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Wölfe im Schafspelz – Unterwandert oder ermutigt?

Sinan Cokdegerli

Normalerweise bekommt die Wahl des Migrationsbeirats in München, genau so wie in anderen Städten auch, kaum mediale oder gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Dieses Jahr war das jedoch anders, da vor allem eine Betrugsmasche rassistischer Listen aufgedeckt wurde. Dabei ist dieses Verhalten charakteristisch für die Gruppe, von der sie ausging.

Am 22. Januar waren alle Bürgerinnen und Bürger in München, die eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen, eingeladen, ein Gremium zu wählen, dessen reine Existenz nicht wirklich einladend ist. Zwar wurde der Ausländerbeirat vor geraumer Zeit in Migrationsbeirat umbenannt, doch das ändert wenig an seiner Natur.

Das Gremium selbst ist weder entscheidungsfähig, was das Stadtbild betrifft, noch hat es Stimm – oder Antragsrecht im Stadtrat. Es dient lediglich dem Zweck, eine Art Scheinpartizipationsmöglichkeit für alle diejenigen zu bieten, denen ein wirkliches Wahlrecht seitens der deutschen Regierung verwehrt wird. Millionen Menschen haben, obwohl ihr Lebensmittelpunkt seit Jahren, bei einigen seit ihrer Geburt, in Deutschland ist, dennoch kein Recht darauf, die politische Landschaft im Rahmen der bürgerlich demokratischen Möglichkeiten mitzubestimmen. Stattdessen dürfen sie in vielen Städten alle paar Jahre solche oder ähnlich strukturierte Gremien wählen, mit denen ein Mitbestimmungsgefühl suggeriert werden soll. Doch das ist nicht das einzige Problem dieser Behörde, für dessen Wahl die Beteiligung immer weniger und männlicher wird.

„Gib mir dein Wahlzettel, ich füll den aus!“

So oder so ähnlich dürften die Verantwortlichen des „Bizim Ocak e.V.“ wohl an die Menschen getreten sein, deren Briefwahlunterlagen sie sammelten, um diese nach eigenen Wünschen ausgefüllt abzuschicken. Auf die Beschwerde eines Wahlberechtigten hin, dass seine Wahlunterlagen ohne sein Einverständnis an eine andere Adresse geschickt worden seien, reagierte das Stadtratsmitglied Dominik Krause (Die Grünen) und stellte eine Anfrage an die Stadt München. Als Antwort auf diese Anfrage kam heraus, dass dies vermutlich nicht der einzige Fall gewesen ist. Die Stadtverwaltung gab zu, dass vermehrt Briefwahlunterlagen an die Adresse des Vereins geordert worden seien. Wie viele davon ohne ein Einverständnis der Wahlberechtigten versendet worden sei, sei noch unklar. Dennoch kann man, auch bei einer geringen Anzahl, von Wahlmanipulation sprechen, worauf im schlimmsten Fall sogar eine Freiheitsstrafe folgen könnte.

Im Folge dieses Verfahrens wurde die Staatsanwaltschaft in Kenntnis gesetzt, worauf die Antwort des Vereins nicht auf sich warten ließ. Unbekannte tätigten Drohanrufe bei Stadträten, Einzelpersonen und Behörden und eine Pressekonferenz wurde einberufen. Das Problem: sie wurde nur auf Türkisch angesetzt und war mehr Angriff auf Kritiker als eine Presseerklärung: Neben Stadtratsmitglied Krause wurde auch seine Fraktionsvorsitzende Gülseren Demirel (Die Grünen) zum Ziel der verbalen Angriffe des Vereins .

Demirel wurde als PKK–Sympathisantin bezeichnet und ihr wurde vorgeworfen, ein Komplott gegen die Wahlteilnehmer aus dem türkisch-nationalem Spektrum geschmiedet zu haben. Eine zweite Liste, die Liste der „Neuen Europäer“ ging zeitgleich juristisch gegen Stadtratsmitglied Cetin Oraner (Die Linke) vor, der diese Liste auf einer anderen Pressekonferenz als unerwünscht beschimpft hatte.

Angebliche Idealisten

Unverständlich findet man diese Verhaltensweisen, jedoch nur dann, wenn man die politische Zugehörigkeit dieser Listen nicht kennt. „Bizim Ocak e.V.“ gehört zur Bewegung der Grauen Wölfe an. Zumindest sind in ihren Reihen stadtbekannte Graue Wölfe aktiv. Diese Bewegung, die ihren Ursprung in der Türkei hat, ist für politisch motivierte Morde an Kommunisten, Aleviten, Kurden und anderen Minderheiten wie Armeniern bekannt. Meist besteht ihre öffentliche Art der Verteidigung in der Verunglimpfung und gewalttätigen Auseinandersetzung mit ihren politischen Gegnern.

Im Namen eines sogenannten „demokratischen Idealismus“, welchen sie in Deutschland angeblich ausleben, organisieren sie sich zudem in vielen politischen Parteien und gehen in jegliche Gremien, in die man sie reinlässt. Hauptsächlich zur Mitgliedschaft in Parteien wie der CDU/CSU werden ihre Anhänger aufgerufen, jedoch auch in der SPD sind sie immer wieder zu finden. Dadurch können sie diese Parteien leichter auf kommunaler – oder Landesebene dazu bewegen, ihre Vereine durch Unterstützung, Förderung oder Gastauftritte von Parteifunktionären zu legitimieren und dabei Gelder für ihre Spaltungspolitik zu erhalten. Nun sind die Vertreter dieser Organisationen mit einer hohen Anzahl im neuen Migrationsbeirat vertreten.

Keine Integrative Arbeit in Sicht

Sowohl die Aktivitäten türkischer Nationalisten, die Türkeistämmige dazu anhalten, an ihrem „Türkentum“ festzuhalten, als auch die Wahl eines sogenannten Migrationsbeirats, leisten keine integrative Arbeit, weder in München, noch in irgendeiner anderen deutschen Stadt. Das wissen jedoch auch die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung, was sie nicht daran hinderte, diese Wahl immer wieder durchzuführen. Dabei wird die Tatsache, dass die Stadt ihr eigenes Gremium nicht ernst nimmt, auch von Mitgliedern des Migrationsbeirats kritisiert. Letztendlich ist der Hauptgrund für eine Wahlbeteiligung von etwa 3,6% der 360.000 Wahlberechtigten in München jedoch folgender: Keiner möchte zu einer Wahl, bei der seine Stimme nicht einmal auf dem Papier etwas bewirken kann. Keiner möchte wählen, wenn das gewählte Amt nicht mitreden, geschweige denn mitbestimmen darf.

Solidarität und Aufklärung

In einer kurzfristig organisierten Diskussionsveranstaltung wurden diese Themen am Sonntag nach Bekanntwerden der Wahlmanipulation besprochen. Neben einer Solidaritätsbekundung mit den Stadträten diente diese Veranstaltung auch als eine Plattform, um über die Lage in München zu sprechen, die immer weiter zu eine Spaltung der Gesellschaft führt.

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