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2024- Das Jahr von Ampel-Aus, Rechtsruck und Aufrüstung, aber auch das Jahr von sozialen Kämpfen, Antirassismus und Bewegung

Wenn wir das Jahr 2024 aus innenpolitischer Sicht betrachten, fällt uns als erstes auf, dass die Probleme, die wir ohnehin hatten, wie Rassismus, soziale Kürzungen, Aufrüstung uvm. sich verschärft haben. Aber wir haben auch gesehen, wie der Widerstand gegen all dies aussehen kann.

Alev Bahadır

Ein ganzes Jahr in einem Artikel zusammenzufassen ist praktisch unmöglich, deshalb versuchen wir das an dieser Stelle auch gar nicht, sondern betrachten das Jahr anhand verschiedener Themen.

Auf dem Rücken von Geflüchteten und Migranten

2024 begann mit einem Knall. Nachdem ein Geheimtreffen von AfD und CDU Politikern mit Vertretern der Identitären Bewegung und Firmenchefs, bei dem u.a. die „Remigration“ oder besser gesagt Deportation von Migranten geplant wurde, öffentlich wurde, bewegte sich Deutschland. Millionen sind wochenlang auf die Straßen gegangen und haben Stellung bezogen gegen eine Politik der Ausgrenzung und Abschottung. Auch wenn sich die Proteste nicht auf Dauer gehalten haben, waren sie ein wichtiges Zeichen, das gezeigt hat, dass noch immer ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung bereit ist, auf die Straße zu gehen. Grund dazu gab es leider genug. Der Ton gegen Migranten und Geflüchtete ist immer härter geworden. Bald war es nicht „nur“ die AfD, die auf ihrem Rücken Politik machte, sondern auch die anderen Parteien auf den Zug aufsprangen. Geht es nach Olaf Scholz müsse man „im großen Stil abschieben“, Friedrich Merz erzählt ein rassitisches Narrativ nach dem anderen, BSW macht Standortpolitik auf dem Rücken der Migranten und Annalena Baerbocks „feministische Außenpolitik“ endet spätestens an den europäischen Außengrenzen. Bezahlkarten wurden eingeführt, Abschiebungen beschleunigt, Messerstecher an jeder Ecke herbeifantasiert. Die deutsche Migrationslogik zeigte dabei offen ihr wahres Gesicht: Migranten, die gebraucht werden, um hier zu arbeiten, sollen nach Deutschland kommen. Dafür wurden Migrationsabkommen geschlossen und Anreize bei der Staatsbürgerschaft geschaffen. Denn Deutschland braucht Arbeitskräfte. Der demagogische Wandel und die Tatsache, dass niemand mehr in Jobs, wie der Pflege oder Erziehung arbeiten will, sind unumgänglich. Während die einen hier also, natürlich mit weniger Rechten ausgestattet und für weniger Gehalt, arbeiten sollen, wird alles, was nicht gebraucht wird, systematisch abgeschoben und kriminalisiert. Wirtschaftliche Probleme werden auf Geflüchtete und Migranten abgewälzt. Das Märchen der „irregulären“ Migration ist geschaffen. Das schafft natürlich auch andere Effekte. So gingen in Deutschland tausende Türkeistämmige während der Fußball EM mit Wolfsgruß und Türkeifahne auf die Straße. Denn deutscher Rassismus und türkischer Nationalismus sind zwei Seiten einer Medaille, sie stärken sich gegenseitig.

Auch 2025, spätestens wenn der Wahlkampf in die heiße Phase geht, wird diese Rhetorik mit Sicherheit noch aggressiver werden.

Aufgerüstet zu unseren Kosten

Im vergangenen Jahr wurde so viel aufgerüstet, wie noch nie. Deutschland erreicht, das ist bereits Mitte des Jahres deutlich, das 2-Prozent-Ziel der NATO, das 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Aufrüstung vorsieht, zum ersten Mal. Und auch sonst steht das ganze Jahr im Zeichen der „Kriegstüchtigkeit“, wie Boris Pistorius sie nannte. Milliarden wurden in die Aufrüstung investiert, Scholz besuchte eigens Rüstungsunternehmen, die damalige Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger schlug vor, dass man den Kriegsfall schon in der Schule üben solle, die Wiedereinführung der Wehrpflicht war Dauerthema bei allen möglichen Diskussionen. Fakt ist: Deutschland soll künftig sowohl wirtschaftlich, als auch militärisch eine Weltgröße werden und dafür muss man die Gesellschaft für den Gedanken der Aufrüstung gewinnen und massiv investieren. Natürlich wachsen aber unsere Steuergelder nicht an Bäumen, weshalb in allen anderen Bereichen, wie der Gesundheitsversorgung, dem Öffentlichen Nahverkehr, der Jugendhilfe, dem Schutz von Frauen und der Bildung ordentlich gekürzt wurde. Die Kürzungen, die wir momentan erleben, hängen also unmittelbar mit der Aufrüstung zusammen.

Doch auch das bleibt nicht kommentarlos. Gegen soziale Kürzungen gab es in den vergangenen Monaten immer wieder z.B. in NRW, Proteste. Friedensdemonstrationen, wie am 3. Oktober in Berlin wurden von zehntausenden besucht. 51 Prozent der Befragten drücken in Umfragen mittlerweile aus, dass sie gegen weitere Waffenlieferungen in die Ukraine sind. Die Jugend äußert Zukunftsängste wie selten zuvor. Gleichzeitig gehen immer wieder Menschen für ein Ende des Völkermords in Gaza auf die Straßen, und das trotz der „Staatsräson“, der Kriminalisierung der Protestierenden und dem Antisemitismusvorwurf, der gegen alle, die sich gegen die Politik der israelischen Regierung stellen, ausgepackt wird. Ja, wir sind noch weit weg von einer wirklich allumfassenden Friedensbewegung, die insbesondere auch den Krieg in Palästina anprangert, aber die Menschen machen auch mit ihrem Wahlverhalten deutlich, dass sie keinen andauernden Krieg wollen. Nur schaffen es momentan nur AfD und BSW die Stimmen derjenigen, die Frieden wollen, einzufangen und zu instrumentalisieren. 2025 verspricht nicht weniger Ausgaben in die Aufrüstung, deshalb muss sich auch die Friedensbewegung neu aufstellen.

Das Ampel-Aus im Sinne der Konzerne

Die Ampel hat wahrlich keine Politik im Sinne der Beschäftigten und der Jugend gemacht. Das haben wir bereits in anderen Ausgaben von Neues Leben erörtert. Doch das Ende der Ampel, das sich in eine einzige Ego-Show der drei Männer an den jeweiligen Spitzen (Scholz, Lindner, Habeck) verwandelt hat, ebnet den Weg für eine aggressivere Regierung mit Friedrich Merz an ihrer Spitze. Merz hat bereits deutlich gemacht, wo er steht. Weitere Einbußen in der sozialen Sicherheit, das Deutschlandticket zur Diskussion gestellt und eine entspanntere Geflüchtetenpolitik wird es mit ihm wohl kaum geben. Im Interesse der Konzerne, die mit der aktuellen wirtschaftlichen Stagnation nach härteren Maßnahmen und mehr Einschränkungen der Rechte der Arbeiter schreien, wird die Union herrschen. Egal, ob sie das nun mit der SPD oder mit den Grünen oder durch ein Wunder doch mit der FDP tun sollte. Die Streitereien innerhalb der Ampel, die schließlich im Zusammenbruch mündeten haben der Bevölkerung aber einmal mehr vor Augen geführt, in wessen Interesse regiert wird und in wessen nicht. Die Unzufriedenheit wächst. 2024 war ein Jahr der Unzufriedenheit, der Angriffe, aber auch schon der Kämpfe. Nur wenn letztere von unserer Seite zunehmen, wird 2025 das Jahr der Solidarität und der Gerechtigkeit sein.

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