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Woher kommt das Bedürfnis nach einer Partei wie die AKP

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Die Gründe, warum die AKP trotz der Verletzungen elementarster Rechte ihre Politik als eine fortschrittliche Demokratie bezeichnen kann, liegt einerseits im Geschick der ihr in Form eines Propagandabüros zuarbeitenden liberalen Intelligenz, das wahre Gesicht der AKP demagogisch zu verbergen und dem Entstehen der Hauptparolen dieser Partei einen intellektuellen Beitrag zu leisten. Im Rahmen der neoliberalen Reorganisation und Neugestaltung des Staats und Militärapparats und anderer kollektive Funktionen ausübender Institutionen schafft sie es im Gefecht mit diesen zudem, die dabei entstehende Kritik in ein Vorteil für ihr eigenes Lager anzurechnen. Dabei stellt sie sich immer als die benachteiligte Seite dar, die das Land demokratischer, freiheitlicher und zeitgenössischer gestalten möchte, sie jedoch bei all diesen fortschrittlichen Reformvorhaben von den am Status quo festhaltenden Kreisen gebremst werde.

Die AKP ist das glänzende Produkt nach den 80´ern in der Türkei, die gegen das alte Kolonialprinzip einen nationalen Befreiungskampf geführt, auf diesem Wege die politische Unabhängigkeit erlangt und ihren gesamten Staats- und Militärapparat mit allen dazugehörenden Institutionen den Bedürfnissen der Aufschwungs- und Entwicklungswirtschaft entsprechend  geformt hat. Diese Art der Organisation des Staatsapparats und der Gesellschaft (in diesen Ländern) wird als eines der größten Hindernisse für den freien Kapitalverkehr angesehen, so dass die Neugestaltung und Reorganisation des Staatsapparates und der Bürokratie eines der Haupttagesordnungspunkte der imperialistischen Mächte darstellt.

Auf der ganzen Welt wurden die Funktionen und die Mechanismen des Staatsapparats im Hinblick auf die Organisation und das Funktionieren der freien Marktwirtschaft hingehend überarbeitet.

Um das Angebot an sozialen Diensten zu überdenken, wurden einige Institutionen aufgelöst, die während der Aufschwungs- und Entwicklungsphase entstanden sind. Unter der Liquidierung der Sozialpolitik wurden Subventionen für öffentliche Dienste erheblich gekürzt, um diese Dienste als Waren auf dem freien Markt anbieten zu können. Der Prozess der Verschlankung des Staatsapparates nach den 80´ern verlief auch auf Grund von Türkei-spezifischen Probleme recht konfliktreich.

Die AKP-Regierung verspricht in der Neugestaltungs- und Reorganisationsphase des Staatsapparates die Abrechnung mit dieser Bandenorganisation im Staat und ihrer Zerschlagung. Dies ist eine ihrer Hauptversprechen und eines ihres Propagandavorrats im Rahmen der sog.  „fortschrittlichen Demokratie“. In Wahrheit agiert sie, wie es ihr im Globalisierungszeitalter zur Pflicht gelegt wurde, den freien internationalen Kapitalverkehr in die abgelegensten Orte zu ermöglichen bzw. zu vereinfachen und für das internationale Kapital neue Märkte zu schaffen.  Sollte sie auf diesem Weg von den am Status quo festhaltenden Schichten gehindert werden, so werden diese Schichten eingeschüchtert. Zusätzlich liegt es in ihrem Aufgabenbereich, die im Rahmen des Status quo bestehenden Gesetze zu ändern und die Neugestaltung bzw. Reorganisation des Staats-, Militär- und Bürokratieapparat zu realisieren, so dass die Verinnerlichung des neu von der AKP geschaffenen Status quo’s sowohl die alten als auch die neuen Mitglieder der Bürokratie und des Militärs zu einem neuen Kaderverständnis bringt, mit der sie sich im gesellschaftlichen Leben neu definieren können. Willkürliche Verhaftungen von Oppositionellen und Gerichtsverfahren dienen nun als ein Einschüchterungselement gegen die zur AKP in Opposition stehenden Schichten und dazu, ihren Status quo im Staats- und Militärapparat zu verstärken und ihren eigenen tiefen Staat im Staats- und Militärapparat zu etablieren.

Sie hat es jedoch geschafft, den von den am alten Status quo festhaltenden Kreisen hervorgebrachten Widerstand durch das Ausnutzen des Gefühls der Benachteiligung der vom Staus quo unterdrückten Schichten (Arbeiter, Kurden, Intellektuelle) ein Vorteil in Form von Wählerstimmen für ihr eigenes Lager zu erwirtschaften und so den Eindruck zu vermitteln, dass, obwohl sie alleine die Regierung bildet, einen Kampf mit den staatlichen Institutionen führen würde. Hierin liegt der Erfolg dieser Partei, nämlich, dass sie erstens die jahrelange Benachteiligung verschiedener Völker, Schichten und Gruppierungen in der Bevölkerung ausnutzt und für ihr Lager verbuchen kann und zweitens obwohl sie in ihrer dritten Legislaturperiode die Regierung bildet, schafft sie es, beim Aufbau ihres eigenen Status quo im Falle des Aufkommens von Widerstand seitens der am alten Status quo festhaltenden Kreisen sich als Oppositionspartei zu verkaufen.

Die AKP ist ein Produkt des Militärputsches gegen die Koalitionsregierung bestehend aus der Refah Partisi (Wohlfahrtspartei) und der Doğru Yol Partisi  (Partei des Rechten Weges) aus dem Jahre 1997. Mit dem postmodernen Militärputsch der Generäle vom 28. September 1997 wurde die Regierung entmachtet und der Refah-Partisi – Teil der Regierung- wurde in Wirklichkeit wegen ihrer anti-israelischen, anti-westlichen, anti-amerikanischen Politik und ferner wegen ihrer Millî Görüş-Politik, die die Schutz und Quotenregelungen, die sie als Bemühungen für eine Nationalindustrie nannte, für die Wirtschaft vorsieht, zur Zielscheibe, da ihre Wirtschaftspolitik unfähig war, mit der (ihr zur Pflicht gelegten) neoliberalen Politik in Einklang gebracht zu werden. Offiziell hieß es jedoch, dass sie versucht habe, einen Scharia-Staat aufzubauen und deshalb hätte die  Regierung gestürzt werden müssen. Die AKP ist aus dem Demontageprozess an der aus der Regierung vertriebenen Refah-Partisi entstanden.

Die Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) trat 2001 auf die Bühne, als die Türkei eine schwere ökonomische Krise durchmachte. Zwischen Februar und März 2001 schrumpfte die Industrieproduktion um 10%, mehrere Kleinbetriebe mussten schließen, ganze Branchen wie Textil- und Schuhindustrie kamen zum Erliegen, bis zu eine halbe Millionen Menschen wurden arbeitslos, wobei auch schon vor dieser Krise die Arbeitslosigkeit bei über 18% lag. Es kam zu einer Abwertung der Währung um über 40% und einer Inflation von über 70%. Die ökonomische Krise entwickelte sich zu einer Staatskrise. Technokraten wie der damalige stellvertretende Präsident der Weltbank Kemal Dervis wurden der Regierung (bestehend aus DSP –zu deutsch Demokratische Linkspartei, ANAP – zu deutsch die Mutterlandspartei, MHP – zu deutsch Partei der Nationalistischen Bewegung) eingesetzt, um die Krise zu meistern, wie es heutzutage in den europäischen Ländern geschieht. Programme wurden verabschiedet, durch drastische Preiserhöhungen für Benzin, Alkohol, Tabak, Zucker und Papier, für die es noch staatliche Monopole gab, wurde versucht, die Krise auf  die Bevölkerung abzuwälzen. Ab Anfang 2002 sollten die Agrarsubventionen abgeschafft und alle staatlichen Landwirtschaftsbetriebe verkauft bzw. privatisiert werden. Bspw. sollte die Mehrheit der 230.000 Beamtenwohnungen verkauft und ein Teil der 2,5 Mio. Beamten und Angestellten vorzeitig pensioniert werden. Millionen von Bewohnern illegal gebauter Häuser sollten gegen Entgelt ihr Eigentum legalisieren. Internationales Kapital sollte außerdem durch Privatisierung der staatlichen Banken, des Energiesektors, der Fluggesellschaft und der Telekom hereingeholt werden. Das Vorhaben der Regierung, des IWF’s und der Weltbank wurden von den breiten Massen der Bevölkerung abgelehnt. Neben der arbeitslosen und armen Masse protestierten hunderttausende Selbständige, Kleinunternehmer und Bauernverbände  gegen das von der Regierung durchzusetzende Wirtschaftsprogramm. Prognosen zufolge hätten bei Neuwahlen keine der Regierungskoalition angehörenden Parteien die gesetzliche Zehnprozenthürde erreicht. Sowohl ein Rücktritt des Ministerpräsidenten Ecevits (DSP) als auch der Wunsch nach einer Regierungsumbildung seitens der Vereinigung der Industriellen und Unternehmer (TÜSIAD)  wurden von der Regierung abgelehnt. Einer vorgezogenen Neuwahl stand auch die TÜSIAD entgegen. Diese forderte jedoch die wirtschaftliche und politische Liberalisierung, um bisher ausgeschlossene bürgerliche Kräfte einzubeziehen. Hierzu gehörten vor allem die größte Oppositionspartei Fazilet Partisi (FP –zu deutsch Tugendpartei) mit einzubeziehen, gegen die ein Verbotsverfahren lief. Sie verbannte bei den Wahlen im November 2002 alle etablierten Parteien aus dem Parlament. Nur die aus der Spaltung des islamistischen Lagers im August 2001 entstandene AKP unter Führung von Recep Tayyip Erdogan und die in den Wahlen von 1999 an der Zehnprozenthürde gescheiterte CHP konnten den Sprung in die Nationalversammlung schaffen. Mit 34% Stimmanteil besetzte die AKP  auf Grund des türkischen Wahlrechts fast 2/3 der Sitze im Parlament. Seither wuchs ihr Stimmanteil bis auf 49,1 Prozent.

 Imdat Salman

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