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UNSER HAMBURG – UNSER NETZ!

Ein breites Bündnis für eine kommunale Energiewende. Über 116.000 Unterschriften für das Volksbegehren

Roman Denter *

Am 22. Juni bot sich vor dem Hamburger Landeswahlamt ein beeindruckendes Bild. Rund einhundert Menschen aus allen gesellschaftlichen Bereichen hatten sich am letzten Tag des Volksbegehrens versammelt, um über 60 Ordner mit Unterschriften abzugeben. 116. 197 Unterschriften waren für UNSER HAMBURG – UNSER NETZ zusammengekommen. Die erforderliche Anzahl von rund 63.000 für die zweite Stufe der Hamburger Volksgesetzgebung wurde weit übertroffen – ein Erfolg, mit dem noch wenige Wochen zuvor fast niemand gerechnet hatte.
Ziel des Volksbegehrens ist es, die Hamburger Strom-, Gas- und Fernwärmenetze bis 2015 wieder vollständig in öffentliche Hand zu übernehmen. Zur Zeit werden die Netze noch von den Energiekonzernen Vattenfall und Eon betrieben.
Für den Hamburger Senat bedeutete dieses Ergebnis eine empfindliche Niederlage. Die SPD, die mit absoluter Mehrheit regiert, hatte sich schon im letzten Hamburger Wahlkampf gegen das Volksbegehren gestellt: Statt die Energienetze für das Gemeinwohl zu 100 % zu übernehmen, will man sich nur mit 25,1 % daran beteiligen. Die Konzerne Vattenfall und Eon dürften sich über dieses Angebot einer Finanzspritze durch eine Minderheitsbeteiligung ohne jede Gestaltungsmöglichkeit für die Stadt sehr gefreut haben.
Jetzt steht der Chef des Senats, der erste Bürgermeister Olaf Scholz, unter dem Druck von Teilen seiner Partei, die das überragende Ergebnis des Volksbegehrens nicht ignorieren möchte. Trotzdem hat er schon einmal verkünden lassen, er wolle bei seiner Position bleiben. Das würde bedeuten, dass es 2013 in der dritten Stufe des Verfahrens einen Volksentscheid in Hamburg zusammen mit der Bundestagswahl geben würde.
Es handelt sich auch tatsächlich um eine Frage von bundespolitischer Bedeutung.
Zum einen wäre die Rückführung der Energienetze in Hamburg in öffentliche Hand das bisher größte Rekommunalisierungsvorhaben der bundesdeutschen Geschichte. Das Volksbegehren könnte damit Vorreiter für eine kommunale Energiewende von unten für die deutschen Großstädte werden. In Berlin hat sich bereits ein ähnliches Bündnis gegründet.
Zum anderen setzt Schwarz-Gelb unter der Bundeskanzlerin Angela Merkel ebenso wie der Hamburger Regierungschef Scholz energiepolitisch weiter auf die Konzerne und große Lösungen, wie Off-Shore-Windparks und gigantische Überlandleitungen von Nord nach Süd. Damit lassen sich nämlich Atom- und Kohlekraftwerke noch auf Jahrzehnte hinaus sehr gut vereinbaren und garantierte Profite für die Energiekonzerne einfahren.
Das breite gesellschaftliche Bündnis in Hamburg will aber etwas ganz anderes mit den Gewinnen aus den Energienetzen erreichen: soziale Tarife für die Hamburger Bevölkerung und erneuerbare Energien vor Ort aus der Hamburger Metropolregion.

Und nur weil das Bündnis so breit aufgestellt war, mit einer ökologischen UND sozialen Zielvorstellung, hatte das Volksbegehren bisher diesen großen Erfolg: Organisationen aus den Bereichen Umwelt, Soziales, Verbraucherschutz, Kirche, Migranten waren dabei und – auch wenn die Gewerkschaften formal in Hamburg eine neutrale Haltung eingenommen haben – so haben doch viele Untergruppierungen und Einzelpersonen aus dem gewerkschaftlichen Umfeld aktiv Unterschriften gesammelt. Weitere Unterstützerinnen und Unterstützer aus dem gesamten Bundesgebiet reisten an.
Die Breite des Bündnisses, das war also die große Stärke des Volksbegehrens, die man auch in der Vielfalt der Menschen bei der Übergabe der Unterschriften vor dem Landeswahlamt besichtigen konnte.
Sollte es jetzt tatsächlich zu einem Volksentscheid kommen, weil der SPD-Senat sich weiterhin verweigert, dann gilt es diese Stärke noch weiter auszubauen, um einen echten „Wahlkampf“ für eine sozialen und ökologischen Energiewende zu führen und auch zu gewinnen.

Power to the People!

* Attac Energiekampagne – AG Energie, Klima, Umwelt (EKU)

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