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„Wir brauchen eine zivile Friedenspolitik Deutschlands und keine Militärpolitik“

Angesichts der Diskussionen rund um die Bundeswehr haben wir mit einem Vertreter der deutschen Friedensbewegung über die Situation in Deutschland gesprochen Joachim Schramm ist 53 Jahre alt, verheiratet und von Beruf ist er Sozialwissenschaftler. Nach langen Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit auf lokaler und Landesebene in der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstverweigerInnen (DFG-VK) ist er nun seit 2007 hauptamtlicher Landesgeschäftsführer des Landesverbandes NRW.

 

 Neues Leben: „Jeder dritte Freiwillige bricht Wehrdienst ab“ war in den letzten Wochen eine Schlagzeile. Was denken Sie: Warum?

Joachim Schramm: Die Bundeswehr verharmlost in ihrer Werbung die Tätigkeit der Bundeswehr. Slogans von Karriere, Aufstieg und „für jeden was dabei“ stellen das „Soldatenhandwerk“ als Job wie jeden anderen dar. In den Werbebroschüren stehen bunte Bilder mit nett aussehenden jungen Männern und Frauen im Vordergrund, Technik und Abenteuer werden suggeriert. Dass es aber um die Vorbereitung für Kriegseinsätze geht, dass es darum geht, das Töten zu lernen und dass damit auch das Risiko verbunden
ist, selbst getötet zu werden, kommt, wenn überhaupt, nur am Rande vor. Junge Menschen gehen oft mit einer gewissen Leichtgläubigkeit an die Sache heran und bekommen dann erst nach einigen Wochen mit, wohin der Hase läuft.

 

Wer ist denn dieser „jeder Dritte“ im Hinblick auf die aggressiven Werbekampagnen der Bundeswehr?

Das sind diejenigen, die sich Hoffnungen auf einen „normalen“ Job gemacht haben, die sich eine Perspektive auch für eine spätere zivile Berufskarriere erhofft haben. Bei der Bundeswehr erleben sie aber, dass alles dem Sinn der Bundeswehr untergeordnet ist, der möglichen Kriegsführung. Auch jemand, der sich vielleicht für eine spätere Ausbildung zum Elektriker oder Mechaniker interessiert, muss bei der Armee schießen lernen und merkt dann, dass es etwas anderes ist, zuhause am Ego-Shooter zu sitzen als mit einer echten Waffe auf eine Menschensilhouette zu zielen.
Auch steht der Bundeswehr-Dienst natürlich dem freien Lebensgefühl der jungen Menschen entgegen. Dort herrschen Befehl und Gehorsam vor, fremde Menschen haben plötzlich zu bestimmen, wie ich mich kleiden muss, wen ich wie grüßen muss. Nicht die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit steht im Vordergrund, sondern die Unterordnung. Auch diese veralterten Rahmenbedingungen kommen bei vielen jungen Leuten nicht gut an.
Kann man von einer „Zielgruppe“ der Bundeswehr sprechen?
Joachim Schramm: In Studien hat die Bundeswehr selbst beklagt, dass vorrangig jungen Leute zu Armee gehen, die auf dem normalen Arbeitsmarkt keine Chance haben. Daher kommen viele Soldaten aus den neuen Bundesländern, wo Ausbildungs- und Arbeitsplatzmangel herrscht. Aber auch für junge Leute mit Migrationshintergrund scheint oft die Bundeswehr die letzte Chance zu sein. Diese Situation nutzt die Bundeswehr natürlich auch aus, indem sie z.B. Werbung in Arbeitsagenturen betreibt.

 

Neues Leben: Welche Forderungen stellen Sie, um eine Militarisierung nach Innen und Außen zu unterbinden?
Zunächst fordern wir, die Werbung der Bundeswehr an Schulen, bei Berufsbildungsmessen und auch in Arbeitsagenturen einzustellen. Auch die ungefragte Weitergabe von Daten aller volljährig Werdenden an die Bundesehr durch die örtlichen Meldebehörden muss eingestellt
werden. Nach außen wenden wir uns gegen die Auslands- und Kriegseinsätze der Bundeswehr. Wir
brauchen eine zivile Friedenspolitik Deutschlands und keine Militärpolitik.

 

Wie ist die Bundeswehrreform der letzten Jahre im Hinblick auf die aggressive Aussenpolitik der Bundesrepublik zu bewerten?

Die Bundeswehrreform hat das erklärte Ziel, die Bundeswehr einsatzfähiger zu machen. So hat das Verteidigungsministerium auch den Begriff von der „Armee im Einsatz“ geprägt. Statt bisher 7.500 sollen am Ende 15.000 Soldaten geleichzeitig in Kriegen einsetzbar sein, immer
im Austausch und mit der Unterstützung weiterer zehntausender Soldaten. Moderne Waffensysteme werden angeschafft, die Einsätze in fernen Regionen ermöglichen. Das Weissbuch, in dem die Militärpolitik Deutschlands festgeschrieben ist, spricht von Bundeswehreinsätzen überall in Welt zur Sicherung von Rohstoffen und Handelswegen. Der Verteidigungsminister spricht offen von wirtschaftlichen Interessen, die mit dem Einsatz der Bundeswehr gewahrt werden sollen. Das sind natürlich nicht die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung, sondern die Interessen der wirtschaftlichen Eliten.

Was sind die deutschen Interessen im Syrien-„Konflikt“ im Anbetracht der Patriots?
Deutschland versucht, innerhalb der NATO eine wichtige Rolle einzunehmen. Daher ist die Regierung nun auch schnell bereit, die Patriot-Systeme zur Verfügung zu stellen. Damit baut die NATO eine Drohkulisse gegenüber Syrien auf und schafft sich erste Vorrausetzungen, militärisch gegen das syrische Regime vorzugehen. Außerdem gibt es Informationen, dass die Türkei an dem Besitz dieses Raketenabwehr-Systems interessiert ist und Deutschland
eventuell bereit, das System zu verkaufen.

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