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Vonovia Mieter in Hamburg setzen sich zur Wehr

Es ist Dienstag, der 20. August 2024, im Hamburger Stadtteil Dulsberg. Ein normaler Tag für die Mieter der Vonovia Wohnungen. Doch als sie abends nach Hause kommen, die Überraschung: der technische Dienst des Vermieters hat Zettel an die Wohnungstüren gehängt und weiße Duschköpfe auf die Fußmatte gelegt. Der Grund: In der Wasseranlage wurden Legionellen festgestellt – mit 15.900 koloniebildenden Einheiten (KBE) in extremer Höhe! Nach amtlichen Angaben gilt Wasser bereits bei 100 KBE als verunreinigt, die Werte liegen also beim Sage und Schreibe 159-fachen dessen. Für medizinische Geräte solle fortan abgepacktes Wasser verwendet werden. Duschen ohne den auf die Fußmatte gelegten Filter ist nun verboten. Doch entgegen der Ankündigung kommt niemand zum Einbauen vorbei. Die Hotline der Vonovia ist entweder nicht zu erreichen oder kann keinerlei Auskunft geben.

Zwei der Mieter sind Mitglieder des DIDF-Dulsberg Stadtteilvereins. Sie stellen sich die Frage: „Wenn jemand mit solch einer Situation zu uns kommen würde, was würden wir ihm raten? Sich mit den Nachbarinnen und Nachbarn zusammenzutun, eine Initiative zu gründen, sich an Vonovia und die Öffentlichkeit zu werden.“ Ihnen war aber auch klar: diesen Rat müssen sie auch selbst befolgen. Also setzten sie einen Brief an die Nachbarn auf, der mit Unterstützung des Stadtteilvereins in der Nachbarschaft an den Haustüren verteilt wurde und stellten über das DIDF Hamburg Vorstandsmitglied und Bürgerschaftsabgeordneten Deniz Çelik eine kleine Anfrage an den Senat über die Legionellenbelastung in Hamburg. Die Ergebnisse zeigten, dass einerseits Legionellen ein Problem in ganz Hamburg darstellen, andererseits aber besonders Straßen, in denen Wohnungen im Besitz der Vonovia sind, hervorstechen.

Mit dem Aufruf wurde ein Nerv getroffen. Denn der als Versammlungsort gewählte Nachbarschaftstreff war mit knapp 50 Teilnehmenden rappelvoll. Es zeigte sich, dass das Problem wiederkehrend auftritt, seit Jahren, in unterschiedlichen Gebäuden. Auch Beschwerden über Heizungsausfälle, Schimmel, nicht funktionierende Türschlösser hatten die Nachbarn im Gepäck. Und obwohl sich der Aufruf an Mieter der Vonovia richtete, suchten auch Mieter anderer Vermieter Rat auf dem Treffen. Das Eklatante dabei: Nachbarn berichteten, dass auch das Amt die Situation herunterredete, statt in die Tat zu schreiten! Das Ende vom Lied ist, dass die durch Legionellen verursachten Lungenentzündungen in Hamburg noch 2022 bei 20 lagen, 2023 bereits bei 72.

Der Unmut musste in Taten verwandelt werden. Deshalb sind zum einen, nach einer rechtlichen Beratung durch einen ebenfalls zum Treffen eingeladenen Rechtsanwalt des Mieterverein „Mieter Helfen Mietern“, die Anwesenden kollektiv dem Verein beigetreten und zum anderen wurden Forderungen an Vonovia und eine Unterschriftensammlung beschlossen: 1. Umfassende und transparente Informationen über den Zustand der Wasserleitungen und die gesundheitlichen Folgen der Legionellenkontamination. 2. Der sofortige Einbau von Wasserfiltern zur ersten Vorsorge von Krankheiten und eine grundlegende und umfassende Sanierung der Wasserrohre. 3. Die Umsetzung dieser Maßnahmen auf Kosten des Vermieters ohne Umlage, sowie eine rückwirkende Mietminderung zur Entschädigung der Mieter. Damit war die „Initiative Sauberes Wasser für ein gesundes Leben Dulsberg“ geboren.

Die Initiative nahm auch direkt Fahrt auf, denn auch die in Kenntnis gesetzte Stadtpresse nahm das Thema interessiert auf, es wurde von Morgenpost über Abendblatt und NDR in Zeitungen und TV über den Vorfall berichtet. Die Vonovia, die schließlich gegenüber der Presse das Schweigen brach, gab sich gewohntermaßen entspannt. Die Situation sei unter Kontrolle, umfassende Maßnahmen seien eingeleitet. Vonovia sei auch stets für die Mieter erreichbar. Und zugleich zeigte die Initiative Wirkung, denn plötzlich fand sich in allen Briefkästen, wie von der Initiative gefordert, Informationsmaterial über die gesundheitlichen Auswirkungen von Legionellen wieder.

Diese Forderung war jedoch einfach und kostengünstig zu erfüllen. Wenn ein ausschließlich von Profit getriebener Konzern dazu bewegt werden soll, eine profitschmälernde Sanierung durchzuführen, dann muss dafür der größtmögliche Druck ausgeübt werden. Deshalb wandten sich die Mieter der Initiative an den Stadtteilrat und das Stadtteilbüro Dulsberg, die die Unterstützung der Initiative und die Einladung Vonovias zu einem Gespräch beschlossen. Ebenso erließ der zur Kirchengemeinde Dulsberg gehörende Nachbarschaftstreff der Initiative die Miete für künftige Treffen.

Damit war der Grundstein für die nächste Aktion gelegt. Denn die Mieter hatten sich vorgenommen, ihren Protest noch sichtbarer zu machen, indem sie Banner aus Balkonen und Fenstern hängen. Dass der Stadtteilrat die Kosten für die Materialien übernommen hat, erleichterte die Einbindung der Mieter. Nach über einem Monat an Vorbereitungszeit, mit gemeinsamem Banner malen, mehreren Rundgängen im Stadtteil zur Ansprache der Mieter und Übergabe der Banner, war es am 21. Dezember 2024 so weit: Zahlreiche Banner schmückten nun die Fassaden, wozu auch wieder die Presse geladen war. Mit diesem Weihnachtsgeschenk hat die Initiative das Jahr zu Ende gebracht, und wird daran 2025 anknüpfen können. Denn klar ist, Vonovia ist eine harte Nuss!

„Dieses Beispiel von Stadtteilarbeit ist unserer Ansicht nach in vielerlei Hinsicht bedeutsam. Es beginnt bereits mit der Initiativergreifung. Dass Nachbarn berichten, dass dieses Problem seit Jahren wiederkehrt und erst jetzt jemand etwas unternimmt, unterstreicht unsere Rolle als politischer Stadtteilverein. Dazu gehört es, auch Probleme auch als solche zu erkennen, denn nicht wenige auch unter uns taten das Legionellenproblem zunächst ab“, berichtet Emre, Vorstandsmitglied von DIDF Hamburg. „Wir dürfen keine Scheu davor haben, mit unseren Nachbarn in Kontakt zu treten; auch sie sind sich der Probleme bewusst, es fehlt häufig jedoch das Organisationsbewusstsein“, so Emre weiter. Er betont, dass Dinge anfangen das eine, sie durch- und zu Ende zu führen, das andere sei: „Im Prozess ist es wichtig, dranzubleiben, der Initiative fortwährend eine Perspektive zu geben. So wie es wichtig ist, Rechtsweg, Presse und den Weg über Institutionen zu nutzen, dürfen wir nie aus den Augen verlieren, dass nur soweit wir uns in Aktion befinden, unsere Initiative Erfolg haben wird – die formalen Wege sind geduldig! Und der Erfolg darf sich nicht daran messen, ob die Forderungen vollständig erfüllt sind. Denn dass wir überhaupt mit unseren Nachbarn zusammenkommen und uns vernetzen, bildet die Grundlage für einen im Viertel verankerten Stadtteilverein und damit für erfolgreiche Kämpfe von morgen“. Er betont, dass die Initiative diese Hartnäckigkeit beibehalten werde und die Aktionen fortsetzen werde.

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