Tonguc Güler
20 Prozent gegen die EU, 34 Prozent gegen China, 10 Prozent gegen die Ukraine, 26 Prozent gegen Indien. Die US-Regierung hat am 2. April für fast alle Länder der Welt Einfuhrzölle beschlossen. Die Effekte der rigiden US-Zollpolitik waren wie erwartet groß. Die Aktienkurse der größten US-Techkonzerne sind rapide gefallen. Auch der DAX verzeichnete Verluste. Nach Angaben der US-Regierung zeigten die Zölle bereits ihre Wirkung. Mehr als 50 Länder hätten sich bereit erklärt, mit Washington über Zollerleichterungen zu verhandeln.
Die Zollerhebungen verschärfen den von Washington bereits seit einigen Jahren geführten Wirtschaftskrieg. Der Unterschied zu früher besteht in der Intensität und dem Radius der Maßnahmen. Waren zuvor punktuell Länder wie China, Russland, die EU-Staaten bzgl. ausgewählter Waren betroffen, wurde die US-Zollpolitik nun auf einen Großteil des Globus ausgeweitet.
Die straffe Zollpolitik ist ein Weg, die globalen Verteilungskämpfe noch nicht mit kriegerischen Mitteln führen zu müssen. Die Zollpolitik kann das Vorspiel eines großen Krieges zwischen den führenden Akteuren der Verteilungskämpfe sein. Der Zusammenhang zwischen gegenseitiger wirtschaftlicher Zuspitzung und Kriegsvorbereitung lässt sich historisch nachweisen. So hatte das Smoot-Hawley-Zollgesetz aus den 1930er einen starken Einfluss auf die Verschärfung der damaligen Weltwirtschaftskrise. Die USA, als bereits damals größter Volkswirtschaft der Welt, koppelten sich zunehmend von der Weltwirtschaft ab. Der US-Protektionismus schädigte insbesondere das stark Export orientierte deutsche Kapital.
Die weltwirtschaftliche Konstellation ist heute nicht dieselbe. Ein grober Protektionismus wäre wahrscheinlich für kein nationales Kapital ohne weiteres möglich. Dazu ist die Weltwirtschaft zu sehr vernetzt. Trotzdem sind Parallelen zur damaligen Zeit erkennbar. Die Kriegsvorbereitungen finden bereits jetzt in Form von rekordhohen Ausgaben in die weltweite Aufrüstung statt. Die Kriegspropaganda hat insbesondere in den europäischen Staaten eine neue Qualität erreicht. Die militärische Hochrüstung hat ihre Entsprechung in den Verschärfungen der ökonomischen Widersprüche. Die ökonomischen Kämpfe erhalten bereits jetzt militärischen Charakter. So ruft Trump die US-Bevölkerung dazu auf, „durchzuhalten“, während Washington den Handelskrieg weiter entfacht.
Der „Wahnsinn“ der Trump-Administration bleibt vor dem Hintergrund der globalen Ausgangslage rational begründetes Kalkül. Das Kräftemessen soll die der US-Wirtschaft unterlegenen Konkurrenten ihre Grenzen aufzeigen und Druck auf sie ausüben. Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer schwierigen Position. Jede deutsche Antwort in Form von Zollerhebungen kann die Zollspirale anheizen. Das hiesige Kapital denkt bereits laut darüber nach, sich auf alternative Wirtschaftszonen zu fokussieren, um die eigene zukünftige Ausgangslage zu verbessern.
Die von Verbrauchern in EU-Ländern eingeleitete Aktion „Buy European“ ruft zum Boykott US-amerikanischer Produkte auf. Nicht nur verkennt die bisher rein symbolische Aktion den globalen Produktionszusammenhang von Endprodukten. Sie stellt sich aktiv hinter die deutsche und EU-Wirtschaft, als konkurrierten die Verbraucher der beteiligten Länder miteinander. Die Verbraucher haben aber durch solche Boykotte nichts zu gewinnen. Im Gegenteil beteiligen sich Verbraucher, die schließlich in ihrer Mehrheit zur Arbeiterklasse gehören, an den Kämpfen der Profiteure der deutschen Wirtschaft, die aber nicht ihre Kämpfe sind.
Der zugespitzte Wirtschaftskrieg zeigt, dass das globale kapitalistische Wirtschaftssystem immer weiter an seine Grenzen rückt. Die Leidtragenden ist in der Mehrheit die Arbeiterklasse. Die hiesigen Unternehmen werden mit aller Vehemenz versuchen, die eigenen Profitmargen zu sichern und die höheren Produktpreise auf die Verbraucher der entsprechenden anderen Länder umzulegen. Der Wirtschaftskrieg ist am Ende auch ein Krieg gegen die Mehrheit der Werktätigen in der Welt.