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Wir wollen frei von Hitler sein !

Şeyda Kurt
Was bedeuten für uns Helden? Was verkörpern sie in unseren Augen? Sind sie stark, mutig und mächtig? Sind sie Idealisten und kämpfen für ein höheres Ziel? Ist Heldentum überhaupt ein absoluter, unumstrittener Begriff?
Wenn man sich die Geschichte der Edelweißpiraten anschaut, dann wird man auf die letzte Frage sicherlich mit „Nein“ antworten. Bis in die 1980er von der Regierung als Kriminelle beschimpft und von Wissenschaftlern als „NS-Opfer“ abgestempelt- Jahrelang stritten sich die Politik und Wissenschaft um die Frage, ob sie zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus gezählt werden können, oder nicht. Erst durch einen Fernsehbericht kam das Thema auch in den Fokus der Bevölkerung. 1972 finanzierte der Kölner Jugendring eine Gedenktafel zu Ehren der Ehrenfelder Edelweißpiraten, die jedoch nach wenigen Jahren wieder entfernt wurde. Die „Initiative Edelweißpiraten als Antifaschisten“ bemühte sich lange Zeit um eine erneute Errichtung einer Gedenktafel. Mit dem Wunsch von CDU-Politikern wurde leider auch diese wieder entfernt, bis im November 2003 an den Bögen der Bahnunterführung in der Schönsteinstraße  Köln- Ehrenfeld erneut eine Gedenkstätte angelegt wurde, mit der Schrift: „Hier wurden am 25.10.1944 elf vom NS-Regime zur Zwangsarbeit verschleppte Bürger Polens und der UdSSR und am 10.11.1944 dreizehn Deutsche- unter ihnen jugendliche Edelweißpiraten aus Ehrenfeld sowie andere Kämpfer gegen Krieg und Terror- ohne Gerichtsurteil öffentlich durch die Gestapo und SS gehenkt.“
Während den ersten Nachkriegsjahren und natürlich besonders zur Zeit des Nationalsozialimus, fanden sich Jugendliche in verschiedenen Städten unter dem Namen  „Edelweißpiraten“ zusammen. Außer der Kölner Gruppe sind die Dortmunder Edelweißpiraten noch im öffentlichen Bewusstsein geblieben. Es waren meist Jugendliche aus der sozial schwächeren Schicht, die perspektivlos an dem Trugbild der „goldenen 20er“ der Wohlhabenden  nicht teilhaben konnten. Bei dem Zusammenkommen dieser Jugendlichen ging es hauptsächlich um Freizeitgestaltung. Sie unterschieden sich von anderen durch ihren auffälligen Kleidungsstil: Skihemden, Wanderschuhe, Halstücher, Lederhosen und natürlich das entscheidende Merkmal: Eine Edelweiß-Stecknadel. Nach dem Verbot von Jugendverbänden 1933 wurden die Gruppen automatisch politisiert, da ehemalige Mitglieder vom NS-Regime verfolgt und verurteilt wurden.
Die Gruppe um Hans Steinbrück, einem Flüchtling aus dem KZ-Außenlager Köln Messe, zählte mehr als 100 Personen. Sie agierten hauptsächlich im Arbeiterstadtteil Ehrenfeld, in dem viele Juden, geflohene Häftlinge und Zwangsarbeiter Unterschlupf fanden. Steinbrück  legte im Keller ein umfangreiches Waffen- und Lebensmittellager an, das sich Juden und Zwangsarbeiter als geeignetes Versteckquartier anbot. Es gab zahlreiche erwachsene Helfer und Mitwisser. Die Finanzierung der Unterkunft erfolgte durch Einbrüche, wodurch die Gruppe negatives Aufsehen in der Bevölkerung erregte. Dies führte letzendlich auch zu dem Verrat der Mitbürger, der es ermöglichte, dass die Mitglieder der Gruppe gefasst wurden. Am 10. November 1944 wurden 13 Angehörige der Edelweißpiraten, darunter fünf Jugendliche und auch Hans Steinbrück, ohne Gerichtsurteil von der Geheimen Staatspolizei auf der Ehrenfelder Hüttenstraße öffentlich hingerichtet. Ihnen wurde fünf-facher Mord und Diebstahl vorgeworfen. Die Leichen ließ man noch drei Tage lang zur Abschreckung hängen.
Heute ist der westliche Teil der Hüttenstraße benannt nach dem erst 16-jährigen Widerstandskämpfer Bartholomäus Schink, der mit seinen Kameraden in dieser Straße das Leben aufgab. Ein kleiner Trost ist das schon, nach dem jahrelangen Kampf um ein ehrwürdiges Andenken dieser jungen Helden. Ja, sie sind Helden! Die Ansicht der Wissenschaft und  Politiker ändert nichts an der Tatsache, dass junge Menschen, gar Kinder, ihr Leben für andere hilfsbedürftige Menschen opferten, während sich andere heute noch unter dem Argument der Kollektivschuld verstecken.Diese Art von Symbolik ist unserer Gesellschaft heute von besonderer Wichtigkeit, gerade für die Erinnerungskultur einer Stadt wie Köln, in der eine rechte „Bürgerbewegung“ wie Pro-Köln ihre rassistische Propoganda betreibt. Daher ist es besonders begrüßenswert, dass die Gedenkstätte am Bahnbogen auf Wunsch der Ehrenfelder Gemeinde, von zwei Künstlern nun in ein künstlerisches Kuratorium verwandelt wurde. Eine Grafik wurde auf eine Seitenwand des Bahnbogens neben dem Mahnmal übertragen, wo farbig in verschiedenen Sprachen steht:
“ Edelweißpiraten haben sie sich genannt. Wo diese Blume blühte, da war Widerstand!“

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