Zeynep Arslan / Wien
Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) ging aus den Parlamentswahlen vom 29. September 2024 mit einer Stimmenmehrheit von 28,8 Prozent hervor und sicherte sich damit den ersten Platz. Der Auftrag zur Regierungsbildung wurde der rechtspopulistischen FPÖ vom Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen verweigert – eine nicht untypische Situation, die es bereits in der österreichischen Politikgeschichte gegeben hat. Daraufhin startete die zweitstärkste Partei, die konservative Österreichische Volkspartei (ÖVP), Koalitionsgespräche mit der Sozialdemokratischen Partei (SPÖ) und den NEOS (Das Neue Österreich und Liberales Forum). Der Verhandlungstisch, der über Monate hinweg ohne transparenten Austausch mit der Öffentlichkeit andauerte, wurde am dritten Tag des neuen Jahres von den NEOS verlassen. Keine zwei Tage später scheiterte auch der Versuch, die Verhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ fortzusetzen. Nun steht Österreich vor der Situation, dass das Land erstmals in seiner Geschichte einen rechtspopulistischen, rechtsextremen Bundeskanzler Herbert Kickl (FPÖ) haben könnte, da dieser am 6. Januar von Van der Bellen mit der Regierungsbildung beauftragt wurde. Am 13. Januar gaben FPÖ und ÖVP nun bekannt, dass sie sich auf vieles geeinigt haben. Ein Sparpaket in Höhe von 6,3 Milliarden Euro mit Maßnahmen gegen Steuerschlupflöcher, Einsparungen im Ministeriumsapparat und ein “Ende von Überförderungen” sollen die Grundlage der zukünftigen Regierung sein.
„Drittes Lager“: „Die FPÖ“
Neben den beiden traditionellen Lagern der österreichischen Politik – dem christdemokratisch-bürgerlichen und dem sozialdemokratischen Lager – bezeichnet sich die FPÖ als Vertreterin des „Dritten Lagers“ und somit der deutschnationalen, deutschfreiheitlichen und nationalliberalen Teile der Gesellschaft. In der FPÖ finden sich Nazis und ehemalige NS-Verbrecher. Herbert Kickl, der bereits als Innenminister unter der gescheiterten Koalitionsregierung (Bundesregierung Kurz I, 2017–19) einige Skandale (z. B. die BVT-Affäre) zu verantworten hatte und seine Politikkarriere unter Jörg Haider stets aus der zweiten Reihe konsequent aufbaute, erlebte einen steilen Aufstieg während der Pandemie. Dort profilierte er sich als lautester Kritiker der Covid-Maßnahmen und Verschwörungstheoretiker und inszenierte sich als „Volkskanzler“. Seitdem erlebt die FPÖ einen Höhenflug und erreicht in Umfragen mittlerweile 35–37 Prozent. Sie punktet insbesondere mit ihrer EU-kritischen Haltung (Themen: Teuerung, Migration) und ihrer umstrittenen „Putin-Nähe“ (Themen: Deeskalation, Handelspartner Russland, russisches Gas). Ihre ideologische Ausrichtung zeigte die FPÖ bereits bei ihrer letzten Regierungsbeteiligung (2017–19). Doch welche Faktoren führten trotz dieser Belastungen zu ihrem Erfolg?
Ursache vs. Symptom
Es fällt auf, dass die etablierten Parteien oft die Sorgen der Bevölkerung ignorieren. Rechtspopulistische Parteien, wie die FPÖ nutzen diese Unzufriedenheit geschickt aus und vereinnahmen sogar linkspolitische Themen für sich. Während der Covid-Pandemie (2020–2022) gelang es der FPÖ, die Verunsicherung und Protesthaltung der Bevölkerung aufzugreifen und zu mobilisieren. Dies war eine langfristige Wahlkampfinvestition. Die tendenziell autoritäre Politik der ÖVP, unterstützt durch die Grünen (2019–2024) und die SPÖ, schuf den Raum für die FPÖ, sich als einzige Opposition zum Establishment darzustellen. Die FPÖ sprach die Probleme der Bevölkerung emotional an, ohne nachhaltige Lösungen zu präsentieren – ein typisches Merkmal populistischer Politik. Es braucht Alternativprogramme.
Wirtschaftliche Herausforderungen
Nun steht die FPÖ kurz davor, den Bundeskanzler zu stellen. Während medial vor einem rechtspopulistischen Kanzler gewarnt wird, stehen die wirtschaftspolitischen Konsequenzen im Hintergrund. Österreich befindet sich – wie viele andere EU-Länder – in einer Rezession. Die Staatsschulden sind weiter gestiegen und liegen bei über 400 Milliarden Euro. Mit einer Schuldenquote von 163,6 % des BIP und einem Maastricht-Vertragswert von über 83 % steht Österreich unter Druck, bis Mitte Januar einen Plan zur Reduktion des Budgetdefizits auf unter 3 % nach Brüssel zu schicken. Diese wirtschaftliche Lage prägte den Wahlkampf und die Koalitionsverhandlungen, insbesondere die Frage, wo eingespart werden soll. Die Industriellenvereinigung (IV) drängt darauf, Unternehmen zu entlasten.
FPÖ-ÖVP-Symbiose
In den Medien wird die Sorge vor einem FPÖ-Bundeskanzler betont, doch die wirtschaftspolitischen Folgen dieser Regierung werden kaum beleuchtet. Eine mögliche Rollenverteilung könnte sich abzeichnen: Die ÖVP übernimmt die Wirtschaftsressorts und setzt Sparmaßnahmen zulasten der Arbeiter und Angestellten durch, während die FPÖ gesellschaftspolitische Konflikte schürt, um von diesen Maßnahmen abzulenken. Diese „divide et impera“-Strategie könnte die Bevölkerung weiter spalten und schwächen.
ÖVP und FPÖ versicherten, es werde keine neuen Steuern geben, schon gar keine Vermögens- oder Erbschaftssteuern. Auch keine Erhöhung von Massensteuern wie Mehrwertsteuer oder Mineralölsteuer, auch die Körperschaftssteuer für Unternehmen bleibe unangetastet. Die Kürzungen werden im hauptsächlich im Kulturbereich, in der Migration und sozialen Bereichen stattfinden. Österreich erwarten kalte Zeiten bis zu den nächsten Wahlen.