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Wenn Kinder regieren würden…

Bahar Güngör

 

…würde es uns allen wohl viel besser gehen. Denn der Gerechtigkeitssinn von Kindern ist sehr gut ausgeprägt. Sie wissen ganz genau, in welchen Situationen Menschen ungerecht behandelt werden. Das kann womöglich daran liegen, dass sie genau diejenigen sind, die unter sozialer Ungerechtigkeit das meiste Leid ertragen müssen. Dabei haben sie nicht einmal die Möglichkeit, sich zu wehren oder etwas zu beeinflussen. Für uns ist das alles nicht neu, jedoch die Tatsache, dass den Kindern ihr Umfeld und die Ungerechtigkeit so bewusst werden, wird wohl vielen Eltern, die ihren Kindern „nicht so viel bieten können“ nochmal ein Schlag ins Gesicht sein. Alle Eltern wünschen sich für ihre Kinder doch nur das Beste. Wer es sich nicht leisten kann und an finanziellen Barrieren zugrunde geht, wünscht sich zumindest, seinen Kindern nichts anmerken zu lassen. Das ist aber nicht möglich. Dies zeigt eine neue Großstudie, die für die Kinderhilfsorganisation „World Vision“, von TNS- Infratest durchgeführt wurde. 2500 Kinder zwischen sechs und elf Jahren wurden hierfür über ihre Lebenssituation und ihr Wohlbefinden befragt. In der Studie soll es im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention darum gehen, Kinder zu beteiligen und ihre Perspektiven auf ihr Leben zu erforschen und mitzuteilen. Überraschend dürfte nicht sein, dass die Armutserfahrung der Kinder auch Unzufriedenheit mit sich bringt. Aber vielleicht wundert es den einen oder anderen, dass das Mitgefühl der Kinder, in unserer Ellenbogengesellschaft, sehr stark ausgeprägt ist. Dabei wird den Kindern doch von klein auf beigebracht, dass alle anderen nur Konkurrenten darstellen. Aber entgegen dieser „Erziehung“ empfinden auch Kinder, die nicht von Armut betroffen sind, den Umgang mit Armen als ungerecht. Bei der Umfrage zumindest gaben 57 Prozent genau das an. Rund 20 Prozent der Kinder mit Migrationshintergrund fühlten sich wegen diesem benachteiligt. 40 Prozent der Befragten Kinder teilten die Meinung, dass ein Migrationshintergrund eine Benachteiligung mit sich bringt. Nur jedes zweite Kind findet die Situation in Deutschland gerecht.

Die Kindheitsforscherin Sabine Andresen, die gemeinsam mit dem Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann die Studie auswertete, findet die Befragung von Kindern aus verschiedenen Gründen sehr wichtig. „Kinder wollen gefragt werden und sie können auch sehr gut Position beziehen. Es ist gut, dass wir damit in die Öffentlichkeit gehen und zeigen, was die Kinder sich wünschen.“, sagt Andresen zur Studie. Über Kinder redet jeder, jedoch kommen diese nur selten zu Wort. Dabei sind ihre Äußerungen und Feststellungen mindestens genauso zutreffend, wie die der Erwachsenen. Den Kindern kann man nichts mehr vorgaukeln. Laut der Studie ist mehr als der Hälfte der Kinder klar, dass vor allem ärmere Menschen ungerecht behandelt werden. „Wenn etwas Unfaires passiert, dann gehen wir zu unseren Lehrern und sagen es. Es muss ja alles geklärt werden, damit alle sich wohl fühlen.“, sagt ein kleiner Junge, der in einem Fernsehbeitrag zu dieser Studie gefragt wird. Vielleicht nimmt die neue Bundesregierung die Forderung des World-Vision-Vorstands Christoph Hilligen ernst und baut künftig finanzielle, soziale und kulturelle Ungleichheiten ab. Denn das alles führt zur Ungerechtigkeit in Deutschland. Das weiß doch jedes Kind!

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