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„Wir können und sollten zusammen gegen unsoziale Kürzungen kämpfen!“

Jan Dieren ist der einzige SPD-Bundestagsabgeordnete, der gegen die „Kriegskredite“ gestimmt hat. Wir haben ihn nach den Gründen gefragt.

Yusuf As

Der Bundestag hat mit einer Zweidrittelmehrheit den Weg für einen historischen Kredit freigemacht. Die Gelder sollen in die Bereiche Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz fließen. Können Sie mir erklären, warum Sie dagegen gestimmt haben?

Gegen Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz ist überhaupt nichts einzuwenden. Im Gegenteil, wir brauchen dringend mehr Investitionen, dort und in vielen anderen Bereichen. Auch eine Lockerung der Schuldenbremse für die Bundesländer halte ich für richtig. Allerdings habe ich große Bedenken, unbegrenzt Kredite für Rüstung und Verteidigung zu ermöglichen.

Es gibt Pläne, die Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit ab einer bestimmten Summe von der Schuldenbremse auszunehmen. Macht Ihnen das Sorgen? Glauben Sie, dass wir uns damit auf einen neuen Krieg vorbereiten?

Ja, mir macht das große Sorgen. Die Änderung im Grundgesetz gilt nun für alle zukünftigen Regierungen. Wir wissen aber nicht, welche politischen Mehrheiten es in den nächsten Jahren geben wird und was die mit der Möglichkeit anstellen, unbegrenzt Kredite für Rüstung und Verteidigung aufnehmen zu können. Man muss niemandem unterstellen, sich damit absichtlich für einen Krieg vorzubereiten. Aber auch Aufrüstung mit dem Ziel, Kriege zu verhindern, kann sie nachher befeuern. Das halte ich für eine wirkliche Gefahr.

Es gibt die These, dass die „USA die NATO im Stich lassen“ könnten und dass Putin eine so große Bedrohung darstellt, dass wir massiv aufrüsten müssen. Halten Sie diese Erzählung für plausibel?

Natürlich sind Leute, wie Putin, eine Bedrohung für viele Menschen. Es stimmt auch, dass die Gefahr von Kriegen gerade höher ist, als noch vor einigen Jahren. Man macht es sich aber zu einfach, wenn man diese Gefahr auf das Handeln oder die Psyche einzelner Menschen zurückführt. Kriege entwickeln sich aus Konflikten zwischen Staaten, die um Einflusssphären kämpfen. Für unplausibel halte ich allerdings die Erzählung, mehr Waffen und Aufrüstung würden die Gefahr von Kriegen verringern. Ich befürchte, das Gegenteil ist der Fall.

Die Infrastruktur-Gelder sollen unter anderem für den Bau und die Instandhaltung von Schulen, Krankenhäusern und Brücken verwendet werden. Glauben Sie, dass das Geld wirklich dort ankommt, wo es gebraucht wird? Oder befürchten Sie, dass diese Gelder indirekt mit militärischen Vorbereitungen verbunden sein könnten – zum Beispiel, wenn die Infrastruktur gezielt in Richtung Osten ausgebaut wird?

Wie die Mittel eingesetzt werden, wird sich zeigen. Es wird wohl auch Streit darum geben, was alles unter die Zweckbestimmung fällt und als Investition in Infrastruktur gilt. Darum werden wir sicherlich in der Zukunft noch einige Diskussionen führen.

Diese Kredite werden Zinsen verursachen und die Staatsverschuldung weiter erhöhen. Welche Pläne hat die Bundesregierung diese Schulden zurück zu zahlen?

Ich kann nicht für die Bundesregierung sprechen, schon gar nicht für eine, die noch nicht im Amt ist. Aber richtig ist, dass die nun zusätzlich aufgenommenen Kredite Zinszahlungen nach sich ziehen. Wer für diese Zinsen zahlt, ist eine Frage der politischen Kräfteverhältnisse. Es kommt also auf die politischen Auseinandersetzungen der nächsten Jahre an, ob dafür Kürzungen vorgenommen werden oder wir die Vermögen der Reichen dafür heranziehen.

Besteht die Gefahr, dass wir massive Kürzungen im Sozialbereich, in der Pflege oder in der Bildung hinnehmen müssen? Eigentlich sollten die Infrastruktur-Investitionen doch genau das verhindern…

Ja, die Gefahr besteht. Das sehen wir ja schon an den Äußerungen von Merz und anderen aus der Union, die jetzt trotzdem vor allem beim Sozialen kürzen wollen. Aber hinnehmen müssen wir überhaupt nichts. Denn auch das ist eine Frage der politischen Kräfteverhältnisse. Wir können und sollten gerade jetzt zusammen gegen unsoziale Kürzungen kämpfen.

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