aber der Präsident der Universität Hamburg, Dieter Lenzen bei einem Zeitungsinterview sehr kritisch dazu. Er scheint mit seiner Kritik ehrlich und objektiv zu sein.

Laut Professor Lenzen lasse das Studium keine „Persönlichkeitsbildung“ mehr zu und er selbst würde nicht erneut in Deutschland das Studium aufnehmen.

Er sieht das herrschende Problem nicht auf der individuellen Ebene der Studierenden oder einem Generationskonflikt. Seiner Ansicht nach seien viele Studierende motiviert und Lebensfroh, doch das aus der Schule mitgelieferte Wissen und Verständnis für ein gutes Studium sei nicht ausreichend. Es werden nicht die Fähigkeiten systematisch im Vorfeld vermittelt. Diese seien aber nötig. Es gebe aber mehrere Faktoren, die ein Studium erschweren. Einer wäre, das immer jünger werdende Alter der Studierenden, mittlerweile wird ein Studium bereits mit 16 Jahren aufgenommen und bereits mit 21 beendet. Also noch halb Kinder und schon an der Uni, kaum bis gar keine Erfahrungen im selbstständigen wissenschaftlichen Arbeiten. Die Schulen scheinen mit dem Bologna-Prozess den Anspruch, studierfähige Menschen heran zu ziehen, verloren zu haben. Daher bräuchten Universitäten mehr Zeit im Studium, um die Studierenden zum selbstständigen wissenschaftlichen Arbeiten und Handeln vorzubereiten. Eine Massnahme können sein, das Bachelor-Studium 8 statt 6 Semester zu machen.

Die Politik im Dienste der Wirtschaft wollen jüngere Absolventen, d.h. Arbeitskräfte. Die Wirtschaft fand laut Professor Lenzen die Hochschulen zu abgehoben, zu theoretisch, aber all diese Kürzungen der Dauer, Qualität, Inhalte und Wissenschaft ging auch auf Kosten der Persönlichkeitsbildung. Nur deswegen, weil man berufsorientierter sein und dem Bedarf der Wirtschaft nicht der freien Wissenschaft gerecht werden wollte.

So wurden viele versprechen der Bologna-Reformen nicht wahr und die Verursacher tun so, als ob diese Versprechen nie gegeben wurden. Hier sollten aber auch die Studierenden fordernder sein und sich besser organisieren. Nicht einmal die so hochgepriesene Mobilität innerhalb Europas und die Anerkennung des Bachelor-Masters wurde eingehalten. Die angebliche Kompatibilität der Module ist nicht nur nicht in den europäischen Ländern nicht existent, sondern auch nicht innerhalb von Deutschland. Module, Veranstaltungen und viele mehr werden nicht einmal an den Universitäten innerhalb eines Bundeslandes akzeptiert. Lenzen empfindet Bologna als ein Unfall und die handelnden Politiker vor 20 Jahren erleben diesen nicht einmal, er nennt es „ein angekündigter Unfall mit Fahrerflucht“.

Es ist keine Autonomie mehr vorhanden, weder auf studentischer, noch auf Hochschulleitungsebene. Professor Lenzen fasst es so zusammen: Schon heute fehlen die „fantasievollen jungen Leute“, mit ihren „verrückten Hypothesen“, aber genau das ist es was Wissenschaft heute und schon immer gebraucht hat.

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