Written by 14:57 HABERLER

Von verlorenen Turnschuhen und Verharmlosung von Faschisten

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Bei der Bundestagssitzung am 4. Juni kam es nach einer Regierungserklärung zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen Abgeordneten der LINKEN und Bündnis90/Die Grünen, als das Thema der Ukraine von der Linken-Abgeordneten Wagenknecht aufgegriffen wurde.

Dabei erwähnte Wagenknecht, dass der neuen ukrainischen Regierung auch Mitglieder der faschistischen Swoboda angehören und kritisierte die Unterstützung der neuen ukrainischen Regierung durch die Bundesregierung. Eine Antwort kam eher unüberraschend von der grünen Bundestagsabgeordneten Katrin Göring-Eckhardt. Diese versuchte erneut, die Rolle der faschistischen Teilhaber in der Ukraine herabzureden und begründete dies damit, dass die Swoboda nur zwei Prozent bei den Europawahlen und den ukrainischen bekommen habe. Dem entgegnete die Linke-Abgeordnete Sevim Dagdelen, dass in der neuen ukrainischen Regierung insgesamt 5 Minister seien, die entweder der Swoboda angehörten oder dieser nahe seien. Dagdelen betonte, dass der Kandidat der „radikalen Partei“ in der Ukraine 8%, also 1,5 Millionen Stimmen, bekam und klagte Göring-Eckhardt an, diese Informationen zu leugnen. Für mehr Aufmerksamkeit und Unruhe sorgte jedoch das von Dagdelen benutzte Brecht-Zitat: „Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher.“

Was jedoch im Nachhinein geschah, mag für einige überraschend gewesen sein. Die Partei und Fraktionsspitze der LINKEN distanzierte sich öffentlich von den Aussagen ihrer eigenen Abgeordneten. Zwar erklärten Riexinger, Kipping und Gysi, dass Dagdelens Kritik an der grünen Fraktionscheffin „legitim“ sei, es jedoch nicht rechtfertige „der Abgeordneten Göring-Eckardt ein Verbrechen zu unterstellen“.

 

Ein gefundenes Fressen für politische Gegner

Seit den Präsidentschaftwahlen, welche zeitgleich mit den Wahlen zum EU-Parlament stattfanden, liest man immer weniger über die Ukraine. Neben der Tatsache, dass der neue Präsident „etwas mit Schokolade am Hut“ hat, wird wenig berichtet. Genauso wenig wurde darüber berichtet, dass die ostukrainische Bevölkerung die Wahlen boykotierte oder dass Mitgliedern der Kommunistischen Partei der Ukraine (KPU) mit Waffengewalt der Wahlgang verwehrt wurde. Dennoch ist die Fraktion der Grünen, wie auch ein Großteil der westlichen Regierungen allzu bereit gewesen, die Wahlen ohne wenn und aber zu akzeptieren. Genauso bezog sich die grüne Fraktionscheffin in vergangenen Sitzungen auch darauf, dass die Führungspersonen der Swoboda vor einigen Jahren antisemitische Äußerungen gemacht hätten, sie aber mittlerweile nicht mehr als neofaschistisch bewertet werden könnten. Nach dem Motto die Zeit heilt alle Wunden.

Daher ist die Kritik von Dagdelen, dass Katrin Göring-Eckhardt erneut die ukrainischen Faschisten verharmlost, keineswegs falsch, sondern mit Zitaten schon mehrmals bestätigt. Die direkte Art Dagdelens, bei Ausspruch der Wahrheit auch mal härtere Töne anzuwenden, führte auch in der Vergangenheit dazu, dass sie von den anderen Fraktionen scharf angegriffen wurde. Nun kommen diese Angriffe aus den eigenen Reihen, was ein gefundenes Fressen für alle politischen Gegner ist. Die Distanzierung der Parteispitze hat lediglich dazu beigetragen, die LINKEN wieder Mal in der Öffentlichkeit als eine gespaltene Partei darzustellen. Das Bestreben nach Regierungsfähigkeit und Reformen fordert ihren Tribut. Standhaftigkeit kann da mal auf der Strecke bleiben. Ist diese Distanzierung vielleicht das Linken-Pendant zu Joschka Fischers Turnschuhen?

 

Sinan Cokdegerli

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