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“Wahrheiten über in Deutschland lebende Türken”!

 

Das Titelthema der “Bild am Sonntag” vom 28. September mit dem Titel “Die Wahrheit über Türken in Deutschland” reproduzierte ein weiteres Mal Klischees und ignorierte die soziale Stellung der Mehrheit dieser Menschengruppe. Die Seite war so gestaltet, dass hinter einem schwarz-rot-goldenen Überschriftenhintergrund (mal wieder) eine Frau mit einem Kopftuch positioniert war. In dem roten Bereich war ein weisser Halbmond mit einem Stern abgebildet. Über der Überschrift der Text: “Wie leben die 3 Millionen türkischstämmigen Bürger? Was denken sie über Religion, Heimat und die Deutschen?” Damit sollte wohl Neugier bei den Lesern geweckt werden. Die gestellten Fragen lassen einen denken, dass die deutsche “Mehrheitsgesellschaft” die “Türken” nicht kennen würde und dass “wichtige” Fragen erläutert würden. Entgegen dieser Annahme der Bild kann man jedoch behaupten, dass die deutsche Mehrheitsgesellschaft mehr oder weniger über Türken in Deutschland bescheid weiss. Denn eine gemeinsame Geschichte von über einem halben Jahrhundert hat sicherlich zu einem Wissen über “den Anderen” beigetragen. Deshalb wird mit diesem Beitrag und den Fragen “Wie leben sie?” und “Was glauben sie?” ein unbestimmtes Etwas produziert und im zweiten Schritt “aufgeklärt”.

Deutschland ist unsere Heimat
Für die Studie des Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZfTI), welches seit 1990 jährlich im Auftrag des Integrationsministeriums NRW durchgeführt wird, sollen telefonische Befragungen dienen. Die Ergebnisse dieser Studie enthalten weder Antworten auf unbekannte Fragen, noch bringen sie Pessimismus in die Geschichte. Hiernach fühlen sich 78% der Türken in Deutschland zu Hause. 73% von ihnen fühlen sich allerdings auch anders als Deutsche.

Wo ist die Heimat?
In Zusammenhang mit der Integrationsthematik ist die meist diskutierte Frage, in welchem Land sich die Türken wohl fühlen, wo sie ihre “Heimat” sehen. Auch wenn in den letzten Jahren der Begriff von “Zweiter Heimat” entwickelt wurde, sehen ein Fünftel der Befragten Deutschland als ihre Heimat an. 30% der Befragten gaben an, dass sowohl Deutschland als auch die Türkei ihre Heimat sei. 44% der Menschen gaben die Türkei als einzige Heimat an.
Die Chefredakteurin der Bild am Sonntag, Marion Horn, schrieb in ihrem kurzen Kommentar zum Bericht, dass sie verblüfft über das Ergebnis sei, dass ein Fünftel der Türken Deutschland als ihre Heimat ansähen. Horn wiedersprach der der Studie zugrundegelegten Definition von “Heimat” und tat kund, dass, egal wo und wie lange sie im Ausland leben würde, ihre Heimat immer als Deutschland angeben würde. Nach der Logik der Chefredakteurin dürfte keiner der Befragten Deutschland als die Heimat ansehen. Also könne es ja nicht so mies gestellt sein um die deutsche Wilkommenskultur und versuchte, mal wieder daraus politisch Profit zu schlagen.

Drei Viertel haben deutsche Freunde
75 % der Befragten gaben an, dass sie deutsche Freunde haben. Von diesen 75% haben zwei Drittel ihre deutschen Freunde bei sich als Gäste empfangen, und gleichermaßen zwei Drittel wurden von ihren deutschen Freunden selbst eingeladen. Außerdem bestehen bei fast allen Befragten Kontakte zu Deutschen aus der Schule, Arbeit oder aus dem Sportbereich. Trotzdem empfinden 64% der Befragten eine Diskriminierung aufgrund ihrer Herkunft. Dieser Wert lag 2010 bei 81%. All diese Werte zeigen, dass es zwar grundsätzlich Kontakte zwischen Türken und Deutschen gibt, dass diese jedoch eher instabil ist.

Soziale Probleme bestehen weiterhin
Menschen mit türkischem Migrationshintergrund sind sowohl finanziell als auch sozial in vielen Bereichen benachteiligter als Deutsche. 23% der Türken haben keinen in Deutschland ankannten Berufsabschluss. Dieser Wert ändert sich jedoch in jeder neuen Generation. Die Studie gibt an, dass 45% der Türken, im Vergleich zu ihrer Familie, einen höheren Bildungsgrad haben. Im Alter von bis 37 Jahren haben 22% der Befragten das Abitur, 47% einen Realschulabschluss oder eine Berufsschule absolviert, 22% haben einen Hauptschulabschluss. Die durchschnittlichen Einnahmen einer türkischen Familie liegt bei 2393 €, die einer deutschen Familie im Vergleich bei 3100€. Bei 8% der türkischen Familien liegen die monatlichen Einnahmen unter 1000€. Trotz dieser Zahlen gaben drei Viertel der Befragten an, dass sie mit ihrer finanziellen Situation “zufrieden” oder “sehr zufrieden” seien. Dies bedeutet, dass sie sich mit ihrem Budget abgefunden haben.
Auch die Arbeitslosenzahlen von Türken im Vergleich zu Deutschen ist doppelt so hoch. Die Zahl der prekär und in Leiharbeitsfirmen beschäftigten Türken ist hoch. Die Portraits der Auserwählten “Türken”, die in dem Bericht der Bild am Sonntag vorgestellt werden, spiegeln daher nicht den Durchschnitt wieder. Hier werden erfolgreiche Menschen vorgestellt- Künstler, Sportler oder Unternehmer. Als einzige- jedoch kriminelle- Ausnahme wird Muhlis Ari dargeboten, der wegen Straftaten aus Deutschland ausgewiesen wurde.
Aber sowohl die erfolgreichen Künstler, als auch Kriminelle stellen eine kleine Minderheit unter den türkischen Migranten in Deutschland dar. Die zahlenmäßig größte Gruppe stellen Arbeiter, Arbeitslose oder Kinder und Jugendliche, die zur Schule gehen, dar. Die Aufmachung des Berichts ist daher irreführend. Wenn man sich die Lebens- und Beschäftigungsumstände der Mehrheit, sowohl der Migranten als auch der Deutschen, anschaut, wird sich von selbst zeigen, dass hier keine markanten Unterschiede zu erkennen sind.

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