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Wir müssen mal wieder die Welt retten!

Yusuf As

Afrikanische Kinder ohne Eltern, Kinder mit amputierten Körperteilen, Arbeiter, die Chiquita Bananen sammeln, aber selbst keine davon essen dürfen, Fußbälle, in Pakistan von unterernährten Frauen genäht, die in den größten Stadien der Welt unter den Füßen der teuersten Spieler rollen oder die schönen Klamotten, die wir tragen, die teils von Kindern produziert werden. Das sind Bilder, die uns ständig begleiten. „Was für eine ungerechte Welt!!!“ sagt der eine oder andere sicherlich. Das sind nun mal die Tatsachen. Das hat sich bestimmt auch die Gesamtbetriebsrätin von H&M, Gudrun Willner, aus Sindelfingen, gedacht, als sie letztes Jahr in Bangladesch war. Gemeinsam mit anderen Betriebsräten von H&M, Zara und Metro besuchten sie das Land, in dem 3,5 Millionen Menschen allein für Europa und die USA Textilien herstellen. Hunderte von Firmen machen jährlich durch die billige Produktion im Ausland Millionen von Gewinne. So auch der schwedische Konzern H&M. Willner sah die schlechten Bedingungen in Bangladesch, unter denen die Frauen arbeiten müssen. Viele Frauen würden in den Fabriken sehr viele Überstunden machen und, weil sie meist nicht vor 20 Uhr oder 22 Uhr Feierabend machen können, gleich in der Firma übernachten, so Laura Bresson, eine der Teilnehmerinnen der Delegation. Im Durschnitt verdienen die Textilarbeiterinnen 42 € im Monat. Doch davon gehen durchschnittlich schon 30 € für die Miete weg. Eine Summe, die sich keine der Arbeiterinnen alleine leisten kann. Man lebt daher mit einer großen Anzahl von Menschen auf kleinstem Raum zusammen. Ein Armutszeugnis!

Die zwei Kolleginnen haben die Beobachtungen ihre Reise Ende September auf der Betriebsversammlung von H&M dargestellt. Auch, dass es nicht selten war, dass Notausgänge versperrt waren. Das kann schnell verhängnisvoll für die Arbeiterinnen werden. Erst im September kam es zu einem Brand in Pakistan, bei dem 250 Menschen erstickten und verbrannten. Die Fabrik in Pakistan stellte auch Jeans für den bekannten Textildiscounter KiK her. Die Betriebsräte von H&M fordern daher Maßnahmen für die Herstellerbetriebe, da diese auch maßgeblich Verantwortung tragen.

 

12 Cent Kampagne von Verdi

Auf derselben Versammlung wurde auch über die Kampagne von verdi diskutiert und zur Unterstützung aufgerufen. Laut Berechnungen müsse der Konsument lediglich 12 Cent mehr für jedes Kleidungsstück  bezahlen, damit eine Näherin 50 € mehr im Monat verdienen könne. Die meisten sind sicherlich bereit, diese Cent-Beträge zu zahlen. Durch solch eine Solidarität könnte sich die Situation drastisch ändern.

 

Warum wir und nicht die?

Doch ein Widerspruch bleibt bei der ganzen Sache: Hier fünf Euro, da zwei, hier 12 Cent. Mit den verschiedensten Kampagnen werden wir zur Solidarität aufgerufen. Wir helfen nur, wo es geht und retten damit die Welt. Warum wird immer nur von uns gefordert? Sicherlich sind 12 Cent kein Betrag, von dem wir verhungern würden oder von dem unsere Existenz bedroht wird. Aber wer hat denn von uns, nur im zweiten Quartal 2012, 800 Millionen Euro Gewinn gemacht? Wir oder H&M? Sicherlich keiner von uns. Anstatt von denen zu fordern, die verantwortlich sind für die Situation der Näherinnen in Bangladesch und damit auch noch Hunderte von Millionen Euro Gewinne einkassieren, werden wir aufgefordert, mehr zu zahlen. Sicherlich kann Humanismus und Solidarität nicht schaden und davon gibt es auch leider nicht immer genug. Wir werden aber immer mehr dazu aufgerufen, die Rechnung für Armut, Lohnausbeutung und Ungerechtigkeit zu tragen. Die Kapitalisten verursachen die Krise, wir zahlen für Banken und Konzerne. Die NATO-Länder zerbomben den Nahen Osten und finanziert werden die Bomben von unseren Steuern. Afrika wird von Kopf bis Fuß ausgebeutet, in Südafrika werden Minenarbeiter erschossen und unsere Entwicklungsministerin sponsort einen Fußballplatz, „damit es den Menschen dort besser geht“. An die Wurzel des Problems geht niemand ran. Lediglich kosmetische Eingriffe werden, wenn überhaupt, in Erwägung gezogen. Und sollte H&M die 12-Cent-Kampagne durchziehen, wird sicherlich nur die Gewinnspanne erhöht, mehr Gehalt werden die Textilarbeiterinnen sicher nicht bekommen!

 

Den Grund hinterfragen

Wie gesagt, Humanismus und Solidarität sind und bleiben sehr wichtig. Aber nicht, indem wir ungewollt zu Komplizen der Verursacher werden. Das gilt auch für die Kampagne der Gewerkschaften. Diese Textilarbeiterinnen werden von den westlichen Konzernen bis zum letzten Tropfen ausgeplündert. Überstunden, keine Pausen, in der Fabrik übernachten oder gar in der Fabrik zu sterben, wie es in Pakistan der Fall war, ist keine Sache, die wir mit Cent-Beträgen wieder gut machen können.

Wenn wir tatsächliche Veränderungen wollen, dann müssen wir grundlegende Sachen in Betracht ziehen und uns die Frage stellen, warum das so ist und dann genau diejenigen zur Kasse bitten, die verantwortlich sind. Das sind eine handvoll Menschen, die in Saus und Braus leben und sich einen Teufel um uns und die Menschen in ihren Produktionsländern scheren. Die Betriebsräte von H&M sollten zusehen, dass sie Druck bei der Firmenleitung hinbekommen, damit die Textilarbeiterinnen einen gerechten Lohn nach deutschem Standard  bekommen. Wie wäre es, wenn man nicht 12 Cents von den Kunden, sondern die ganzen 50 Euro von den Aktionären nimmt?

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